Reisen ins Ungewisse
Deutschland besteht auf 48 Stunden alten Covid-Tests, Belgien und Dänemark untersagen „nicht essenzielle Reisen“, Schweiz knüpft 10-Tages-Quarantäne an Aufenthaltsdauer in der Bundeshauptstadt
Deutschland, Belgien und die Schweiz haben eine Reisewarnung für Wien ausgesprochen. Bestätigt haben sich am späten Donnerstagnachmittag KURIER-Recherchen, wonach Dänemark Österreich auf die Liste jener Länder setzt, welche die dänischen Risikokriterien nicht erfüllen.
Dänemark rät ab sofort von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Österreich ab. Reisende, die aus Österreich nach Dänemark zurückkommen, werden ab sofort aufgefordert, sich einem Covid-Test zu unterziehen.
Was Passagiere beachten müssen, damit sie nach Wien aus- oder einreisen können, das gleicht einem „Fleckerlteppich par excellence“, sagt AUA-Sprecher Peter N. Thier zum KURIER. Er veranschaulicht anhand Deutschland die Folgen für Reisende:
48-h-Wien und die Folgen
Deutschlands 16 Bundesländer haben jeweils unterschiedliche Verordnungen. In 15 von 16 Bundesländern darf man nur mit einem 48 Stunden alten negativen Covid-19-Test wieder nach Deutschland zurückkehren. Gibt es keinen Test, so muss sich der Betroffene in eine 14-tägige HeimQuarantäne begeben.
Test am Flughafen Frankfurt
Wer nach Frankfurt in Hessen fliegt und sich in Wien aufgehalten hat, der muss entweder einen negativen Covid-19-Test vorweisen oder aber sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. In Frankfurt besteht die Möglichkeit, sich am Flughafen auf Covid-19 testen zu lassen. Bedingung: Bis das Ergebnis vorliegt, muss sich der Passagier auf dem Flughafengelände auf halten.
Wer nach München fliegt und sich 48 Stunden in Wien aufgehalten hat, der braucht einen negativen Covid-19Test oder er muss in eine 14tägige Quarantäne.
Reisewarnungen
Weil es mehr als 50 Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen in Wien gab, stufte das deutsche Robert-Koch-Institut am Mittwoch die Bundeshauptstadt Wien als Risikogebiet ein. Dänemark unterscheidet diesbezüglich nicht und stuft Österreich auf „Rot“: Von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Österreich wird abgeraten
Belgische Tests
Belgien handhabt die Einreise ebenso streng wie Dänemark. Zudem bestehen die dortigen Behörden auf einem PCR-Test, der in Belgien gemacht wird – und auf Quarantäne
In Nordrhein-Westfalen (Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen) kann ein Passagier bis zu 72 Stunden in Wien gewesen sein und ein- und ausreisen. In Schleswig-Holstein (Kiel, Lübeck u. a.) darf man als Wiener gar nicht einreisen, ohne eine verpflichtende 5-Tages-Quarantäne einzuhalten. Die Verordnung gilt ab einem 48-Stunden-Aufenthalt in Wien.
CH: 10 Tage Quarantäne
Bei einer Einreise in die Schweiz gilt eine Quarantänepflicht für all jene, die sich in den letzten 10 Tagen länger als 24 Stunden in Wien aufgehalten haben. „Das heißt, ein Schweizer Geschäftsreisender, der sich einen Tag in Wien aufgehalten hat, kann an einem Tag hin- und retourfliegen. Hat er oder sie länger in Wien zu tun, muss er sich 10 Tage in Quarantäne begeben“, so AUA-Sprecher Thier.
Als Nicht-Wiener reisen
Das Problem bei diesem „Fleckerlteppich“ist: Der Flughafen Wien-Schwechat liegt in Niederösterreich, das Risikogebiet ist Wien. „In den Reisedokumenten steht der Geburtsort – nicht der Wohnort. Das heißt, die Behörden können gar nicht verifizieren, ob ein Wiener oder ein Burgenländer oder Salzburger in die Maschine einsteigt“.
Die Behörden müssten ergo davon ausgehen, dass man seine Reisetätigkeit wahrheitsgemäß beantwortet.
„Besonders rigoros handhabt Belgien die Einreise. Dort gilt ab 18. September bei einem Wien-Aufenthalt in den vergangenen 14 Tagen eine 14-tägige Quarantäne.“Ausgenommen seien Menschen, die sich weniger als 48 Stunden in Wien aufgehalten haben.
Test und Quarantäne
„Zudem muss ein PCR-Test vorliegen, der in Belgien gemacht und ausgestellt worden ist. Und: Zusätzlich muss sich der Getestete einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen. Nicht essenzielle Reisen von Belgien nach Wien – insbesondere zu touristischen
Zwecken – sind gar untersagt. „Diese Beispiele demonstrieren, dass ein normaler Mensch nicht mehr durchblicken kann. Der Fleckerlteppich an Reisebeschränkungen wird nicht nur von Staaten, sondern von einzelnen Bundesländern stetig weitergeknüpft“, sagt Thier, was zur Folge habe, dass Reisende nicht mehr durch das Wirrwarr durchblicken können.
„Gegenseitig erschlagen“
„Unsere Hotlines laufen buchstäblich heiß. Langjährige Geschäftsreisende stehen vor veritablen Problem, wissen nicht, wie sie wann Termine einhalten können“, weiß Thier.
Der Appell von AUA-Chef Alexis von Hoensbroech: „Wir brauchen dringend eine einheitliche, europäische Reisepolitik und keine Staaten und Länder, die sich mit Verordnungen gegenseitig erschlagen.“Und er bittet „alle Energie in raschere, günstigere und effizientere Testungen zu stecken anstatt in Verordnungen. Jemand, der gesund ist, sollte zumindest in Europa frei reisen können. Testen ja, Reisebeschränkungen nein. Die Reisefreiheit eines gesunden, negativ Getesteten muss innerhalb der EU möglich sein.“
Die Reiserestriktionen, die von Deutschland ausgehen, stellen ein Problem dar, da Deutschland nicht nur Österreichs wichtigster Handelspartner ist. Deutsche Staatsbürger stellen außerdem die größte Migrantengruppe in Österreich dar.
Nach dem Worst-CaseSzenario gefragt, sagt AUASprecher Thier: „Wenn alle deutschen Bundesländer dem Beispiel Schleswig-Holsteins folgen würden, wäre das nicht nur dramatisch für die Tourismuswirtschaft. Wenn es zu keinen Geschäftsanbahnungen mehr kommt, dann kommt die Wirtschaft zum Erliegen. Wenn Familien sich am Wochenende nicht mehr besuchen können, leidet das soziale Leben wie in der Zeit des Lockdowns.“