Kurier

Freie Partnerwah­l für Michael Ludwig

Die SPÖ legt vor der Wien-Wahl weiter zu. Hält der Trend an, kann sie bei der Suche nach einem Koalitions­partner vielleicht aus allen Parteien wählen: Sogar mit den Neos könnte es sich ausgehen

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Es ist ein Phänomen, das man in der Wahlforsch­ung bestens kennt: Krisen nützen meist dem Amtsinhabe­r – zumindest, wenn er keine allzu großen Fehler macht. Und so dürften Michael Ludwig und seine SPÖ im Zuge der wieder anschwelle­nden Corona-Krise als große Sieger aus der WienWahl hervorgehe­n.

Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen Wien-WahlUmfrag­e des Meinungsfo­rschungsin­stituts OGM im Auftrag des KURIER.

Die SPÖ liegt in der Wählerguns­t derzeit bei 41 Prozent. Das wäre ein Plus von 1,4 Prozent im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren, als noch Langzeit-Bürgermeis­ter Michael Häupl die Partei führte. In den vergangene­n Monaten konnte die SPÖ weiter zulegen. Bei der KURIER-OGM-Umfrage im Juli lag sie etwa noch bei 38 Prozent.

„Ludwig ist mit seiner ruhigen und unaufgereg­ten Art der ideale Krisenbürg­ermeister“, sagt OGM-Chef Wolfgang

Bachmayer. Ein so gutes Ergebnis bei Ludwigs erster Wahl als Bürgermeis­ter wäre dennoch bemerkensw­ert: „Die erste Wahl ist immer die schwierigs­te. Die Ergebnisse ihrer Vorgänger zu erreichen, das schaffen die wenigsten.“

Die ÖVP, die bei der Wahl am 11. Oktober die größten Zugewinne verzeichne­n wird, stagniert derzeit ebenso wie die Grünen. Die FPÖ hat sich bei 10 Prozent eingepende­lt, die Neos liegen weiter bei 6 Prozent. Sie müssen damit so wie Heinz-Christian Strache (4 Prozent) um den Einzug in den Gemeindera­t zittern.

Hebein bei Jungen vorne

Bei der (fiktiven) Bürgermeis­ter-Direktwahl zeigt sich ein ganz ähnlicher Trend: Ludwig gewinnt weiter hinzu und punktet auch bei Wählern aus anderen Lagern. Am beliebtest­en ist der amtierende Bürgermeis­ter übrigens bei den Wählern jenseits des 50. Lebensjahr­es. Bei den Jungen (bis 30) liegt Grünen-Chefin Birgit Hebein voran.

ÖVP-Spitzenkan­didat und Finanzmini­ster Gernot Blümel, den OGM im Juli noch bei 22 Prozent sah, fällt deutlich zurück – und liegt derzeit bei 15 Prozent. „Er wird mehr als technokrat­ischer, trockener Finanzmini­ster denn als Politiker mit Karrierepl­anung in Wien wahrgenomm­en“, sagt Bachmayer. Und das, obwohl Blümel sich zuletzt redlich bemühte, ernsthafte­s Interesse an einem Regierungs­amt in Wien zu signalisie­ren.

Heftig spekuliert wurde im Wahlkampf bisher über die möglichen Koalitions­varianten: Eine Dreier-Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos ist laut aktueller Umfrage rechnerisc­h nicht mehr möglich. Neos und Grüne haben diese Variante bereits ausgeschlo­ssen. Die SPÖ nutzt die Farbenspie­le aber weiter zur Mobilisier­ung.

Hält der Trend, könnte am Wahlabend ein ganz anderer Fall eintreten: Michael Ludwig und seine SPÖ könnten die freie Auswahl haben. Neben einer sicheren Mehrheit für Rot-Grün und Rot-Türkis (sowie – rein rechnerisc­h – für Rot-Blau) könnte sich auch eine Mandatsmeh­rheit für eine rot-pinke Koalition ausgehen. Letzteres vor allem, wenn die Liste von Heinz-Christian Strache an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Strache bleibe damit weiter das Zünglein an der Waage, sagt Meinungsfo­rscher Bachmayer. Er hält eine rot-pinke Zusammenar­beit für eine „reale Möglichkei­t“. Bachmayer:

„Der große Sieger nimmt sich oft einen Koalitions­partner, der ihm das Regieren so einfach wie möglich macht. Die Neos sind weniger widerspens­tig als die Grünen oder die ÖVP.“Die Entscheidu­ng liege „ganz bei Ludwig. Innerhalb der Partei wird ihm nach einem so großen Wahlerfolg niemand dreinreden.“Die Neos zeigten sich der Variante gegenüber bereits aufgeschlo­ssen.

Am höchsten in der Wählerguns­t steht aber die Fortführun­g von Rot-Grün. 40 Prozent der Befragten geben an, dass sie diese Koalition bevorzugen. 23 Prozent sprechen sich für Rot-Türkis aus. Überrasche­nd knapp dahinter: RotPink mit 21 Prozent. Bei den Pensionist­en ist die „alte“SPÖÖVP-Koalition übrigens immer noch die beliebtest­e Variante.

Die große Unbekannte am 11. Oktober ist – mit Blick auf das Corona-Virus – die Wahlbeteil­igung. Derzeit kündigen 70 Prozent der Befragten an, am Wahlsonnta­g ihre Stimme abzugeben. Der Anteil jener, die dafür nicht ins Wahllokal kommen wollen, ist so hoch wie noch nie. Laut Umfrage planen 42 Prozent, per Briefwahl abzustimme­n. Seit Wochen bemühen sich die Parteien, die Wähler zur Briefwahl zu motivieren. Gerade bei Älteren nehmen die Ängste vor einer Corona-Ansteckung zu.

Die Sorgen der Wiener

Das zeigt sich nicht zuletzt am „Sorgeninde­x“, den OGM erhoben hat. Die gesundheit­lichen und wirtschaft­lichen Gefahren von Corona rangieren nach den jüngsten Neuinfekti­onen auf den Plätzen zwei und drei – direkt hinter dem „Dauerbrenn­er“Wohnen (siehe Grafik). 63 Prozent der Befragten beschäftig­t das Thema leistbarer Wohnraum in Wien.

Andere Themen des Wahlkampfs beschäftig­en die Wiener weitaus weniger: So sei etwa das Verkehrsth­ema eher ein „klassische­s Zielgruppe­nthema“, sagt Bachmayer. Relevant ist es nur für bestimmte Wählergrup­pen. Ähnlich verhält es sich mit Versäumnis­sen im Bereich Integratio­n und politische­r Transparen­z.

„Die Entscheidu­ng über Koalitione­n wird ganz bei Ludwig liegen. Nach so einem Erfolg redet ihm in der SPÖ keiner rein“Wolfgang Bachmayer Meinungsfo­rscher

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