In die Wüste geschickt
Mächtige Dünen, ein grandioser Sternenhimmel und allgegenwärtige, tiefe Stille: Wie ein Tag und eine Nacht in der lehren, wieder ganz bei sich zu sein
ollten Sie schon einmal jemanden in die Wüste schicken? Nur zu, er oder sie würde sich freuen. Zumindest, wenn es nach Tunesien geht, genauer gesagt in den tunesischen Teil der Sahara. Während Tunesiens Touristen-Hotspots an der Mittelmeerküste wie Hammamet, Sousse, Monastir oder Djerba Reisenden aus Europa seit den 1970erJahren ein Begriff sind, gilt der Süden das Landes immer noch als Geheimtipp. Und das ist gut, denn so hat man die strahlende Sonne, den feinen Sand, die beeindruckende Szenerie rund um Tafelberge und Dünen und vor allem die unvergleichliche Ruhe hier für sich alleine. Zumindest fast – braucht man für eine Reise in die Sahara doch einen robusten Geländewagen samt erfahrenem Chauffeur.
Das wird klar, wenn man einen der beliebtesten Ausgangspunkte für Wüstentouren im Süden Tunesiens verlässt: Djerba. Eine bereits von den Römern angelegte Landbrücke verbindet die Insel mit dem Festland. Der Ausblick ist hier zunächst unspektakulär, doch schon bald prägen weite Olivenhaine und später schroffe Berge und Berberdörfer das Bild. Nach und nach sind die Straßen immer mehr mit Sand bedeckt, bald tauchen die ersten Dünen auf. Und die werden mit jeder gefahrenen Minute höher, bis der Fahrer den asphaltierten Weg schließlich verlässt und mitten hinein fährt in das Wüstenabenteuer.
WIm Schatten des Tafelberges
Bald hat nur noch der Fahrer die Orientierung – und man kann beginnen, sich ganz auf die Wüste einzulassen. Das ist zu Beginn durchaus herausfordernd: das ständige Auf und Ab des Toyota Landcruisers in den Dünen, nur unterbrochen durch kurze holpernde Passagen auf steinigem Untergrund, machen so manchem Reisenden mit sensiblem Magen zu schaffen. Andere irritiert, dass es irgendwann keinerlei Handyempfang mehr gibt und damit auch kein Internet für Facebook-Postings oder Whatsapp-Grüße an die Daheimgebliebenen. Auch wenn die Freude noch so groß ist, wenn eine Dromedarherde samt Kälbern den Weg kreuzt – teilen kann man die Begeisterung nur mit den wenigen Mitreisenden.
Spätestens im Camp Mars ist dieser „Mangel“vergessen, zu eindrucksvoll ist die Umgebung. Im Schatten eines Tafelberges, geschützt von einer großen Düne hat der Tunesier Riadh Mnif 2010 ein erstes Zeltlager errichtet, das nach und nach immer weiter ausgebaut wurde. Heute erwarten zahlreiche weiße Zelte – ohne Strom und fließendes Wasser, aber mit bequemen Betten, Trockentoiletten und Kerzen ausgestattet – ihre vorübergehenden Bewohner: Touristen aus Europa, aber auch tunesische Städter, die einmal ganz bei sich sein wollen.
Zu tun gibt es hier nicht viel – genau das macht den Reiz aus. Von einem Dromedar auf die große Düne getragen, bewundert man den Sonnenuntergang, steckt die Zehen in den noch warmen Sand und wandert barfuß die
Düne wieder hinunter.
Bei jedem Schritt versinken die Beine bis über die
Knöchel, der losgetretene Sand
„fließt“einem Wasserfall gleich in die Tiefe. Danach wird in der heißen
Asche eines Lagerfeuers auf traditionelle Weise Fladenbrot gebacken – der ungestörte Blick auf die Milchstraße ist in der mittlerweile hereingebrochenen, tiefen Dunkelheit der Wüste inklusive.
Spuren im Sand
Kairouan TUNESIEN
Tozeur Douz
Weil so viel Entschleunigung hungrig macht und es abends zudem sehr schnell sehr kalt wird, bittet Riadh seine Gäste in einem großen Zelt zum Essen. Dieses bekommt durch den einzigen Generator im Camp gerade so viel Strom, dass eine kleine Küche betrieben werden kann. Aufgetischt werden tunesische Spezialitäten wie gegrilltes Lamm oder Brik, eine Art gefüllte und frittierte Teigtaschen. Dazu gibt es Wein und auch die eine oder andere Geschichte von Riadh über die in der Gegend umherziehenden Nomaden oder Beduinen.
Den Weg zurück zum Zelt beleuchten Dutzende Papierlaternen. Eine Taschen- oder noch besser eine Stirnlampe mitzubringen empfiehlt sich aber ebenso wie eine leichte Haube. In den besten Reisemonaten für die tunesische Sahara – unserem Winter – ist es tagsüber zwar angenehm warm. Nachts fallen die Temperaturen aber bis knapp über den Gefrierpunkt. Obwohl die dicken Decken im Zelt gut wärmen, sind ein langer Pyjama, ein Pullover und eine Kopf bedeckung ratsam.
Herausfordernd ist dann auch das Aufstehen in der Dämmerung des nächsten Morgens. Die rund vier Grad Celsius im Zelt lassen das Bett extrem verlockend erscheinen. Wer sich dennoch in die klamme Kleidung müht, wird reichlich belohnt: Rund um die Zelte finden sich im Zwielicht unzählige winzige Fußabdrücke, die meisten stammen von kleinen Wüstenhasen (gefährliche Tiere wie Skorpione oder Schlangen gibt es in den Wintermonaten hier nicht). Und wenn sich die Sonne dann hinter den bläulich schimmernden Dünen emporschiebt, spürt man sie noch einmal ganz stark in sich, die Ruhe der Wüste – und nimmt sie als bleibende Erinnerung mit nach Hause.
Djerba
Timbaine (Camp Mars)