„Jössas, die Josefstadt!“
Justiz. Das größte Gefängnis des Landes hat mit Krista Schipper eine neue Leiterin
Auf dem Schreibtisch liegt ein überdimensionaler, schwarzer Schlüssel aus Metall. Er war das Einstandsgeschenk für Krista Schipper als neue Leiterin der Justizanstalt Wien-Josefstadt. „Der ist in der hauseigenen Schlosserei gefertigt worden. Über den habe ich mich wirklich gefreut“, sagt sie.
Bereits seit 3. August leitet Schipper die größte Justizanstalt Österreichs (mit bis zu 1.200 Insassen). Von der Öffentlichkeit wurde das bisher nicht wahrgenommen – eine offizielle Amtseinführung ist wegen des Coronavirus noch nicht erfolgt.
Den KURIER empfängt sie zu ihrem ersten Interview in ihrem Büro. Es hat sich verändert. Der Raum wirkt freundlich und hell. Neue Farbe an den Wänden, neuer Boden, neue Möbel, LEDLampen. „Man kann auch mit kleinen Schritten etwas verändern“, sagt Schipper und fügt hinzu: „Das ist nicht nur mein Büro. Hier finden auch die Besprechungen statt.“
Problembau
Der erste Schritt für die seit Jahren geplante – und immer wieder aufgeschobene – Generalsanierung? Ein heikles Thema, das Schipper vorsichtig beantwortet: „Dass man so ein Haus nicht mehr bauen sollte, ist jedem klar. Aber ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Substanz hier noch länger leben.“
Den Maßstäben eines modernen Strafvollzugs entspricht das Haus längst nicht mehr (siehe auch Zusatzgeschichte rechts). Aktuell gibt es in der Josefstadt unter anderem 30 Quadratmeter große Großraumzellen für zehn Personen. Doch das ist – auch – den baulichen Verhältnissen geschuldet. „Dass kleine Einheiten sicher konstruktiver sind als ein Betonbau mitten in der Stadt – das wissen wir alle“, sagt Schipper. Die Juristin hat langjährige Erfahrung im Strafvollzug. Sie leitete unter anderem schon die Justizanstalten Feldkirch, Wien-Simmering und Wien-Favoriten. Doch die Josefstadt hat eigene Dimensionen. Auch, was die Probleme betrifft.
„Jeder sagt: Jössas, die Josefstadt!“, weiß Schipper selbst. „Dieser Stempel, den man jemandem oder einem Haus aufdrückt, der ist ja nur eine Wahrnehmung. Die wichtige Frage ist: Was passiert hinter den Kulissen?“Und da habe sie das große Engagement der Mitarbeiter und eine hohe Flexibilität gesehen. „Das hier ist ein krisenerprobtes Haus. Für mich war die Josefstadt kein Schreckgespenst.“
Nur zwei Bewerber
Dennoch ließ sich die 51-jährige gebürtige Grazerin mit ihrer Entscheidung, sich für den Leitungsposten zu bewerben, einige Monate Zeit. Schließlich setzte sie sich gegen ihren einzigen Mitbewerber durch. „Dass sich nur zwei Personen beworben haben, hat mich selbst überrascht“, sagt Schipper.
Doch warum bemüht man sich überhaupt um einen Job im Strafvollzug, der so wenig Prestige, dafür umso mehr Probleme bereit hält? „Es gibt eine Redensart: Wenn du einmal im Vollzug drin bist, dann bleibst du lang. Lebenslang“, sagt sie und lacht. Schipper ist nicht die Art Chefin, die mit ihrem Antritt alles Bestehende wegwischen will. Sie will darauf aufbauen. „ Ich komme mit einem völlig unverstellten Blick her.“
Zunächst will sie vor allem zuhören, um Prioritäten setzen zu können. Die ersten
Projekte hat sie für sich bereits gefunden – die Sanierung der Hafträume und eine Reduktion der Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter. Ihr Credo: „Mit Ruhe und Ausdauer kann man manchmal mehr verändern.“