Metaller-Gewerkschaft bleibt auch im Krisenjahr hart
Lohnrunde. Arbeitgeber bitten um Aufschub, Arbeitnehmer sagen „Nein“Standortsicherungsvertrag nur bis 2025
Die österreichische metalltechnische Industrie erlebt derzeit ihren größten Rückschlag seit dem zweiten Weltkrieg. Im Gesamtjahr 2020 wird die Produktionsleistung um 20 Prozent zurückgehen, prognostizieren Branchenvertreter. Und lassen mit einem dramatischen Appell aufhorchen: „Es wäre besser, wenn wir die heurigen Lohnverhandlungen ins nächste Jahr verschieben, so wie das unsere deutschen Kollegen gemacht haben“, sagt Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie (MTI). Die Branche leide wirklich, die Corona-Krise werde die Unternehmen nicht nur heuer, sondern auch noch die nächsten drei bis vier Jahre beschäftigen.
„Es gibt nichts zu verteilen, außer Sorgen“, sagt Knill in Richtung Gewerkschaft. Am 24. September steht die erste Runde der jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmervertretern an. Die Metaller sind mit rund 134.000 Beschäftigten und 39 Milliarden Euro Produktionswert eine der wichtigsten heimischen Branchen, der Kollektivvertragsabschluss gilt als richtungsweisend für die Verhandlungen in den danach folgenden Branchen.
Kein Thema
Für die auf Arbeitnehmerseite verhandelnden Gewerkschaften Pro-Ge und GPA-djp ist das Aufschieben der Kollektivvertragsverhandlungen kein Thema. „Da sind wir strikt dagegen, das wäre völlig falsch in der derzeitigen Situation“sagt Pro-GeSprecher Mathias Beer. Dass die Verhandlungen in Deutschland verschoben worden seien, sei wohl auch daran gelegen, dass sie während des coronabedingten Lockdowns stattgefunden
KV-Abschlüsse für das Jahr ... Steigerung in Prozent hätten und nur schwer durchführbar gewesen wären. Unabhängig davon müsse man die gesamtwirtschaftliche Situation betrachten, sagt Beer. „Es geht darum, Arbeitsplätze zu sichern. Die Leute haben durch Inflation und Kurzarbeit ohnehin schon Lohneinbußen.“Gerade jetzt in der Corona-Krise sei es wichtig, die Kaufkraft zu stärken. Wenn nun jede Branche mit ähnlichen Wünschen kommen würde, könne das eine negative gesamtwirtschaftliche Spirale in Gang setzen.
Die Gewerkschaft wolle eine faire Lohnerhöhung, aber es müssten ja nicht „fünf Prozent“– also ein sehr hoher Abschluss – sein. „Wir wollen einen raschen Abschluss und nicht lange herumstreiten“, sagt Beer. Das sei in Krisenzeiten wichtig.
Schwere Zeiten
Für die metalltechnische Industrie geht es um viel, denn schon 2019 ist nicht optimal gelaufen. „Es gibt ja nicht nur Covid, wir haben auch den Handelskrieg zwischen den USA und China und das immer noch andauernde Thema Brexit“, sagt Knill.
Für die Gesamtwirtschaft prognostiziere das WIFO heuer einen Rückgang von 13 Prozent, der Metallindustrie gehe es mit ihren minus 20 Prozent also deutlich schlechter. Im kommenden Jahr werde die Branche immer noch bei einem Umsatzminus von knapp neun Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Niveau liegen. Kein Wunder, dass 27 Prozent der Unternehmen mit einem Beschäftigungsabbau in den kommenden drei Monaten rechnen würden.
Die größten Herausforderungen für die Branche liegen laut Knill bei den Auftragsrückgängen und den Einschränkungen bei Geschäftsreisen. Es brauche dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten sowie Investitionsanreize.
Sparprogramm. Der groß angelegte Personalabbau beim deutschen Lkw-Hersteller MAN (39.000 Mitarbeiter), dem 9.500 Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen, wird auch das Werk in Steyr hart treffen. Am vergangenen Freitag ist der Betriebsrat von MANSteyr (2.300 Beschäftigte) in der Münchner Konzernzentrale darüber informiert worden, dass eine Schließung des oberösterreichischen Werks bis Ende 2023 auf der Agenda des neuen MAN-Vorstands steht.
Der MAN-Konzern prüfe derzeit, ob die bestehenden Standortsicherungsverträge für das Werk in Steyr vorzeitig gekündigt werden können. In den nächsten Tagen wird der Gesamtbetriebsrat tagen und er wird beschließen, wann die Belegschaft offiziell informiert wird. An den betroffenen Standorten in Deutschland und Österreich sollen zeitgleich Betriebsversammlungen abgehalten werden.
Stadt Steyr will helfen
„Man steht bei all diesen Positionen erst am Anfang. Die Frage ist, wie sich die Politik einbringen kann, wenn wir gefragt werden. Wir sind gern bereit mitzuwirken – bis zu finanziellen Hilfen. Jetzt muss einmal der Betriebsrat mit dem Vorstand schauen, wie sie zu einem Ergebnis und Kompromiss kommen können“, sagt Gerald Hackl, SPÖBürgermeister der Stadt Steyr, zum KURIER. „Es ist nicht so, dass ein MillionenFüllhorn ausgeschüttet werden kann. Es gibt aber viele Möglichkeiten, wie man unterstützen kann. Papier ist zwar geduldig, natürlich ist das neue Management gefordert Einsparpotenziale zu heben, aber es gibt schon einen Standortsicherungsvertrag.“Der Standortsicherungsvertrag läuft laut Hackl bis 2025 mit Option auf 2030. Ob man diesen Vertrag so einfach einseitig kündigen kann, das bezweifelt der Stadtchef.
„Verträge sind einzuhalten. Ich gehe nicht davon aus, dass dem neuen MAN-Vorstand diese wurscht sind“, sagt Hackl zum KURIER. „Wichtig ist aus Sicht der Stadt, dass alle Beteiligten wissen, dass die Steyrer Stadtpolitik quer über alle Fraktionen geschlossen hinter dem Werk steht und alles tun wird, was wir tun können und dürfen, um den Standort zu sichern.“
Proge-Chef kämpferisch
Auch die zuständige Produktionsgewerkschaft Proge ist alarmiert. „Wir werden nicht hinnehmen, dass man das Werk Steyr über die Klinge springen lässt und die MANMutter Traton 500 Millionen Euro an die Aktionäre ausschüttet“, sagt Proge-Chef Rainer Wimmer zum KURIER. „In Deutschland sind sie es gewohnt, bei Umstrukturierungen viel Geld in die Hand zu nehmen. Es ist daher viel gefährlicher, dass sie mit einvernehmlichen Auflösungen der Dienstverhältnisse statt mit betriebsbedingten Kündigungen arbeiten.“Damit würde laut Wimmer der Standortsicherungsvertrag ausgehebelt werden. Wimmer: „Der Standortsicherungsvertrag läuft bis 2025, die Option auf das Jahr 2030 werden sie ja nicht mehr ziehen.“