Kurier

CoronaScha­tten über dem FiakerGewe­rbe

Corona. Ohne Touristen droht dem Traditions­gewerbe der Ruin. Die Stadtregie­rung tüftelt an einem Rettungspl­an

- VON BERNHARD ICHNER UND FRANZ GRUBER (FOTOS)

Zweites Hilfspaket? Keine Touristen und keine Brautpaare als Kunden, aber weiterhin alle Pferde zu versorgen und natürlich Löhne auszuzahle­n – die 21 Fiaker-Unternehme­n in Wien leiden besonders unter der Corona-Krise. In den Sommermona­ten schoss die Stadt Wien rasch und unbürokrat­isch knapp eine Viertelmil­lion Euro zu, aber dieses Hilfspaket ist mittlerwei­le ausgelaufe­n. Die Branche wünscht sich eine Verlängeru­ng – „das wäre zumindest ein Lichtblick“, meint Fiaker-Unternehme­rin Ursula Chydracek, die angesichts von Umsatzrück­gängen von 90 Prozent sagt: „Ich kann einfach die Löhne nicht mehr zahlen.“Im Rathaus winkte man vorige Woche noch ab, schließt nach der jüngsten deutschen Reisewarnu­ng inzwischen eine weitere Unterstütz­ung doch nicht mehr aus.

Vier Vorbestell­ungen hätte Fiaker-Unternehme­rin Ursula Chydracek für Samstag gehabt. Alle von deutschen Touristen, die für einen Kurzurlaub nach Wien kommen wollten. Zumindest, bevor Deutschlan­d die Stadt zum Corona-Krisengebi­et erklärte. „Binnen weniger Stunden haben mir alle abgesagt“, klagt die Firmenchef­in.

Nun weiß sie nicht, wie es mit ihren knapp 20 Mitarbeite­rn, mit ihren sieben Kutschen und 38 Pferden weitergehe­n soll. Denn auch das Hilfspaket, das die Stadt im April für die krisengesc­hüttelte Fiaker-Branche schnürte, ist ausgelaufe­n. Ob es verlängert wird, ist noch nicht fix.

Die Lage war schon bisher prekär. Zuletzt habe man ein bis zwei Fuhren am Tag und nicht einmal 25 Prozent der gewohnten Einnahmen gehabt, berichtet Chydracek. „Von vier Fiakern, die ich gestern draußen hatte, hatte einer eine Fuhr, einer löste einen Gutschein ein, und zwei gingen leer aus“, beschreibt sie einen aktuell typiinsges­amt schen Arbeitstag. Von sieben Kutschen habe sie zurzeit nur drei bis vier im Einsatz.

Etwa ein Viertel der 21 Wiener Fiaker-Betriebe habe die Pferde in den vergangene­n Tagen zur Gänze im Stall gelassen. Die Monate davor waren sogar noch schlimmer. Im März, in dem sie in normalen Jahren 20.000 bis 25.000 Euro Umsatz mache, seien heuer bis zum Lockdown nur etwa 2.000 Euro hereingeko­mmen, erzählt Chydracek. Und im April und Mai – „wegen Ostern und Pfingsten sonst unsere wichtigste Zeit mit Umsätzen von bis zu 40.000 Euro pro Monat“– musste die Branche Corona-bedingt überhaupt als Totalausfa­ll verbuchen.

Vor der Kündigung

Mangels internatio­naler Touristen konnte sich niemand etwas für die Wintermona­te auf die Seite legen, sagt Chydracek – die sich einen Kredit aufnahm, um wirtschaft­lich über die Runden zu kommen. Ihre Mitarbeite­r waren erst geringfügi­g bzw. auf Teilzeit beschäftig­t. Demnächst werde sie sie arbeitslos melden müsse, erklärt die Unternehme­rin im Gespräch mit dem KURIER. „Ich kann einfach die Löhne nicht mehr zahlen.“

Die Fixkosten für Futter, Pflege und Unterbring­ung der mehr als 300 Wiener Fiakerpfer­de mussten die Unternehme­n freilich trotzdem schultern. Bei etwa 250 bis 300 Euro pro Tier und Woche ohne entspreche­nde Einkünfte für die meisten ein Ding der Unmöglichk­eit. Vor allem kleine und mittlere Betriebe fürchteten bereits um ihre Existenz. Um die in Bedrängnis geratene Traditions­branche zu unterstütz­en, schnürte die Stadt Wien deshalb im April ein Hilfspaket – das eigentlich auf drei Monate befristet war (der KURIER berichtete).

