Von Höllentagen und Ausnahmezuständen
Rekordarbeitslosigkeit und Kurzarbeit: Wie das Arbeitsmarktservice den Ansturm bewältigte – und wie es sich für den Herbst rüstet
Am 16. März begann am AMS-Standort in der Wiener Redergasse der Ausnahmezustand. Es war der erste Tag des Lockdowns. Keiner durfte das gläserne Gebäude am Wienfluss mehr betreten. Die Mitarbeiter streiften gelbe Warnwesten, Handschuhe und einen Mund-Nasen-Schutz über und verlegten ihre Arbeit vor das Haus. Einer von ihnen war Christian Brieber. „Wir haben uns im 2-Stunden-Takt abgewechselt“, erzählt er. Und gibt zu: „In den ersten Tagen mussten wir improvisieren.“
Doch die wahre Belastungsprobe stand dem AMS noch bevor: die Rekordarbeitslosigkeit im April, das Abwickeln der Kurzarbeitsanträge, und das alles ohne zusätzliches Personal. Lediglich externe Aushilfen wurden bereitgestellt. Die Zeit zu Monatsbeginn und -ende sei normalerweise schon herausfordernd. Bis zu 16.000 Arbeitssuchende werden hier betreut. Durch die Pandemie aber wurden es „Höllentage“, wie der AMS-Betreuer sagt.
Christian Brieber ist seit elf Jahren beim AMS beschäftigt. Eigentlich ist er gelernter Schildermaler, zuletzt arbeitete er im Messebau und Eventmanagement. „In einem Monat hatte ich 174 Überstunden. Da sehnt man sich nach geregelter Arbeitszeit.“Ein Freund brachte ihn schließlich auf die Idee, sich beim AMS zu bewerben. Er habe es keinen Tag bereut. „Ich liebe meinen Job, weil ich immer neue Menschen treffe – vom Top-Manager bis zum Obdachlosen.“
Und das, obwohl ihm Anfeindungen nicht fremd seien. „Bei vielen haben wir die gleichen Sympathiewerte wie Polizisten“, so der 45-Jährige.
Er erzählt von Gewaltandrohungen und Klienten, die vor der Tür stünden, weil sie nichts zu essen hätten. „Was soll ich tun, wenn er schon sieben Termine verpasst hat?“Nicht zu vergessen: die alltägselbst lichen Herausforderungen, wie etwa die Sprachbarriere bei manchen. Aber dennoch: „Jene Klienten, die nicht kooperieren, sind nur ein ganz geringer Prozentsatz.“Auf der anderen Seite gebe es die tragischen Schicksale, die nach so vielen Jahren nicht an ihm abprallen würden. Wie etwa die minderjährige Tochter, die sich um die schwer drogensüchtige Mutter kümmern muss.
Mittlerweile hat sich das Team auf die Ausnahmesituation eingestellt. An diesem Donnerstagvormittag trifft man nur wenige hier. Das Foyer ist wieder geöffnet, wenn auch unter strengen Hygienevorschriften. Bis vor kurzem sollte alles nur online oder telefonisch abgewickelt werden. Jetzt geht das AMS wieder dazu über, auf persönliche Termine zu setzen.
„Jetzt läuft das Werkl“, meint Brieber. Es gibt eine Abteilung für Kurzarbeit, demnächst werden die Erstinformationsveranstaltungen online abgehalten. „Da haben wir eine ordentliche Leistung hingelegt. Und für den Herbst sind wir bestens vorbereitet.“
„In den ersten Tagen mussten wir improvisieren. Jetzt läuft das Werkl“Christian Brieber AMS-Betreuer