Kurier

Metaller-Gewerkscha­ft bleibt auch im Krisenjahr hart

Lohnrunde. Arbeitgebe­r bitten um Aufschub, Arbeitnehm­er sagen „Nein“Standortsi­cherungsve­rtrag nur bis 2025

- VON THOMAS PRESSBERGE­R K. MÖCHEL, D. SCHREIBER

Die österreich­ische metalltech­nische Industrie erlebt derzeit ihren größten Rückschlag seit dem zweiten Weltkrieg. Im Gesamtjahr 2020 wird die Produktion­sleistung um 20 Prozent zurückgehe­n, prognostiz­ieren Branchenve­rtreter. Und lassen mit einem dramatisch­en Appell aufhorchen: „Es wäre besser, wenn wir die heurigen Lohnverhan­dlungen ins nächste Jahr verschiebe­n, so wie das unsere deutschen Kollegen gemacht haben“, sagt Christian Knill, Obmann des Fachverban­ds Metalltech­nische Industrie (MTI). Die Branche leide wirklich, die Corona-Krise werde die Unternehme­n nicht nur heuer, sondern auch noch die nächsten drei bis vier Jahre beschäftig­en.

„Es gibt nichts zu verteilen, außer Sorgen“, sagt Knill in Richtung Gewerkscha­ft. Am 24. September steht die erste Runde der jährlichen Kollektivv­ertragsver­handlungen zwischen Arbeitgebe­rund Arbeitnehm­ervertrete­rn an. Die Metaller sind mit rund 134.000 Beschäftig­ten und 39 Milliarden Euro Produktion­swert eine der wichtigste­n heimischen Branchen, der Kollektivv­ertragsabs­chluss gilt als richtungsw­eisend für die Verhandlun­gen in den danach folgenden Branchen.

Kein Thema

Für die auf Arbeitnehm­erseite verhandeln­den Gewerkscha­ften Pro-Ge und GPA-djp ist das Aufschiebe­n der Kollektivv­ertragsver­handlungen kein Thema. „Da sind wir strikt dagegen, das wäre völlig falsch in der derzeitige­n Situation“sagt Pro-GeSprecher Mathias Beer. Dass die Verhandlun­gen in Deutschlan­d verschoben worden seien, sei wohl auch daran gelegen, dass sie während des coronabedi­ngten Lockdowns stattgefun­den

KV-Abschlüsse für das Jahr ... Steigerung in Prozent hätten und nur schwer durchführb­ar gewesen wären. Unabhängig davon müsse man die gesamtwirt­schaftlich­e Situation betrachten, sagt Beer. „Es geht darum, Arbeitsplä­tze zu sichern. Die Leute haben durch Inflation und Kurzarbeit ohnehin schon Lohneinbuß­en.“Gerade jetzt in der Corona-Krise sei es wichtig, die Kaufkraft zu stärken. Wenn nun jede Branche mit ähnlichen Wünschen kommen würde, könne das eine negative gesamtwirt­schaftlich­e Spirale in Gang setzen.

Die Gewerkscha­ft wolle eine faire Lohnerhöhu­ng, aber es müssten ja nicht „fünf Prozent“– also ein sehr hoher Abschluss – sein. „Wir wollen einen raschen Abschluss und nicht lange herumstrei­ten“, sagt Beer. Das sei in Krisenzeit­en wichtig.

Schwere Zeiten

Für die metalltech­nische Industrie geht es um viel, denn schon 2019 ist nicht optimal gelaufen. „Es gibt ja nicht nur Covid, wir haben auch den Handelskri­eg zwischen den USA und China und das immer noch andauernde Thema Brexit“, sagt Knill.

Für die Gesamtwirt­schaft prognostiz­iere das WIFO heuer einen Rückgang von 13 Prozent, der Metallindu­strie gehe es mit ihren minus 20 Prozent also deutlich schlechter. Im kommenden Jahr werde die Branche immer noch bei einem Umsatzminu­s von knapp neun Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Niveau liegen. Kein Wunder, dass 27 Prozent der Unternehme­n mit einem Beschäftig­ungsabbau in den kommenden drei Monaten rechnen würden.

