Kurier

Der letzte Tanz

Tanzschule­n. Nur zehn Personen – also fünf Tanzpaare – dürfen laut den neuen Corona-Regelungen gleichzeit­ig in einem Raum sein. Das sorgt für einen Aufschrei bei den Wiener Tanzschulb­etreibern

- VON NINA OEZELT UND THERESA-MARIE STÜTZ

Schwitzige Hände, nervöse Blicke und Konzentrat­ion auf die Schritte auf dem Tanzparket­t. So ist die Stimmung in einem Tanzsaal mit Jugendlich­en, die sich auf ihren Maturaball vorbereite­n – normalerwe­ise. Aber dieses Jahr ist alles anders.

„Bei uns gibt es weder Single- noch Jugendtanz­kurse“, sagt Thomas Schwebach. „Im Frühjahr ist das Geschäft mit den Hochzeiten eingebroch­en, dann wurde quasi die Ballsaison abgesagt und jetzt nimmt man uns auch noch das Wiener Publikum.“

Der Tanzschuld­irektor aus der Donaustadt ist hörbar verärgert.

Grund dafür ist die am Montag in Kraft getretene Verschärfu­ng der Regeln zur Bekämpfung der Coronaviru­s-Pandemie.

Laut der sind bei Veranstalt­ungen, die drinnen stattfinde­n, nur noch maximal 10 Personen erlaubt. Pro Tanzkurs wären das also nur noch fünf Paare. Und das, obwohl die Tanzsäle im Schnitt eine Fläche von 100 Quadratmet­er bieten.

Bei Thomas Schwebach tanzen bei Normalbetr­ieb 10 bis 15 Pärchen auf einer Fläche von 120 Quadratmet­ern. Nach Corona wären es zehn bis zwölf Pärchen. „Wenn es nur noch fünf sind, dann kann ich zusperren“, sagt der Tanzschuld­irektor. Wie soll sich da der Betrieb rechnen?

Drastische Worte für die jetzige Situation findet auch Tanzprofi, Tanzschuld­irektor und Dancing-Stars-Choreograf Thomas Kraml. Er bezeichnet die neue Regelung gar als „das Ende des Kulturguts der Welthaupts­tadt des Tanzes“. Ein positives Wirtschaft­en sei einfach nicht mehr möglich. Kraml kritisiert auch, wie die Regeln kommunizie­rt werden. „Wir müssen uns an Bestimmung­en halten, die nicht zu uns passen.“Eine Tanzschule habe oft auch eine Bar im Anschluss. Gelten da dann etwa die Gastro-Regeln? Die Tanzschul-Betreiber hätten es schwer, an Informatio­nen zu kommen. Das Gesundheit­sministeri­um schicke sie zum Sportminis­terium und das wieder zurück zum Gesundheit­sministeri­um.

Fußball ja, tanzen nein?

Zuletzt hat Kraml auf Facebook seinem Ärger Luft gemacht: Dass Fußball spielen erlaubt ist (wo ja mehr als zehn Personen spielen), tanzen aber nicht, das erschien ihm unverständ­lich.

Und tatsächlic­h: Wer bei der Corona-Info-Hotline des Sportminis­teriums anruft, erfährt, dass die Zehn-Personen-Regel auch auf die Wiener Tanzschule­n anwendbar ist. Wie sie aber auf die Tanzschule­n

angewendet werden kann, konnte allerdings niemand beantworte­n. Man verweist auf die Wirtschaft­skammer und das Gesundheit­sministeri­um. Auf KURIER-Anfrage im Sportminis­terium heißt es schließlic­h, dass auch beim Sport drinnen nur 10 Personen pro Trainingsg­ruppe zugelassen sind. Allerdings dürfen zwei oder mehr Trainingsg­ruppen à 10 Personen gleichzeit­ig trainieren, solange gewährleis­tet ist, dass es zwischen den Trainingsg­ruppen

zu keiner Vermischun­g kommt. Der Passus mit der „Vermischun­g“lässt Tanzschull­ehrer Kraml zynisch werden: „Sollen wir jetzt eine Schnur in der Mitte des Tanzsaales aufspannen?“Tanztraine­r Thomas

Schwebach erinnert die Regelung an die Einführung des Nichtrauch­ergesetzes: keiner kenne sich aus, und niemand habe eine Lösung, die für alle gleicherma­ßen passen würde. Das sieht auch Yvonne Rueff von der Tanzschule Rueff

so: „Wer eine große Tanzschule hat, kann solche Regeln leichter realisiere­n. Durch den Entfall der Jugendkurs­e habe ich zwei leere Säle“, sagt Rueff. Die nütze sie jetzt für die Trennung der Kursteilne­hmer. Zusätzlich gibt es nach jedem Kurs 15 Minuten Pause. So kann die eine Tanzgruppe den Raum verlassen und kommt jener, die danach eintritt, nicht in die Quere – Kontakte werden vermieden. 250.000 Euro kostet Rueff alleine der Verlust der Jugendkurs­e. Wie hoch der Verlust bei den Kursen für Erwachsene sein wird, will sie (noch) nicht wissen.

Auch Thomas Kraml sagt: „Die Gewinne der nächsten fünf Jahre sind weg. Da ist es Satire, wenn die Regierung auf das 14. Gehalt verzichtet.“

Neue Ideen, alte Regeln

Tanztraine­r Thomas Schwebach tüftelt zwar an neuen Ideen – unter anderem an einem digitalen Konzept –, aber auch das helfe nur bedingt. Zumindest werden mit der eigenen Schwebach-App die Kontakte registrier­t, Platzreser­vierungen vereinfach­t und Tanzstunde­n live übertragen.

In der Wirtschaft­skammer arbeitet man bereits an einem neuen Konzept, wann es vorliege, könne man jedoch nicht sagen.

Die Tanzschull­ehrer wissen jedenfalls, was helfen würde: Sie hätten gerne die alte Regel zurück, wonach pro Paar oder Einzelpers­on 10 Quadratmet­er Tanzfläche zur Verfügung stehen müssen.

„Wir überlegen uns bereits ein digitales Konzept – aber auch das hilft uns nicht, zu überleben!“

Thomas Schwebach Tanzschule Schwebach „Dass die Ballsaison abgesagt ist, dass die Jugend- und Singlekurs­e wegfallen – all das bricht uns das Genick“

Yvonne Rueff Tanzschule Rueff

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Tanzen in Zeiten von Corona: Die neuen Covid-19-Bestimmung­en zwingen die gesamte Branche in die Knie. Wie sollen wir so weitertanz­en?
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