Und sie lernen doch, die Alten!
Heute räumen wir einmal mit einem Vorurteil auf: Wer alt ist, will/kann nichts mehr dazu lernen? Was für ein Unsinn – wenn auch leider ein äußerst wirkmächtiger und resistenter, der viele ältere (also noch gar nicht alte) Arbeitssuchende um ihre Chancen auf einen Job bringt.
Das ist die schlimmste Folge. Wer nicht mehr im Erwerbsalter steht, der spürt die Last dieses Vorurteils manchmal in herablassendem Ton, manchmal in infantilisierender, bisweilen in ausgrenzender Reaktion. Auch nicht angenehm.
Dabei ist dieses Vorurteil – wie so viele andere – schlicht und einfach falsch. Wer alt ist, muss ständig dazu lernen, umlernen, neu lernen – muss flexibel sein, sich täglich auf Neues einstellen. Und der Alte muss mancherlei auch ent-lernen. Da gibt es seit dem Einzug von EMails und Smartphone in den (Arbeits-)Alltag das Zauberwort des „Multitasking“, das die jüngeren Semester für sich gepachtet zu haben glauben.
Naja, wir hatten vielleicht dieses hübsche denglische Wort noch nicht und haben darunter vielleicht auch nicht verstanden, gleichzeitig ein Kunden-Gespräch zu führen, eine eMail abzuschicken und das allerneueste Foto der Freundin auf Facebook zu bewundern. Aber wir haben auch schon simultan einen Kinderstreit geschlichtet, das Gulasch umgerührt und innerlich den Zeitplan festgelegt, um rechtzeitig zum Impftermin beim Kinderarzt zu erscheinen (um den Alltag einer multitaskenden Mutter als Beispiel zu nehmen). Beide Arten des „alles gleichzeitig und nichts ganz“sind nicht gut. Das wissen Arbeitspsychologen, Verkehrsexperten, Qualitätsmanager – und nicht zuletzt wir selbst (in Augenblicken der Ehrlichkeit).
Besonders bei „Kleinigkeiten“müssen wir Alte das altgewohnte „Multitasken“ent-lernen und ein bewusstes „Unitasking“, die Konzentration auf die eine und sei sie noch so nebensächliche Sache lernen: Wenn ich beim Weggehen nicht mit der Freundin telefoniere – und somit multitaske –, erspare ich mir drei Häuserblöcke weiter die quälenden Fragen: Habe ich jetzt das Bügeleisen abgesteckt? Habe ich die Tür zugesperrt? Soll ich nicht doch lieber noch einmal zurückgehen? Wir lernen ständig um – schon, weil die Verminderung der Körperkraft oder manch leichte physische Einschränkung dazu zwingt, festgefahren Alltägliches anders zu machen.
Wir lernen ständig dazu – so lange es geht –, und das machen wir gerne, denn wir haben gelernt, dass diese Welt ständig in Bewegung ist und dass man mithalten muss mit ihr, wenn man sie liebt.
Nein, wir versteinern nicht. Wir bleiben nicht zurück. Auch wenn wir nicht bei jedem Blödsinn mitmachen müssen. Denn auch das ist ein Luxus unserer Altersfreiheit: Wir können uns aussuchen, was wir dazu lernen, umlernen, neu lernen. Soll Alter denn gar keine Vorteile haben? Na eben. Wir müssen nur lernen, unsere Vorteile zu nützen. Ruth Pauli ist alt (70) und schreibt gerne. Früher kommentierte sie für den KURIER die Innenpolitik.