Schuhsohle befreit aus Parkinson-Starre
„Freezing“. Rund die Hälfte der Parkinson-Patienten leidet an einem Begleitsymptom, bei dem der Körper ohne Vorwarnung erstarrt. Eine neuartige Schuheinlage kann sie aus diesem Zustand lösen „Parkinson verläuft bei jedem Patienten anders, so auch das Symp
Der Waldspaziergang geht heute ruhig und mühelos vonstatten. Doch genau an der Stelle, an der sich der Weg gabelt, erstarrt der Körper ohne Vorwarnung und bleibt minutenlang regungslos. Das Gehirn will zwar weiter vorankommen, die Beine aber streiken.
Für Millionen von MorbusParkinson-Patienten weltweit gehört dieses Begleitsymptom namens „Freezing“zum Alltag. Alleine in Österreich leiden etwa 20.000 Menschen an Parkinson, weltweit schätzt die World Health Organisation (WHO) etwa 6 Millionen Betroffene. Verursacht wird die neurologische Erkrankung aufgrund des Funktionsverlusts jener Gehirnzellen, die für die Produktion des Glückshormons Dopamin verantwortlich sind. Im Wesentlichen ist die verlorene Kontrolle über die Muskeln die Folge.
Schuheinlage mit Impuls
„Bei ungefähr der Hälfte aller Patienten tritt das Symptom Freezing auf“, sagt Philipp Lederle, Mitbegründer des Wiener Start-ups helpsole. Grundsätzlich gibt es eine besonders einfache und effektive Methode, den Körper aus dieser Starre zu befreien: Leichtes Zwicken. Dazu muss jedoch eine Begleitperson anwesend sein. Ist der Patient alleine unterwegs, kann das „Einfrieren“gefährlich werden. Möchte er gedanklich weitergehen, kann sich aber nicht bewegen, kann es zu schweren Stürzen kommen.
Um diese Folgen zu vermeiden, hat helpsole eine Schuheinlage mit mehreren Sensoren entwickelt, die eine anbahnende Freezing-Episode automatisch erkennt. „Im Prinzip verändert sich dabei das Bewegungsmuster. Grundsätzlich messen wir mehrere Parameter – zu den wesentlichen zählen die Kadenz (Anzahl der Schritte pro Minute) und die Druckverteilung“, so Lederle. Typisch sei etwa das sogenannte „Trippeling“, also kürzere Schritte vor einer Freezing-Episode. Die Beschleunigungssensoren in der Schuheinlage messen diese Kadenz.
Ein weiterer Sensor misst die Druckverteilung: Beim Stehen verlagert sich das Gewicht des Betroffenen nicht wie sonst auf den mittleren Fußbereich, sondern auf den vorderen, weil er eigentlich weitergehen möchte. Diese Gewichtsverlagerung wird ebenfalls gemessen und im gleichen Moment ein elektromechanischer Reiz abgegeben.
Aber: „Parkinson verläuft bei jedem Patienten anders, so auch das Symptom Freezing. Manche schleifen beispielsweise vor einer FreeJahres.
Philipp Lederle Mitbegründer von helpsole zing-Episode das Bein nach“, erklärt Lederle. Auch dieses Verhaltensmuster könne vom Algorithmus erkannt werden und dazu dienen, das anbahnende „Einfrieren“zu erkennen. Der freigesetzte Impuls gleicht dem Experten zufolge jenem eines Trainingsgürtels, den man um den Bauch spannt und zu Muskelkontraktionen führt. „Es ist nichts anderes als ein kleiner Impuls, wie ein leichtes Zwicken.“
Prototyp-Entwicklung
Aktuell ist helpsole mit der Entwicklung des Prototypen beschäftigt. Dabei werden nicht nur Gangdaten aus zahlreichen Studien, sondern auch die Bedürfnisse mehrerer Parkinson-Patienten, mit denen das Startup eng zusammenarbeitet, berücksichtigt. „Die klinische Phase erwarten wir Mitte oder Ende nächsten
Die Marktreife kalkulieren wir mit spätestens Anfang 2023“, so Lederle.
Erst unlängst wurde das Projekt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert. Nun will helpsole für die Folgefinanzierung weitere Investoren und Business Angels für sich gewinnen.
Hirnstimulation
Neben der Schuhsohle kann auch ein sogenannter „Neurostimulator“die Lebensqualität von ParkinsonPatienten erhöhen. Anfang des Jahres wurde der weltweit erste Parkinson-Patient an der Neurochirurgischen Klinik des LMU Klinikums München mithilfe eines ElektrodenGeräts per Hirnstimulation behandelt. Es ähnelt einem Herzschrittmacher, nur dass damit nicht das Herz, sondern bestimmte Hirnareale elektrisch stimuliert werden.
Damit könnte künftig eine Behandlung möglich gemacht werden, bei der die Stimulation gezielt den Anforderungen an die jeweilige Handlung, etwa dem Gehen oder Sprechen, angepasst wird. Auch schwierigere Alltagssituationen, wie reden und gehen zur gleichen Zeit, könnten auf diese Weise besser bewältigt werden.
Gehirnsignale erfasst
Die Methode wird als Tiefe Hirnstimulation (THS) bezeichnet und dient seit Jahrzehnten zur Behandlung von neurologischen Bewegungsstörungen. Nun hat sie sich auch zur Behandlung von Morbus Parkinson als effektiv erwiesen. Ist die Aktivität der motorischen Zentren im Gehirn gemessen, schickt der Stimulator Impulse mit unterschiedlicher Stimulationsstärke aus.
Neuerdings kommt zusätzlich eine sogenannte BrainSense-Technologie zur Anwendung. Die erfasst erstmals permanent die Gehirnsignale des Patienten. In Verbindung mit selbst aufgezeichneten Ereignissen zu Symptomen oder Nebenwirkungen von Medikamenten kann damit eine gezielte, personalisierte und datengesteuerte Neurostimulation erfolgen.