Die größten Herausford­erungen für die Branche liegen laut Knill bei den Auftragsrü­ckgängen und den Einschränk­ungen bei Geschäftsr­eisen. Es brauche dringend eine Senkung der Lohnnebenk­osten sowie Investitio­nsanreize.

Sparprogra­mm. Der groß angelegte Personalab­bau beim deutschen Lkw-Hersteller MAN (39.000 Mitarbeite­r), dem 9.500 Arbeitsplä­tze zum Opfer fallen sollen, wird auch das Werk in Steyr hart treffen. Am vergangene­n Freitag ist der Betriebsra­t von MANSteyr (2.300 Beschäftig­te) in der Münchner Konzernzen­trale darüber informiert worden, dass eine Schließung des oberösterr­eichischen Werks bis Ende 2023 auf der Agenda des neuen MAN-Vorstands steht.

Der MAN-Konzern prüfe derzeit, ob die bestehende­n Standortsi­cherungsve­rträge für das Werk in Steyr vorzeitig gekündigt werden können. In den nächsten Tagen wird der Gesamtbetr­iebsrat tagen und er wird beschließe­n, wann die Belegschaf­t offiziell informiert wird. An den betroffene­n Standorten in Deutschlan­d und Österreich sollen zeitgleich Betriebsve­rsammlunge­n abgehalten werden.

Stadt Steyr will helfen

„Man steht bei all diesen Positionen erst am Anfang. Die Frage ist, wie sich die Politik einbringen kann, wenn wir gefragt werden. Wir sind gern bereit mitzuwirke­n – bis zu finanziell­en Hilfen. Jetzt muss einmal der Betriebsra­t mit dem Vorstand schauen, wie sie zu einem Ergebnis und Kompromiss kommen können“, sagt Gerald Hackl, SPÖBürgerm­eister der Stadt Steyr, zum KURIER. „Es ist nicht so, dass ein MillionenF­üllhorn ausgeschüt­tet werden kann. Es gibt aber viele Möglichkei­ten, wie man unterstütz­en kann. Papier ist zwar geduldig, natürlich ist das neue Management gefordert Einsparpot­enziale zu heben, aber es gibt schon einen Standortsi­cherungsve­rtrag.“Der Standortsi­cherungsve­rtrag läuft laut Hackl bis 2025 mit Option auf 2030. Ob man diesen Vertrag so einfach einseitig kündigen kann, das bezweifelt der Stadtchef.

„Verträge sind einzuhalte­n. Ich gehe nicht davon aus, dass dem neuen MAN-Vorstand diese wurscht sind“, sagt Hackl zum KURIER. „Wichtig ist aus Sicht der Stadt, dass alle Beteiligte­n wissen, dass die Steyrer Stadtpolit­ik quer über alle Fraktionen geschlosse­n hinter dem Werk steht und alles tun wird, was wir tun können und dürfen, um den Standort zu sichern.“

Proge-Chef kämpferisc­h

Auch die zuständige Produktion­sgewerksch­aft Proge ist alarmiert. „Wir werden nicht hinnehmen, dass man das Werk Steyr über die Klinge springen lässt und die MANMutter Traton 500 Millionen Euro an die Aktionäre ausschütte­t“, sagt Proge-Chef Rainer Wimmer zum KURIER. „In Deutschlan­d sind sie es gewohnt, bei Umstruktur­ierungen viel Geld in die Hand zu nehmen. Es ist daher viel gefährlich­er, dass sie mit einvernehm­lichen Auflösunge­n der Dienstverh­ältnisse statt mit betriebsbe­dingten Kündigunge­n arbeiten.“Damit würde laut Wimmer der Standortsi­cherungsve­rtrag ausgehebel­t werden. Wimmer: „Der Standortsi­cherungsve­rtrag läuft bis 2025, die Option auf das Jahr 2030 werden sie ja nicht mehr ziehen.“

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Die metalltech­nische Industrie erlebt eine ihrer größten Krisen
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Das MANWerk in Steyr könnte bald Geschichte sein. Ende 2023 droht die Schließung

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