CoronaSchatten über dem FiakerGewerbe
Corona. Ohne Touristen droht dem Traditionsgewerbe der Ruin. Die Stadtregierung tüftelt an einem Rettungsplan
Zweites Hilfspaket? Keine Touristen und keine Brautpaare als Kunden, aber weiterhin alle Pferde zu versorgen und natürlich Löhne auszuzahlen – die 21 Fiaker-Unternehmen in Wien leiden besonders unter der Corona-Krise. In den Sommermonaten schoss die Stadt Wien rasch und unbürokratisch knapp eine Viertelmillion Euro zu, aber dieses Hilfspaket ist mittlerweile ausgelaufen. Die Branche wünscht sich eine Verlängerung – „das wäre zumindest ein Lichtblick“, meint Fiaker-Unternehmerin Ursula Chydracek, die angesichts von Umsatzrückgängen von 90 Prozent sagt: „Ich kann einfach die Löhne nicht mehr zahlen.“Im Rathaus winkte man vorige Woche noch ab, schließt nach der jüngsten deutschen Reisewarnung inzwischen eine weitere Unterstützung doch nicht mehr aus.
Vier Vorbestellungen hätte Fiaker-Unternehmerin Ursula Chydracek für Samstag gehabt. Alle von deutschen Touristen, die für einen Kurzurlaub nach Wien kommen wollten. Zumindest, bevor Deutschland die Stadt zum Corona-Krisengebiet erklärte. „Binnen weniger Stunden haben mir alle abgesagt“, klagt die Firmenchefin.
Nun weiß sie nicht, wie es mit ihren knapp 20 Mitarbeitern, mit ihren sieben Kutschen und 38 Pferden weitergehen soll. Denn auch das Hilfspaket, das die Stadt im April für die krisengeschüttelte Fiaker-Branche schnürte, ist ausgelaufen. Ob es verlängert wird, ist noch nicht fix.
Die Lage war schon bisher prekär. Zuletzt habe man ein bis zwei Fuhren am Tag und nicht einmal 25 Prozent der gewohnten Einnahmen gehabt, berichtet Chydracek. „Von vier Fiakern, die ich gestern draußen hatte, hatte einer eine Fuhr, einer löste einen Gutschein ein, und zwei gingen leer aus“, beschreibt sie einen aktuell typiinsgesamt schen Arbeitstag. Von sieben Kutschen habe sie zurzeit nur drei bis vier im Einsatz.
Etwa ein Viertel der 21 Wiener Fiaker-Betriebe habe die Pferde in den vergangenen Tagen zur Gänze im Stall gelassen. Die Monate davor waren sogar noch schlimmer. Im März, in dem sie in normalen Jahren 20.000 bis 25.000 Euro Umsatz mache, seien heuer bis zum Lockdown nur etwa 2.000 Euro hereingekommen, erzählt Chydracek. Und im April und Mai – „wegen Ostern und Pfingsten sonst unsere wichtigste Zeit mit Umsätzen von bis zu 40.000 Euro pro Monat“– musste die Branche Corona-bedingt überhaupt als Totalausfall verbuchen.
Vor der Kündigung
Mangels internationaler Touristen konnte sich niemand etwas für die Wintermonate auf die Seite legen, sagt Chydracek – die sich einen Kredit aufnahm, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Ihre Mitarbeiter waren erst geringfügig bzw. auf Teilzeit beschäftigt. Demnächst werde sie sie arbeitslos melden müsse, erklärt die Unternehmerin im Gespräch mit dem KURIER. „Ich kann einfach die Löhne nicht mehr zahlen.“
Die Fixkosten für Futter, Pflege und Unterbringung der mehr als 300 Wiener Fiakerpferde mussten die Unternehmen freilich trotzdem schultern. Bei etwa 250 bis 300 Euro pro Tier und Woche ohne entsprechende Einkünfte für die meisten ein Ding der Unmöglichkeit. Vor allem kleine und mittlere Betriebe fürchteten bereits um ihre Existenz. Um die in Bedrängnis geratene Traditionsbranche zu unterstützen, schnürte die Stadt Wien deshalb im April ein Hilfspaket – das eigentlich auf drei Monate befristet war (der KURIER berichtete).
Stadt zahlte 240.000 Euro
Im Mai, Juni und Juli übernahm die öffentliche Hand pro Pferd 250 Euro für Futter, Einstreu sowie regelmäßige Hufpflege. Insgesamt 237.125 Euro ließ die Stadt sich das kosten, heißt es im Büro von Tierschutz-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Maßgeblich an der Hilfsmaßnahme beteiligt war Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Abgewickelt wurde die Hilfsaktion über die Wirtschaftskammer. Und zwar rasch und unbürokratisch, wie Chydracek (selbst Fiaker-Sprecherin in der Wirtschaftskammer) sagt. „Das war schon eine Supersache, binnen einer Woche war das Geld da.“
Auf lange Sicht – und insbesondere in Hinblick auf die nun noch einmal verschärfte Situation – reiche die Hilfe aber nicht aus. In der Branche wünscht man sich daher die Fortführung des Hilfspakets. „Das wäre zumindest ein Lichtblick“, meint die FiakerUnternehmerin.
Beratungen im Rathaus
Im Wiener Rathaus hieß es dazu vorige Woche noch: Nein, es bleibe bei einer einmaligen Unterstützung. Angesichts der jüngsten deutschen Reisewarnung, die nicht nur Wien-TourismusDirektor Norbert Kettner als „Super-Katastrophe“bezeichnet, schwenkt man mittlerweile allerdings um. Wenn auch nur vorsichtig.
Auf KURIER-Anfrage am Freitagnachmittag hieß es aus dem Büro von Ulli Sima: „Wir beobachten die Situation sehr genau.“Dass Wien zum Krisengebiet erklärt wurde, sei „natürlich eine unerfreuliche Entwicklung für die Fiaker“. Die Stadt schließe eine weitere Unterstützung für die Branche daher nicht mehr aus. Intern würden bereits Gespräche geführt, Entscheidung sei aber noch keine gefallen.
„Von vier Fiakern, die ich draußen hatte, hatte einer eine Fuhr, einer löste einen Gutschein ein. Zwei gingen leer aus“Ursula Chydracek Fiaker-Unternehmerin
„Dass Wien zum Krisengebiet erklärt wurde, ist unerfreulich für die Fiaker“Ulli Sima Tierschutz-Stadträtin (SPÖ)