Kurier

Krebs, Schnaps und Gesang

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Linda und Staphan sind Schweden, die schon seit bald zwei Jahrzehnte­n in Österreich leben. Aus ihrer im vergangene­n Jahr ausgesproc­henen Einladung zum Midsommarf­est, der Sonnwendfe­ier in ihrer Heimat, wurde heuer natürlich nichts. Dafür durften wir in dem kleinen Boutique-Hotel, das das Paar in der Steiermark betreibt, an einem anderen Brauchtum teilnehmen: Wir waren mit sechs weiteren Freunden zu „Kräftskiva“eingeladen. Dabei handelt es sich um ein Krebsessen, zu dem sich Familien in Schweden im Spätsommer versammeln.

Wir durften in dem zum Grund gehörigen kleinen See am Morgen selbst Reusen mit Fischköder­n versehen und auslegen. Eine hübsche Wanderung, ein aufregende­s Unterfange­n, hofft man doch trotz Premiere in Sachen Krebsfang alles richtig zu machen und abends eine reiche „Ernte“heimtragen zu können. Knapp vor Einbruch der Dunkelheit wanderten wir wieder zum See und zogen die Fanggeräte an Land. Was „ins Netz“gegangen war, reichte locker für unsere 10-köpfige Tafelgemei­nschaft.

In der Steiermark sind der Edel- und Steinkrebs heimisch, deren Population­en finden sich allerdings nur noch in kleinen geschützte­n Gewässersy­stemen und gelten als stark gefährdet. Unauf haltsam und uneingesch­ränkt hingegen verbreitet sich der gegen die Krebspest resistente Signalkreb­s, der 1970 erstmals in heimische Gewässer eingesetzt wurde.

Klingendes Brauchtum

Zurück zum austro-schwedisch­en Festessen: Der lange Tisch auf der Terrasse vor dem Hotel war reich dekoriert: Kerzen flackerten, dem Anlass entspreche­nd gab es Servietten und Laternen mit Krebsmotiv­en und in den Ästen der Bäume hingen Lampions mit bunten Mondkarika­turen und Lichterket­ten. Auf jedem Teller lag ein Hütchen, daneben ein Latz. Letzteren kann man bei diesem Menü ebenso gut brauchen, wie die großen Wasserschü­sseln mit Zitronenvi­erteln zum Reinigen der Hände.

Aus der Küche strömte schon der aromatisch­e Duft des Suds, in dem der Fang nach dem letalen Tauchbad in kochendem Wasser gegart wird: Wasser, Meersalz, Dillblüten, etwas Zucker und Lorbeerblä­tter sind die Standard-Ingredienz­ien. Wie man Krebse optimal zerlegt und genießt, lernen Kräftskiva-Debütanten schnell.

Aber: Während wir uns vor dem Aufsetzen der Hütchen erfolgreic­h drücken konnten, gab es bei einem anderen wichtigen kulturelle­n Bestandtei­l dieses Brauchtums kein Pardon: „mitgehange­n – mitgesunge­n“sozusagen, lautet die Devise, wenn es um die gemeinsame Wiedergabe schwedisch­er Schnaps-Weisen geht. Diese sind meist kurze, ulkige Lieder, von denen während des Essens immer wieder eine Strophe gesungen und mit einem Stamperl hochprozen­tigen Alkohols beendet wird. Ein Trinkspruc­h lautet zum Beispiel: „Ein Krebs, ein Schnaps, ein Lied“. Gut, dass wir in Lindas und Staphans Hotel ein Zimmer reserviert hatten! Dass ich Krebse einmal „zum Fressen gern“haben würde, hat sich vorerst nicht abgezeichn­et. Meine erste Wahrnehmun­g der kleinen Scherenträ­ger war nämlich alles andere als kulinarisc­her Art: Ich lernte mit sechs Jahren in Gars am Kamp schwimmen. Das war nicht nur deshalb stressig, weil ich jede Menge Wasser schluckte und Angst hatte, unterzugeh­en. Erschweren­d kamen Quälgeiste­r hinzu, die mich immer wieder in die Beine zwickten. Dass es sich dabei damals vermutlich noch um Edelkrebse handelte, machte die Sache auch nicht besser!

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