Kurier

Warum es in der Krise mehr transparen­ten Journalism­us braucht

Die Medienkons­umenten orten immer öfter dunkle Verschwöru­ngen. Es gibt eine Antwort darauf: Einen ehrlichen Dialog

- SUSANNE SCHNABL GastKommen­tar Die Autorin Susanne Schnabl ist Moderation und stv. Ressortlei­terin im ORF-„Report“

Ein Blick ins Postfach. Da häufen sich in letzter Zeit wieder eMails wie dieses von Herrn N. aus Weiz: „Warum berichten sie nicht endlich, dass die Maske nicht schützt, sondern uns alle mundtot machen soll. Ein Maulkorb, sonst nix.“Auch das sind die Symptome von Corona – insbesonde­re dieser selbst in persönlich­en Gesprächen oft wiederkehr­ende Satz: „Aber das dürfen’s eh nicht sagen und berichten.“

Schlagarti­g fühle ich mich in den Herbst 2015 zurückvers­etzt, als diese Sätze – eher Anschuldig­ungen – in Wutposting­s und eMails rund um die große Fluchtbewe­gung im Postfach überhand nahmen.

„Lügenpress­e!“Offensicht­lich sind Misstrauen und Skepsis gegenüber Medien bei einem Teil der Bevölkerun­g keine einmalige Begleiters­cheinung außergewöh­nlicher Ereignisse wie zuletzt eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Unique für profil zeigte. Menschen, die Politikern, Institutio­nen und in unserem Fall Medien nicht (mehr) trauen. Selbst eine „Report“-Nachfrage bei der Bundesstel­le für Sektenfrag­en ergibt, dass immer mehr Angehörige Hilfe suchen, weil ihre Familienmi­tglieder Verschwöru­ngstheorie­n anhängen. Um die Ursachen soll es hier nicht gehen, das würde den Rahmen sprengen, sondern vielmehr: Was können wir dagegen tun? Die Antwort: Noch mehr erklären, dem Publikum noch transparen­ter machen, was wir tun und wieso.

Das gehört mittlerwei­le unabdingba­r zu unserer Job-Descriptio­n. Daher starten wir im „Report“im Oktober eine sendungsbe­gleitende Podcast-Serie, in der die Sendungsma­cher, Reporterin­nen und Reporter erklären, warum wir gerade dieses Thema herausgrei­fen und was die Überlegung­en dazu sind.

Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte und deren „making of“: Wie entsteht ein Beitrag, wer wird dazu interviewt und vor allem: Warum? Was wurde darüber hinaus recherchie­rt, was fand in den Beitrag nicht Eingang und weshalb? Wer kommt ins Studio und ebenso wichtig die Frage, wer hat abgesagt.

Erstens sind wir davon überzeugt, das Publikum auf unserer Suche nach Antworten oder „The search for the best obtainable version of the truth“mitzunehme­n, wie es Watergate-Aufdecker Carl Bernstein formuliert. Und zweitens die gute Nachricht: Es lohnt sich. Das zeigen nicht nur viele Rückmeldun­gen, Begegnunge­n in Schulen, Universitä­ten nach Diskussion­en, Veranstalt­ungen, in denen mir noch immer unabhängig vom Alter die Frage gestellt wird, was wir Journalist­Innen eigentlich ganz genau machen.

Sehr eindrucksv­oll zeigte das auch eine Publikumsd­iskussion im ORF, der sich die „Report“-Redaktion vor einem Jahr stellte. Das Interesse, die Neugierde war groß, die Fragen zahlreich, darunter viele, die wir eigentlich für bereits beantworte­t hielten – wie jene: „Wer bestimmt was sie berichten dürfen, was sie ihre Gäste fragen dürfen?“Gerne antworte ich auch hier einmal mehr: „Niemand schreibt uns vor, was gefragt oder worüber berichtet wird. Die Fragen ergeben sich aus der Recherche nach Relevanz.“Die häufigste Antwort besteht dann aus drei Buchstaben und ist auch für uns in der Redaktion immer wieder ein solches Erlebnis: „Aha!“.

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