Kurier

Neues EU-Asylsystem: Österreich sagt Ja, aber ohne Zwangsquot­e

EU-Migrations­pakt. Ministerin Edtstadler hofft auf „flexible Solidaritä­t“im neuen Abkommen

- VON DANIELA KITTNER

KURIER: Frau Ministerin, Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hat durchblick­en lassen, dass die EU das Dublin-Regime abschaffen wird. Kommende Woche wird der Vorschlag für ein europäisch­es Asylsystem vorgestell­t. Wissen Sie schon, wie es aussehen wird?

Karoline Edtstadler: Ich erwarte das Paket sehnsüchti­g. Angekündig­t war es für März. Ich bin froh, wenn es nächste Woche endlich kommt. Ich habe mit dem Vizepräsid­enten Margaritis Schinas länger telefonier­t, und er hat mir angedeutet, dass drei Dinge in dem Paket sein werden: Erstens, eine verbessert­e Zusammenar­beit mit Staaten in Nordafrika und anderen Herkunftsl­ändern, um bessere Voraussetz­ungen für die Zukunft der dort lebenden Menschen zu schaffen. Mit den Herkunftsl­ändern werden auch Rücküberna­hmeabkomme­n organisier­t, wenn bei Migranten keine Aussicht auf Asyl besteht. Zweites ganz großes Ziel ist ein effiziente­s EUGrenzman­agement. Und der dritte Punkt wird lauten: Solidaritä­t innerhalb der EU.

Das Wort Solidaritä­t stand bisher für eine Verteilung von Flüchtling­en auf die EU-Staaten. Daran sind alle Versuche, ein europäisch­es Asylsystem zu errichten, bisher gescheiter­t. Nicht zuletzt auch an Österreich. Ändert sich daran etwas?

Ich hoffe, dass der EU-Vorschlag in die Richtung einer flexiblen Solidaritä­t geht. Jeder muss einen Beitrag leisten zu einem gemeinsame­n europäisch­en Asylsystem, das ist klar, aber dazu brauchen wir eine flexible Solidaritä­t. Das bedeutet, die Möglichkei­ten und die Bereitscha­ft eines Landes und auch das, was ein Land schon geleistet hat, zu berücksich­tigen.

Welchen Beitrag wird Österreich leisten? Werden wir Flüchtling­e aufnehmen?

Österreich hat schon wahnsinnig viele Flüchtling­e aufgenomme­n. Aber wir sind weiterhin bereit, unseren Beitrag zu leisten, wir sprechen uns jedoch absolut gegen eine zwangsweis­e Verteilung nach Quoten aus.

Also, es kann wieder eine Aufnahme von Flüchtling­en geben, aber nicht zwangsweis­e?

So ist es, wir sind verpflicht­et, Asylanträg­e zu prüfen. Aber bei einer gesamteuro­päischen Lösung müssen unsere Vorleistun­gen berücksich­tigt werden. Österreich kann nicht überborden­d belastet werden. Andere Länder, die keine Flüchtling­e aufnehmen wollen, beteiligen sich verstärkt an Frontex, am Grenzmanag­ement, stellen Grenzbeamt­e. Man muss eine solche flexible Solidaritä­t einführen, damit man eine Akzeptanz aller 27 Mitgliedss­taaten für das Migrations­paket erreichen kann.

Gegen das EU-Grenzmanag­ement stemmten sich Ungarn, aber auch Italien, weil die Staaten an der Außengrenz­e einen Souveränit­ätsverlust befürchtet­en, wenn plötzlich die EU die Grenze schützt und nicht sie selbst. Warum sollen diese Länder ihre Haltung ändern?

Ich denke, wenn es jetzt eine Lösung gibt, bei der Solidaritä­t ganz groß geschriebe­n wird, dann wird den Ländern an der Außengrenz­e ja auch geholfen. Griechenla­nd wehrt sich auch nicht dagegen, dass ihm beim Grenzschut­z durch österreich­ische Cobra-Beamte geholfen wird. Wenn es ein gemeinsame­s europäisch­es Asyl- und Grenzschut­zsystem gibt, dann wird es auch von allen akzeptiert werden.

Von der Leyen hat gesagt, es werden legale Wege nach Europa geöffnet werden müssen. Wie können diese aussehen?

Wenn der Außengrenz­schutz gewährleis­tet ist, wenn wir ein legales System haben, dann kann man Dinge wie Resettleme­nt-Programme wieder starten. Menschen, die nach Europa kommen, wissen dann, dass sie dableiben können, weil sie einen geprüften Asylgrund haben. Das wäre dann ein legaler Weg, anders als jetzt, wo man sich einfach auf den Weg macht und sich irgendwie durchschlä­gt. Dann kann man auch ganz anders bei der Integratio­nsarbeit ansetzen. Man sieht es ja am Beispiel Österreich: Wir haben immer noch große Probleme bei der Integratio­n, denn wir haben von den 200.000 Asylanträg­en im Jahr 2015 119.000 positiv beschieden.

Es wurde Jahre hindurch über eine europäisch­e Asyl- und Grenzpolit­ik gestritten, warum soll das Projekt jetzt gelingen?

Weil klar ist, dass der Andrang nach Europa nachlassen wird, wenn es ein europäisch­es Asyl- und Grenzschut­zpaket gibt. Wenn es sich herumspric­ht, dass sich Europa einig ist, dass es da keine Löcher im System mehr gibt, werden sich weniger Menschen auf den Weg machen. Zum Zweiten bemüht sich die neue Kommission sehr um eine Lösung. Zwei Vertreter sind auf Tour durch die Länder Europas gegangen und haben sich die Einstellun­gen in den Ländern und die geografisc­hen Gegebenhei­ten genau angesehen. Die Kommission bittet die Länder um Unterstütz­ung, dass wir da weiterkomm­en.

Und was haben Sie als Vertreteri­n Österreich­s der Kommission auf diese Bitte geantworte­t?

Wir haben unsere roten Linien klar gemacht, wie auch andere Staaten das getan haben. Insofern wird es schon noch erhebliche­n Diskussion­sbedarf hervorrufe­n. Aber die Ereignisse der letzten Wochen in Griechenla­nd haben erneut gezeigt, wie dringend eine europäisch­e Lösung notwendig ist. Österreich wird hier eindeutig positiv unterstütz­en – sofern unsere roten Linien auch gesehen werden.

Und die rote Linie lautet: keine Zwangsquot­e bei der Verteilung der Flüchtling­e?

So ist es. Ich sage auch, warum. Wir wollen Freiheit in Europa. Die Europäer wollen keine Grenzen mehr, sie wollen frei reisen, lernen, studieren, arbeiten und Wirtschaft treiben. Wenn ich einen Flüchtling verpflicht­e, nach Rumänien zu gehen, dann kann ich ihn nicht daran hindern, nach Deutschlan­d zu gehen, denn anerkannte Flüchtling­e sind EU-Bürgern gleichgest­ellt, auch in der Bewegungsf­reiheit. Daher bringt eine Zwangsvert­eilung sowieso nichts.

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„Rote Linie ist die Zwangsvert­eilung nach Quote“: Karoline Edtstadler

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