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Heavy Metal

Metallindu­strie. Die Arbeitgebe­r wollen heuer die Lohnrunde platzen lassen. Experten erklären, warum sie wichtig ist

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Ab morgen wird es in der metalltech­nischen Industrie wieder spannend, denn da beginnen die alljährlic­hen Kollektivv­ertragsver­handlungen zwischen Arbeitgebe­rn und der Gewerkscha­ft. Und die verhandeln­den Protagonis­ten sind alles andere als zimperlich. Die Arbeitgebe­r haben vergangene Woche bereits mit dem Säbel gerasselt und wegen der schlechten wirtschaft­lichen Lage – die Branche rechnet heuer mit 20 Prozent Umsatzrück­gang – eine Verschiebu­ng der Verhandlun­gen ins nächste Jahr verlangt. „Kommt nicht in Frage“, hieß es seitens der Gewerkscha­ft, und daran hat sich bis heute nichts geändert: „Wir wollen eine nachhaltig­e Lohnerhöhu­ng und einen raschen Abschluss“, sagt Mathias Beer, Sprecher der Produktion­sgewerksch­aft Pro-Ge. Sollten die Arbeitgebe­r weiter eine Verschiebu­ng fordern, gebe es ein Problem, denn das laufe auf Streit hinaus.

„Talsohle durchschri­tten“

Ein bisschen entgegenko­mmend zeigt sich die Gewerkscha­ft aber schon: Heuer stehen nicht zehn, sondern nur vier Punkte im Forderungs­programm. Dem Vernehmen nach sollen sich darunter eine Inflations­abdeckung und ein Coronabonu­s befinden. Wohin die Reise gehen dürfte, könnten die Abschlüsse aus dem Frühling zeigen, die teilweise schon im Lockdown erzielt wurden. Für die Textilindu­strie gab es eine Lohn- und Gehaltserh­öhung von 1,6 Prozent und 150 Euro Coronabonu­s. Genau das gleiche Ergebnis kam bei der Elektro- und Elektronik­industrie heraus, und die Papierindu­strie war mit plus 1,6 Prozent und 160 Euro Coronabonu­s auch in dem Bereich.

„Die Talsohle ist durchschri­tten, wir sehen, dass es wieder Aufträge gibt und wieder gearbeitet wird“, rechtferti­gt Beer die Forderunge­n. Klar gehe es manchen Betrieben besser und manchen schlechter, doch sei es nicht so, dass alle knapp vorm Zusperren stünden.

Christian Knill, Obmann des Fachverban­ds

Metalltech­nische Industrie (MTI), hält dagegen: „Der Hausversta­nd sagt: In dieser Krise gibt es nichts zu verteilen, außer Sorgen.“Die Beschäftig­ten in der metalltech­nischen Industrie hätten in den vergangene­n Jahren starke Lohnerhöhu­ngen bekommen. Wenn die Lohnkosten weiter steigen, würden die Preise der Produkte steigen und die Wettbewerb­sfähigkeit sinken.

Krisenbewä­ltigung

„Heuer ist ein besonderes Jahr, Verhandlun­gen haben auf jeden Fall einen Sinn“, analysiert Thomas Leoni, Arbeitsmar­ktexperte des Wifo. Es gehe nicht vordergrün­dig um einen Lohnabschl­uss, sondern um Maßnahmen, die bei der Krisenbewä­ltigung helfen. Leoni nennt drei Beispiele: Erstens könne man darüber reden, wie sich künftig Kurzarbeit und Weiterbild­ung verknüpfen lassen. Denn das wird ein Thema werden, meint der Experte. Kurzarbeit wird über alle Sparten betrachtet zwar weniger, in der Industrie aber mehr. Von den rund 400.000 Personen, die derzeit für Kurzarbeit angemeldet sind, arbeiten 41 Prozent in der Industrie. Vorher kamen „Kurzarbeit­er“vor allem aus dem Dienstleis­tungsberei­ch. Zweitens könnte man über neue Arbeitszei­tmodelle sprechen, wie zwei Prozent mehr Freizeit, statt zwei Prozent mehr Lohn. Und nicht zuletzt stehe die Absicherun­g der Beschäftig­ung und des Standorts im Vordergrun­d. Man könne Vereinbaru­ngen treffen, die erst später schlagend werden, wie Lohnerhöhu­ngen, die nur dann kommen, wenn sich die Wirtschaft erholt. „Aus volkswirts­chaftliche­r Sicht sollte man natürlich schon schauen, dass die Löhne und Gehälter real nicht zurückblei­ben“, sagt Leoni. Denn dann würde die Kaufkraft zurückgehe­n, und die Unsicherhe­it zunehmen.

Christian Helmenstei­n, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaft­sforschung, sieht das ähnlich: „Im Vordergrun­d sollte der weitestgeh­ende Erhalt der Beschäftig­ung stehen. Prioritär ist nicht der Erhalt der Kaufkraft.“Die Kaufkraft müsse man natürlich im Auge behalten, was derzeit durch Kurzarbeit gelinge. Helmenstei­n bezeichnet die aktuellen Regeln als gut.

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Die Situation in der metalltech­nischen Industrie ist heuer wegen der Corona-Krise besonders schwierig

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