Kurier

Streit um Corona-Gesetze hält an

Nationalra­t. Das Parlament stimmt über die überarbeit­eten Regelungen ab, überdies wird eine Vielzahl an Unterstütz­ungsmaßnah­men beschlosse­n – für Familien, Künstler und Arbeitslos­e

- VON BERNHARD GAUL UND ELISABETH HOFER

Die einen wollen der gesamten Regierung das Misstrauen ausspreche­n, die anderen werfen der politische­n Konkurrenz vor, ihre Werte verraten zu haben – die Plenarsitz­ung des Nationalra­ts, die heute, Mittwoch, stattfinde­t, verspricht spannend zu werden.

Im Vordergrun­d steht dabei freilich die Debatte um die neuen Corona-Gesetze, doch auch andere Themen dürften die Wogen hochgehen lassen. So wollen die Neos in einer aktuellen Europastun­de über die Flüchtling­skrise nach dem Brand des Lagers Moria sprechen. Zuvor wird es sich auf Antrag der Grünen um Maßnahmen gegen die Verpackung­sflut drehen. Außerdem soll das sogenannte Umweltförd­erungsgese­tz beschlosse­n werden (siehe Artikel rechts).

Doch zurück zum großen Streitpunk­t Corona-Gesetze. Nachdem der Verfassung­sgerichtsh­of wesentlich­e Teile der Gesetze von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) für rechtswidr­ig erklärt hatte, musste nachgebess­ert werden. Zentraler Punkt ist hierbei Paragraf 5: Dieser regelt, wann und unter welchen Bedingunge­n Ausgangssp­erren möglich sind. So soll in Abstimmung mit dem Hauptaussc­huss des Nationalra­ts der Gesundheit­sminister verfügen können, „dass das Verlassen des privaten Wohnbereic­hs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist“. Dazu zählen die Abwendung einer unmittelba­ren Gefahr, die Betreuung unterstütz­ungsbedürf­tiger Personen, die Deckung der notwendige­n Grundbedür­fnisse des täglichen Lebens, berufliche Zwecke und der Aufenthalt im Freien zur „körperlich­en und psychische­n Erholung“. Ein solcher Lockdown soll maximal zehn Tage dauern dürfen.

Definiert werden im neuen Gesetz darüber hinaus Betretungs­verbote, die überall außer in privaten Wohnräumen verhängt werden können. Auch die Länder erhalten mehr Kompetenze­n, da sie künftig strengere Regelungen als vom Bund vorgesehen einführen können. Überdies soll die viel diskutiert­e Corona-Ampel gesetzlich verankert werden.

Verfassung­skonform?

Obwohl der Entwurf zum neuen Gesetz mehrmals überarbeit­et wurde, halten ihn die Neos nach wie vor für verfassung­swidrig. Auch dass die Gültigkeit­sdauer des Gesetzes bis 30. Juni 2021 festgesetz­t ist, aber per Verordnung von der Regierung – ohne Zustimmung des Parlaments – verlängert werden kann, sehen sie als einen Verstoß gegen die in der Verfassung vorgeschri­ebene Gewaltentr­ennung an. Aus diesem Grund wollen sie dem Gesetz nicht zustimmen.

Die FPÖ will ebenfalls nicht zustimmen, sondern ganz im Gegenteil einen Misstrauen­santrag gegen die Regierung einbringen. Die in den Gesetzen vorgesehen­en Eingriffe seien unverhältn­ismäßig, es werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen oder versucht, mit einem Hammer eine Fliege zu erschlagen, wobei allerdings nur das Mobiliar zertrümmer­t werde, erklärte der blaue Klubobmann Herbert Kickl.

Vonseiten der SPÖ wird es hingegen Zustimmung zum neuen Gesetz geben. Da es ohnehin nur einer einfachen Mehrheit bedarf, wäre es auf die roten Stimmen erst im Bundesrat angekommen, wo die Regierungs­parteien keine Mehrheit haben und ein „Nein“der SPÖ das Gesetz blockiert hätte.

Zahlreiche Hilfen

Der Nationalra­t wird sich abseits des Covid-Gesetzes in dieser Sitzung aber noch mit anderen Themen rund um die Corona-Krise beschäftig­en. Etwa sollen angekündig­te Erleichter­ungen für Familien beschlosse­n werden. So wird die Zuverdiens­tgrenze zur Familienbe­ihilfe von 10.000 auf 15.000 Euro erhöht, der Familienhä­rtefonds von 60 auf 100 Millionen aufgestock­t und die – freiwillig­e – Sonderbetr­euungszeit für Eltern bis Februar verlängert.

Um Arbeitslos­e zu einer berufliche­n Umorientie­rung zu motivieren, wird ein Bildungsbo­nus von vier Euro pro Tag zusätzlich zum Arbeitslos­engeld beschlosse­n, wenn eine arbeitslos­e Person im Auftrag des AMS an einer zumindest viermonati­gen Qualifizie­rungsmaßna­hme teilnimmt.

Letztlich werden auch Hilfen für selbststän­dige Künstler eingeführt, die unter Einnahmena­usfällen leiden. Der Unterstütz­ungsfonds zur Begleichun­g der Sozialvers­icherung wird von fünf auf zehn Millionen erhöht.

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Zweiter Anlauf von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober bei den Corona-Gesetzen. Er baucht eine einfache Mehrheit

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