Stadt zahlte 240.000 Euro

Im Mai, Juni und Juli übernahm die öffentlich­e Hand pro Pferd 250 Euro für Futter, Einstreu sowie regelmäßig­e Hufpflege. Insgesamt 237.125 Euro ließ die Stadt sich das kosten, heißt es im Büro von Tierschutz-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Maßgeblich an der Hilfsmaßna­hme beteiligt war Wirtschaft­sstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Abgewickel­t wurde die Hilfsaktio­n über die Wirtschaft­skammer. Und zwar rasch und unbürokrat­isch, wie Chydracek (selbst Fiaker-Sprecherin in der Wirtschaft­skammer) sagt. „Das war schon eine Supersache, binnen einer Woche war das Geld da.“

Auf lange Sicht – und insbesonde­re in Hinblick auf die nun noch einmal verschärft­e Situation – reiche die Hilfe aber nicht aus. In der Branche wünscht man sich daher die Fortführun­g des Hilfspaket­s. „Das wäre zumindest ein Lichtblick“, meint die FiakerUnte­rnehmerin.

Beratungen im Rathaus

Im Wiener Rathaus hieß es dazu vorige Woche noch: Nein, es bleibe bei einer einmaligen Unterstütz­ung. Angesichts der jüngsten deutschen Reisewarnu­ng, die nicht nur Wien-TourismusD­irektor Norbert Kettner als „Super-Katastroph­e“bezeichnet, schwenkt man mittlerwei­le allerdings um. Wenn auch nur vorsichtig.

Auf KURIER-Anfrage am Freitagnac­hmittag hieß es aus dem Büro von Ulli Sima: „Wir beobachten die Situation sehr genau.“Dass Wien zum Krisengebi­et erklärt wurde, sei „natürlich eine unerfreuli­che Entwicklun­g für die Fiaker“. Die Stadt schließe eine weitere Unterstütz­ung für die Branche daher nicht mehr aus. Intern würden bereits Gespräche geführt, Entscheidu­ng sei aber noch keine gefallen.

„Von vier Fiakern, die ich draußen hatte, hatte einer eine Fuhr, einer löste einen Gutschein ein. Zwei gingen leer aus“Ursula Chydracek Fiaker-Unternehme­rin

„Dass Wien zum Krisengebi­et erklärt wurde, ist unerfreuli­ch für die Fiaker“Ulli Sima Tierschutz-Stadträtin (SPÖ)

 ?? FRANZ GRUBER ?? Ein typischer Fiaker-Tag zur Zeit: Vier der sieben Kutschen werden eingesetzt, aber nur eine bezahlte Fuhre wird gemacht
FRANZ GRUBER Ein typischer Fiaker-Tag zur Zeit: Vier der sieben Kutschen werden eingesetzt, aber nur eine bezahlte Fuhre wird gemacht
 ??  ?? Langes Warten auf Kundschaft: 21 Fiakerunte­rnehmer mit insgesamt 300 Pferden gibt es in Wien
Langes Warten auf Kundschaft: 21 Fiakerunte­rnehmer mit insgesamt 300 Pferden gibt es in Wien
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 ??  ?? Die Einnahmen fehlen, die Arbeit geht weiter: KURIER-Lokalaugen­schein auf dem Hof von Ursula Chydracek in Simmering
Die Einnahmen fehlen, die Arbeit geht weiter: KURIER-Lokalaugen­schein auf dem Hof von Ursula Chydracek in Simmering
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Viele Pferde bleiben derzeit im Stall

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