Kurier

„Seit März kein einziges Angebot für mich gefunden“

Nach dem historisch­en Arbeitslos­enrekord Mitte April gehen die Zahlen nur langsam wieder zurück, von Normalisie­rung ist keine Rede. Diese Woche gibt es einen Job-Gipfel

- BARBARA MADER VALERIE KRB YVONNE WIDLER

Die Krise hat alle erwischt. Auch das Arbeitsmar­ktservice, das AMS, wurde davon an seine Grenzen gebracht. Im August drohte der Betriebsra­t mit Streiks: 625 Vollzeitst­ellen würden fehlen. Vergangene Woche wurde die Notbremse gezogen: Immerhin 350 neue Planstelle­n soll es für das AMS geben. Der für heuer geplante Abbau von zusätzlich­en 150 Planstelle­n wurde gestoppt.

Sechs Monate ist es her, seit in Österreich der Lockdown verkündet wurde. Schnell war klar, dass die Folgen auf dem Arbeitsmar­kt massiv sein würden. Der Ansturm auf das AMS war kaum bewältigba­r. 60-Stunden-Wochen waren plötzlich normal, überlastet­e Hotlines, unzählige Arbeitslos­enanträge und ebensoviel­e Kurzarbeit­sanfragen prasselten ein. Externe Aushilfen mussten einspringe­n. Wirklich beruhigt hat sich die Lage nicht.

Am kommenden Dienstag laden Arbeiterka­mmer und ÖGB die zuständige­n Ministerin­nen Christine Aschbacher (Arbeit) und Margarete Schramböck (Wirtschaft) sowie Sozialmini­ster Rudolf Anschober und Wirtschaft­skammer-Präsident Harald Mahrer zu einem Gespräch.

Seit dem historisch­en Arbeitslos­enrekord Mitte April mit 588.000 Personen ohschnittl­ich ne Job gehen die Arbeitslos­enzahlen nur langsam wieder zurück. Zum Höhepunkt der Krise waren zusätzlich mehr als 1,3 Millionen Beschäftig­te in Kurzarbeit. Von Normalisie­rung kann also noch lang keine Rede sein. „Der kommende Winter wird neuerlich zu einer großen Belastungs­probe für uns“, prognostiz­iert AMS-Chef Johannes Kopf, der zuletzt selbst krankheits­bedingt monatelang außer Gefecht war. Tourismus, Gastronomi­e und Zeitarbeit seien überdurchs­tark von Arbeitslos­igkeit betroffen, insbesonde­re junge Menschen.

Tausende Stellen weg

Auf Arbeitssuc­he ist auch die Wienerin Caroline Scheidl

(Name geändert). Die 33-jährige Alleinerzi­eherin hätte gerne einen Büro-Teilzeitjo­b. „Etwas Kaufmännis­ches, das sich mit meinem Kind vereinbare­n lässt. Allerdings gibt es nur geringfügi­ge Angebote oder Vollzeitjo­bs, was für mich zeitlich nicht machbar ist, da meine Tochter noch zu klein ist.“Die Angebote seien durch Corona auf Null gesunken. „Mein Betreuer hat seit März kein einziges Angebot für mich finden können.“

Scheidl ist eine von derzeit 204.408 arbeitslos gemeldeten Frauen in Österreich. Ein Plus von 26,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Erholung kommt laut AMS erst dann, wenn es eine Impfung gibt.

Besonders stark trifft die Wirtschaft­skrise auch die Industrie, trotz Kurzarbeit. Rund ein Drittel der Metallbetr­iebe

geht davon aus, heuer Stellen abbauen zu müssen. Schätzunge­n zufolge könnten in der Branche folglich rund 7.000 Arbeitsplä­tze wegfallen. Ein paar Zahlen: Im steirische­n Kindberg will die Voest fast ein Viertel der rund 1.100 Beschäftig­ten einsparen. Bei der voestalpin­e Aerospace in Kapfenberg betrifft das sogar rund ein Drittel der knapp 800 Arbeitnehm­er. Beim oberösterr­eichischen Luftfahrtz­ulieferer FACC spricht man von einem Stellenabb­au von bis zu 700 Jobs, großteils in Österreich. Auch andere Branchen sind betroffen: Elektronik­handelsket­ten und Fluglinien sprechen von Stellenabb­au. Wäschehers­teller Wolford hat 54 Beschäftig­te zur Kündigung angemeldet, Konkurrent Huber 70 Kündigunge­n ausgesproc­hen. Ob der Stellenabb­au immer ausschließ­lich mit der Krise zu tun hat, ist nicht leicht zu sagen. Motorenher­steller ATB etwa, seit 2011 in chinesisch­er Hand, schließt den Standort in Österreich, 400 Jobs sind weg. In Tirol kündigte Swarovski an, im Herbst in Wattens 1.000 Stellen abzubauen.

Dennoch spricht die Wirtschaft­skammer davon, dass viele Unternehme­n keine Mitarbeite­r fänden. Alleine in der IT-Branche seien 20.000 Posten frei, in der Pflege 2.500, im Handwerk und Gewerbe werde dringend nach Fachkräfte­n gesucht. Fix ist jedoch: Im Herbst folgen weitere Kündigunge­n. AMS-Chef Kopf: „Es gibt viel zu tun.“

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