Kurier

Nicht heimatlos, nur hauslos

Das US-Drama „Nomadland“mit Frances McDormand gewinnt den Goldenen Löwen

- AUS VENEDIG ALEXANDRA SEIBEL

Das Beste kam tatsächlic­h erst zum Schluss: Der Goldene Löwe des Filmfestiv­als von Venedig geht an das USDrama „Nomadland“, mit der zweifachen Oscarpreis­trägerin Frances McDormand in der Hauptrolle.

Der amerikanis­che Beitrag der in China geborenen Regisseuri­n Chloé Zhao lief als letzter Film im Wettbewerb, sorgte für ein starkes Finale und heimste auch gleich noch den Hauptpreis ein.

Allein, dass Zhao die resolute Frances McDormand, berühmt als schwangere­r Sheriff in „Fargo“oder als rächende Mutter in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, für die Hauptrolle gewinnen konnte, erwies sich als Haupttreff­er. McDormand leidet weder unter besonderer Eitelkeit, noch fürchtet sie sich vor dem Alter. In ihrer Rolle als Witwe namens Fern befindet sie sich am Rande des Existenzmi­nimums und führt ihr gesamtes Hab und Gut in einem umgebauten Lieferwage­n mit sich.

„Ich bin nicht ,homeless‘, ich bin nur ,houseless‘“, erklärt sie besorgten Bekannten und tritt eine prekäre Reise durch den Westen der USA an. Mit „Nomadland“, gewann übrigens die einzige amerikanis­che Studioprod­uktion im Wettbewerb auf dem Lido den Goldenen Löwen.

Ansonsten traf die Preisjury, zu der auch die österreich­ische Regisseuri­n Veronika Franz, der deutsche Regisseur Christian Petzold und Schauspiel­er Matt Dillon zählten, unter dem Vorsitz von Oscarpreis­trägerin Cate Blanchett teilweise recht überrasche­nde Entscheidu­ngen. Der Große Preis der Jury ging ausgerechn­et an den mexikanisc­hen Hauruck-Regisseur Michel Franco und seinen brutalen Endzeitthr­iller „New Order“.

Ein Militärput­sch in Mexico

führt zu Ausschreit­ungen und Gewaltakti­onen, die besonders gegen Ende hin höchst drastische Wendungen nehmen.

Michel Franco nutzte seine Dankesrede in Venedig gleich dazu, um einer kichernden Cate Blanchett die Zusammenar­beit für einen neuen Film anzubieten.

Der Spezialpre­is der Jury ging an den russischen Regisseur Andrei Konchalovs­ky und sein packendes Schwarzwei­ß-Drama „Dear Comrades“, in dem er von der Niederschl­agung eines Arbeiterst­reiks in den frühen 60er-Jahren erzählt.

Den Preis für das beste Drehbuch gewann der indische Jungstar-Regisseur Chaitanya Tamhane für sein fasziniere­ndes Musikerpor­trät „The Disciple“. In langen, elegischen Einstellun­gen erzählt er von einem Musiker, der sich in klassisch indischer Musik profiliere­n will und endlos scheitert.

Den Preis für die beste Schauspiel­erin erhielt die formidable Vanessa Kirby: Die 32-jährige Britin – bekannt als Prinzessin Margaret in der Netflix-Serie „The Crown“und aus „Mission: Impossible - Fallout“– spielte nicht nur eine verliebte Farmersfra­u in Mona Vastvolds Lesbendram­a „The World to Come“; sie brillierte auch in Kornél Mundruczós Frauenport­rät als trauernde Mutter in „Pieces of a Woman“. Für diese Rolle, die gleich zu Filmbeginn eine 30-minütige Geburtssze­ne in einer einzigen Filmeinste­llung zeigt, gewann Kirby den Coppa Volpi.

Sieger und Verlierer

Als bester männlicher Darsteller wurde der Italiener Pierfrance­sco Favino für seine Rolle als linker Richter in dem Terror-Drama „Padrenostr­o“ausgezeich­net. Der japanische Regie-Veteran Kiyoshi Kurosawa wurde für den ersten Historienf­ilm seiner Karriere, „Wife of a Spy“, einen gediegenen Thriller aus dem Zweiten Weltkrieg mit dem Preis als bester Regisseur belohnt.

So manche Bewerber, die sich große Chancen ausgerechn­et hatten, gingen leer aus. Dazu zählt die österreich­ische Koprodukti­on „Quo vadis, Aida?“von Jasmila Žbanić, das von dem Massaker in Srebrenica erzählt, ebenso wie die akklamiert­e Doku „Notturno“des amerikanis­ch-italienisc­hen Regisseurs Gianfranco Rosi.

Trotz aller pandemisch­en Widrigkeit­en war es Venedig-Chef Alberto Barbera gelungen, ein starkes, globales Arthouse-Programm zusammenzu­stellen, bei dem mit acht Regisseuri­nnen im Wettbewerb mehr Frauen als üblicherwe­ise zum Zug kamen. Die 77. Filmfestsp­iele von Venedig werden nicht nur wegen Corona in Erinnerung bleiben.

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Gewann den Goldenen Löwen: „Nomadland“mit der zweifachen Oscarpreis­trägerin Frances McDormand in der Hauptrolle
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