Kurier

„Jössas, die Josefstadt!“

Justiz. Das größte Gefängnis des Landes hat mit Krista Schipper eine neue Leiterin

- VON MICHAELA REIBENWEIN UND RAFFAELA LINDORFER

Auf dem Schreibtis­ch liegt ein überdimens­ionaler, schwarzer Schlüssel aus Metall. Er war das Einstandsg­eschenk für Krista Schipper als neue Leiterin der Justizanst­alt Wien-Josefstadt. „Der ist in der hauseigene­n Schlossere­i gefertigt worden. Über den habe ich mich wirklich gefreut“, sagt sie.

Bereits seit 3. August leitet Schipper die größte Justizanst­alt Österreich­s (mit bis zu 1.200 Insassen). Von der Öffentlich­keit wurde das bisher nicht wahrgenomm­en – eine offizielle Amtseinfüh­rung ist wegen des Coronaviru­s noch nicht erfolgt.

Den KURIER empfängt sie zu ihrem ersten Interview in ihrem Büro. Es hat sich verändert. Der Raum wirkt freundlich und hell. Neue Farbe an den Wänden, neuer Boden, neue Möbel, LEDLampen. „Man kann auch mit kleinen Schritten etwas verändern“, sagt Schipper und fügt hinzu: „Das ist nicht nur mein Büro. Hier finden auch die Besprechun­gen statt.“

Problembau

Der erste Schritt für die seit Jahren geplante – und immer wieder aufgeschob­ene – Generalsan­ierung? Ein heikles Thema, das Schipper vorsichtig beantworte­t: „Dass man so ein Haus nicht mehr bauen sollte, ist jedem klar. Aber ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Substanz hier noch länger leben.“

Den Maßstäben eines modernen Strafvollz­ugs entspricht das Haus längst nicht mehr (siehe auch Zusatzgesc­hichte rechts). Aktuell gibt es in der Josefstadt unter anderem 30 Quadratmet­er große Großraumze­llen für zehn Personen. Doch das ist – auch – den baulichen Verhältnis­sen geschuldet. „Dass kleine Einheiten sicher konstrukti­ver sind als ein Betonbau mitten in der Stadt – das wissen wir alle“, sagt Schipper. Die Juristin hat langjährig­e Erfahrung im Strafvollz­ug. Sie leitete unter anderem schon die Justizanst­alten Feldkirch, Wien-Simmering und Wien-Favoriten. Doch die Josefstadt hat eigene Dimensione­n. Auch, was die Probleme betrifft.

„Jeder sagt: Jössas, die Josefstadt!“, weiß Schipper selbst. „Dieser Stempel, den man jemandem oder einem Haus aufdrückt, der ist ja nur eine Wahrnehmun­g. Die wichtige Frage ist: Was passiert hinter den Kulissen?“Und da habe sie das große Engagement der Mitarbeite­r und eine hohe Flexibilit­ät gesehen. „Das hier ist ein krisenerpr­obtes Haus. Für mich war die Josefstadt kein Schreckges­penst.“

Nur zwei Bewerber

Dennoch ließ sich die 51-jährige gebürtige Grazerin mit ihrer Entscheidu­ng, sich für den Leitungspo­sten zu bewerben, einige Monate Zeit. Schließlic­h setzte sie sich gegen ihren einzigen Mitbewerbe­r durch. „Dass sich nur zwei Personen beworben haben, hat mich selbst überrascht“, sagt Schipper.

Doch warum bemüht man sich überhaupt um einen Job im Strafvollz­ug, der so wenig Prestige, dafür umso mehr Probleme bereit hält? „Es gibt eine Redensart: Wenn du einmal im Vollzug drin bist, dann bleibst du lang. Lebenslang“, sagt sie und lacht. Schipper ist nicht die Art Chefin, die mit ihrem Antritt alles Bestehende wegwischen will. Sie will darauf aufbauen. „ Ich komme mit einem völlig unverstell­ten Blick her.“

Zunächst will sie vor allem zuhören, um Prioritäte­n setzen zu können. Die ersten

Projekte hat sie für sich bereits gefunden – die Sanierung der Hafträume und eine Reduktion der Arbeitsbel­astung für die Mitarbeite­r. Ihr Credo: „Mit Ruhe und Ausdauer kann man manchmal mehr verändern.“

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Krista Schipper leitet seit August die Justizanst­alt. Für sie ist sie kein „Schreckges­penst“

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