Heavy Metal
Metallindustrie. Die Arbeitgeber wollen heuer die Lohnrunde platzen lassen. Experten erklären, warum sie wichtig ist
Ab morgen wird es in der metalltechnischen Industrie wieder spannend, denn da beginnen die alljährlichen Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft. Und die verhandelnden Protagonisten sind alles andere als zimperlich. Die Arbeitgeber haben vergangene Woche bereits mit dem Säbel gerasselt und wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage – die Branche rechnet heuer mit 20 Prozent Umsatzrückgang – eine Verschiebung der Verhandlungen ins nächste Jahr verlangt. „Kommt nicht in Frage“, hieß es seitens der Gewerkschaft, und daran hat sich bis heute nichts geändert: „Wir wollen eine nachhaltige Lohnerhöhung und einen raschen Abschluss“, sagt Mathias Beer, Sprecher der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge. Sollten die Arbeitgeber weiter eine Verschiebung fordern, gebe es ein Problem, denn das laufe auf Streit hinaus.
„Talsohle durchschritten“
Ein bisschen entgegenkommend zeigt sich die Gewerkschaft aber schon: Heuer stehen nicht zehn, sondern nur vier Punkte im Forderungsprogramm. Dem Vernehmen nach sollen sich darunter eine Inflationsabdeckung und ein Coronabonus befinden. Wohin die Reise gehen dürfte, könnten die Abschlüsse aus dem Frühling zeigen, die teilweise schon im Lockdown erzielt wurden. Für die Textilindustrie gab es eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 1,6 Prozent und 150 Euro Coronabonus. Genau das gleiche Ergebnis kam bei der Elektro- und Elektronikindustrie heraus, und die Papierindustrie war mit plus 1,6 Prozent und 160 Euro Coronabonus auch in dem Bereich.
„Die Talsohle ist durchschritten, wir sehen, dass es wieder Aufträge gibt und wieder gearbeitet wird“, rechtfertigt Beer die Forderungen. Klar gehe es manchen Betrieben besser und manchen schlechter, doch sei es nicht so, dass alle knapp vorm Zusperren stünden.
Christian Knill, Obmann des Fachverbands
Metalltechnische Industrie (MTI), hält dagegen: „Der Hausverstand sagt: In dieser Krise gibt es nichts zu verteilen, außer Sorgen.“Die Beschäftigten in der metalltechnischen Industrie hätten in den vergangenen Jahren starke Lohnerhöhungen bekommen. Wenn die Lohnkosten weiter steigen, würden die Preise der Produkte steigen und die Wettbewerbsfähigkeit sinken.
Krisenbewältigung
„Heuer ist ein besonderes Jahr, Verhandlungen haben auf jeden Fall einen Sinn“, analysiert Thomas Leoni, Arbeitsmarktexperte des Wifo. Es gehe nicht vordergründig um einen Lohnabschluss, sondern um Maßnahmen, die bei der Krisenbewältigung helfen. Leoni nennt drei Beispiele: Erstens könne man darüber reden, wie sich künftig Kurzarbeit und Weiterbildung verknüpfen lassen. Denn das wird ein Thema werden, meint der Experte. Kurzarbeit wird über alle Sparten betrachtet zwar weniger, in der Industrie aber mehr. Von den rund 400.000 Personen, die derzeit für Kurzarbeit angemeldet sind, arbeiten 41 Prozent in der Industrie. Vorher kamen „Kurzarbeiter“vor allem aus dem Dienstleistungsbereich. Zweitens könnte man über neue Arbeitszeitmodelle sprechen, wie zwei Prozent mehr Freizeit, statt zwei Prozent mehr Lohn. Und nicht zuletzt stehe die Absicherung der Beschäftigung und des Standorts im Vordergrund. Man könne Vereinbarungen treffen, die erst später schlagend werden, wie Lohnerhöhungen, die nur dann kommen, wenn sich die Wirtschaft erholt. „Aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte man natürlich schon schauen, dass die Löhne und Gehälter real nicht zurückbleiben“, sagt Leoni. Denn dann würde die Kaufkraft zurückgehen, und die Unsicherheit zunehmen.
Christian Helmenstein, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht das ähnlich: „Im Vordergrund sollte der weitestgehende Erhalt der Beschäftigung stehen. Prioritär ist nicht der Erhalt der Kaufkraft.“Die Kaufkraft müsse man natürlich im Auge behalten, was derzeit durch Kurzarbeit gelinge. Helmenstein bezeichnet die aktuellen Regeln als gut.