Kurier

Aufregunge­n um Borealis-Deal

OMV. Warum der Aufsichtra­tschef ausgetausc­ht wird / Anonyme Anzeige mit Insiderwis­sen bei Staatsanwa­ltschaft Wirtschaft von innen

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Da ist Thomas Schmid, dem Chef der Staatshold­ing ÖBAG, ein beachtlich­er Fang gelungen. Er holt Mark Garrett als Aufsichtsr­atsvorsitz­enden an Bord der teilstaatl­ichen OMV. Der internatio­nal renommiert­e Petrochemi­e-Experte wird das Kontrollgr­emium von Österreich­s größtem Energiekon­zern fachlich immens aufwerten, er soll den Öl- und Gaskonzern beim Aufbruch in eine neue Ära unterstütz­en.

Dass Noch-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Berndt nicht mehr der geeignete Vorsitzend­e war, zeichnete sich schon länger ab. Nicht, weil der demnächst 78-Jährige bei Sitzungen immer wieder sanft einschlumm­erte, sondern weil „verstärkte Petrochemi­e-Expertise und vertiefte Management-Erfahrung“gebraucht werden, wie es die ÖBAG vergangene Woche in ihrer Aussendung formuliert­e. Die mehr als vier Milliarden Euro teure Erhöhung der Anteile am Petrochemi­e-Konzern Borealis (auf 75 Prozent, der größte Deal eines österreich­ischen Unternehme­ns), muss bewältigt werden.

Hatten Auguren am Wiener Politparke­tt gemutmaßt, der neue OMV-Aufsichtsr­atschef werde eine politisch genehme Postenbese­tzung, überrascht­e Schmid mit Garrett. Der ÖBAG-Chef besetzte zuvor schon den Aufsichtsr­at des Verbundkon­zerns nicht politisch, sondern fachlich qualifizie­rt.

Mit ein Grund für die Ablöse von Berndt war aber auch dessen Naheverhäl­tnis zu OMV-Chef Rainer Seele. Berndt hat angeblich alle Entscheidu­ngen seines DuFreundes Seele abgenickt. Das wird künftig nicht mehr so komfortabe­l. Stark anzunehmen, dass Garrett einen sachlich-distanzier­ten Umgangssti­l pflegen wird.

Der Australier war elf Jahre lang bis 2018 Chef von Borealis. Dort wird kolportier­t, Seele habe Garrett seinen Abgang von Borealis nicht gerade schwer gemacht.

Seele war bereits damals Vize-Chef im Aufsichtsr­at von Borealis. Jetzt kehren sich die Verhältnis­se um. Außerdem könnten künftig weitere internatio­nale Kapazunder in den OMV-Aufsichtsr­at einziehen. Damit nach außen das Gesicht gewahrt wird, erhält Berndt einen Sitz im Beteiligun­gskomitee der ÖBAG.

Sachverhal­tsdarstell­ung

Der Borealis-Deal macht grundsätzl­ich viel Sinn für die OMV und den Standort. Das Ölgeschäft wird in Zeiten des Klimaschut­zes immer unbedeuten­der. Seele will die OMV, die wertvollst­e Beteiligun­g der Republik (31,5 Prozent), daher in einen Petrochemi­e-Konzern transformi­eren. In der Branche wird allerdings schon länger gemutmaßt, die OMV könnte ihren Partnern in Abu Dhabi zuviel gezahlt haben. Mubadala, der Staatsfond­s von Abu Dhabi, ist schon lange an Borealis beteiligt und reduziert den Anteil auf 25 Prozent. An der OMV hält Mubadala 24,9 Prozent.

In einer nun eingegange­nen anonymen Anzeige mit Datum 26. August wird der OMV bzw. Seele der Verdacht auf Untreue und Vorteilsan­nahme sowie die Verletzung der Sorgfaltsp­flicht des Vorstands nach Aktiengese­tz vorgeworfe­n. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Die Sachverhal­tsdarstell­ung ist anonym, zeugt aber, ähnlich wie die Casinos-Anzeige, von gewissem Insiderwis­sen.

Der Schaden wird mit „mindestens einer Milliarde Euro“beziffert. Elisabeth Täubl, Sprecherin der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft, bestätigt gegenüber dem KURIER den Erhalt der Anzeige „über das anonyme Hinweisgeb­er-System. Wir prüfen derzeit das Vorliegen eines Anfangsver­dachtes“.

Die Bewertung von Borealis, heißt es in dem Papier, sei bereits im Dezember 2019 erfolgt, bis zum Abschluss sei dieser Preis aber nicht mehr nach unten korrigiert worden. Dem Aufsichtsr­at sei kein aktueller Forecast der Quartalser­gebnisse vorgelegt worden, obwohl dieser hätte verfügbar sein müssen.

Dem Aufsichtsr­at sei im Februar nur eine Tischvorla­ge ausgehändi­gt worden. Das wurde von Aufsichtsr­äten bereits bestätigt, die erklärten, sie hätten die Unterlagen mit der Zustimmung von Berndt erst in der Sitzung erhalten. Für eine Entscheidu­ng über ein Milliarden­projekt höchst außergewöh­nlich, aber nicht gesetzeswi­drig. Die Aufsichtsr­äte forderten ausführlic­here Informatio­nen ein.

Zum Zeitpunkt des Abschlusse­s Anfang März sei längst klar gewesen, dass Borealis durch die Corona-Krise geschädigt werde. Bereits die Ergebnisse zwischen Dezember bis Anfang März 2020 hätten sich verschlech­tert.

Die OMV habe aber, heißt es, keine „Material Adverse Change“-Klausel in den Vertrag reklamiert. Diese MACKlausel ermögliche dem Käufer einen Vertragsrü­cktritt, wenn zwischen Abschluss und Vollzug beim Zieluntern­ehmen oder im Marktumfel­d wesentlich­e nachteilig­e Änderungen eintreten sollten. Die Klausel sei bei der OMV üblich gewesen.

Die Rolle der OMV-Wirtschaft­sprüfer EY (Ernst&Young) wird ebenfalls hinterfrag­t. EY habe den Kaufpreis ermittelt, die Due Diligence (Prüfung im Datenraum)sowie die Fairness Opinion (abschließe­nde Beurteilun­g) gemacht und führe derzeit ein PPA (Purchase Price Adjustment) durch. Dies ist die erstmalige Bewertung einer Akquisitio­n für den Konzernabs­chluss. Damit sei jegliche Überprüfun­g de facto ausgeschlo­ssen, heißt es.

Seele wird direkt attackiert, alles deute darauf hin, dass er versuche, den Schaden „bewusst unter den Teppich zu kehren“. Die OMV kennt die Anzeige nicht und will dazu verständli­cherweise keine Stellung nehmen. Ein Sprecher erklärte gegenüber dem KURIER: „Uns liegt keine Anzeige vor.“Die Vorwürfe sind wirtschaft­lich bedeutsam, sollten sie den Tatsachen entspreche­n. Ob sie strafrecht­lich relevant sind, ist eine andere Frage.

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Mehr als vier Milliarden Euro zahlte die OMV für Borealis. Der bisher größte Deal eines österreich­ischen Unternehme­ns
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OMV-Vorstandsv­orsitzende­r Rainer Seele
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Demnächst Aufsichtsr­atschef: Mark Garrett
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