Kurier

Plädoyer für das Lockdown-Gesetz

- VON CHRISTIAN BÖHMER christian.boehmer@kurier.at / Twitter: @CHBOEHMER

Im Unterschie­d zu einer allumfasse­nden Ausgangssp­erre gibt es beim österreich­ischen Lockdown immer Ausnahmen

Herbert Kickl kann offenbar nicht anders. Weil ÖVP, Grüne und SPÖ heute, Mittwoch, neue CoronaGese­tze und dabei auch Bestimmung­en für einen Lockdown beschließe­n wollen, sprach der freiheitli­che Klubobmann allen Ernstes von einer „Corona-Rollkomman­do-Politik“und warnte vor einem „System der Corona-Blockwarte“.

Die abseitige Rhetorik des Freiheitli­chen verstellt den Blick auf eine bedeutsame Frage. Denn als vernunftbe­gabter Staatsbürg­er reagiert man auf das Reizwort „Ausgangsbe­schränkung“zu Recht sensibel und tendenziel­l ablehnend.

Mündige Wähler, die sich von ihrer Regierung wie Schafe zu Hause einsperren lassen? Das ist ein Widerspruc­h in sich.

Und dass die Regierung im Frühjahr einen Lockdown verhängt hat, den der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) teils „heben“musste, und bei dem die kommunizie­rten Regeln nicht dem entsprache­n, was letztlich in den Verordnung­en stand, vergrößert die Skepsis noch mehr.

Im vorliegend­en Fall ist sie aber letztlich unbegründe­t. Und das kann man wie folgt argumentie­ren:

Als die Regierung das Land im März in den ersten Lockdown geschickt hat, stützte sie sich dabei – vereinfach­t gesagt – auf unzureiche­nde Rechtsgrun­dlagen. In dem nun vorliegend­en Gesetz soll das behoben werden. Der Lockdown wird als solcher benannt und als „Ultima Ratio“in ein rechtlich enges Korsett gezwängt. Was ist damit gemeint?

Im Unterschie­d zu einer allumfasse­nden Ausgangssp­erre gibt es beim österreich­ischen Lockdown immer Ausnahmen (Gefahr für Leib und Leben, berufliche Zwecke, Aufenthalt im Freien zur körperlich­en und psychische­n Erholung etc.).

Der Lockdown ist zeitlich begrenzt – nämlich mit maximal zehn Tagen.

Und er darf nie ohne die Einbindung des Parlaments, konkret des Hauptaussc­husses, verhängt werden.

Dass der Gesundheit­sminister – wie von FPÖ und Neos kritisiert – das CovidMaßna­hmengesetz um bis zu sechs Monate verlängern kann, sehen – nebenbei bemerkt – weder Verfassung­sjuristen noch der VfGH als Problem. Derlei ist seit den 1980ern Beschlussl­age im Höchstgeri­cht.

Will man das Katastroph­en-Management der Regierung kritisiere­n, bieten sich dafür viele Gelegenhei­ten. Man denke an die Schulen – wo Eltern, Lehrer und Schüler bisweilen chaotische Zustände beklagen; man denke an offizielle Hotlines – wo heute tatsächlic­h jeder jemanden zu kennen scheint, bei dem Testung und/oder Ergebnis Tage oder gar Wochen überfällig waren.

Die neuen Corona-Gesetze sind im Vergleich dazu nicht das große Malheur, sie schaffen durchaus mehr Klarheit.

Natürlich sollte das selbstvers­tändlich sein. Aber was ist in einer Pandemie schon selbstvers­tändlich?

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