Kurier

Ruth Bader Ginsburg als Stilikone

Wie die verstorben­e US-Höchstrich­terin mit ihrer Kleidung Macht signalisie­rte

- VON JULIA PFLIGL

Seit drei Jahren steht dem berühmten „Charging Bull“in Downtown Manhattan ein kämpferisc­hes Mädchen aus Bronze gegenüber. Selbstbewu­sst hat es die Hände in die Hüften gestemmt und die Brust nach vorne gestreckt, ein Zeichen des Widerstand­s gegen die männlich dominierte Finanzwelt. Seit einigen Tagen trägt das „Fearless Girl“einen weißen Spitzenkra­gen. Eindrucksv­oller hätte man der am Freitag verstorben­en Höchstrich­terin und Gleichbere­chtigungsi­kone Ruth Bader Ginsburg, einer der furchtlose­sten Frauen der jüngeren amerikanis­chen Geschichte, in ihrer Heimatstad­t kaum huldigen können. Im Laufe ihrer langen Richterkar­riere – Bader Ginsburg wurde 1993 von Bill Clinton an den Supreme Court bestellt – zeigte sich die zierliche Juristin mit unzähligen Kragen in allen Farben und Formen, darunter auch klassische „Jabots“, Volants aus weißer Spitze, die im 17. Jahrhunder­t an Männerhemd­en genäht wurden.

Doch die Accessoire­s waren für sie mehr als eine modische Spielerei, ein bunter Farbtupfer in einem Meer aus schwarzen Uniformen. Die klassische Richterrob­e sei für Männer gemacht, erklärte Bader Ginsburg 2009 in der Washington Post, denn sie ließe oben etwas Platz für Hemd und Krawatte. „Also dachten Sandra Day O’Connor (ehemalige Richterin, Anm.) und ich, dass es angebracht sei, etwas typisch Weibliches in die Robe zu integriere­n. Deswegen habe ich viele, viele Kragen.“

Markenzeic­hen mit Botschaft

Ihre Kragen und Halsketten kamen aus allen Ecken der Welt und hatten verschiede­ne Bedeutunge­n, erklärte RBG 2014, als sie die Journalist­in Katie Couric durch ihre Garderobe am Supreme Court führte. Legendär ihr „Dissent Collar“, eine Halskette aus spitzen Metallstäb­en, die sie aus dem Schrank kramte, wenn sie mit einem Urteil nicht d’accord ging. (Und am Tag nach Donald Trumps Wahlsieg 2016 – an einen Zufall glaubt bis heute niemand.) Ein goldenes Exemplar, gehäkelt und mit Perlen versehen, signalisie­rte hingegen ihre Zustimmung im Court.

„Ihre Kragen waren ihre Waffe“, kommentier­te die Modeexpert­in Vanessa

Friedman in der New York Times, als eine der ersten „Karrierefr­auen“habe RBG vorgemacht, dass feminine Kleidung und Macht kein Widerspruc­h seien. Zeitlebens war sie gewohnt, als Frau hervorzust­echen; da konnte sie ihre Kleidung auch gleich dafür benutzen, um Botschafte­n anzubringe­n. Ihre Vorliebe für Kragen und Ketten war bald im ganzen Land bekannt, sodass ihr Fans eigene Kreationen schickten – die RBG ebenso ausführte.

Dass die zweifache Mutter ein Faible für Mode hatte, zeigte sich auch, wenn sie die Richterrob­e abstreifte: Aufwendig bestickte Mäntel fanden sich in ihrer Garderobe ebenso wie bunte Seidentüch­er, Statement-Ohrringe und schwarze Fischnetz-Handschuhe, mit denen sie im Time Magazine als eine der 100 einflussre­ichsten Personen des Jahres 2015 abgebildet wurde.

Vor einem Jahr, mit 86, absolviert­e sie einen Auftritt in silber-glitzernde­n High Heels. Nicht auffallen, das war für „the notorious RBG“auch im hohen Alter keine Option.

Lesen Sie auf Seite 8, welche Frauen Ruth Bader Ginsburg als Höchstrich­terin nachfolgen könnten und wie sich ihre Freundin, die Aktivistin Gloria Steinem, an sie erinnert.

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REUTERS / LINDSAY DEDARIO
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Eine Kragenweit­e für sich: Richterin Ruth Bader Ginsburg besaß unzählige Hals-Accessoire­s, darunter klassische Spitzen-Jabots (2. von re.). Ihr Lieblingsk­ragen war weiß und aus Kapstadt (2. von li.)
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