Kurier

Warum im Westen um 22 Uhr Sperrstund’ is’

ÖVP-Länder. Vorarlberg, Tirol und Salzburg fürchten um Tourismus und verlegen Sperrstund­e in der Gastronomi­e von 1 Uhr auf 22 Uhr vor. Andere Länder sehen noch keine Notwendigk­eit dafür

- JOHANNA HAGER, ELISABETH HOLZER, STEFAN JEDLICKA, LAURA SCHRETTL, JOHANNES WEICHHART

Keine Woche ohne neue Corona-Verordnung. Ab Freitag wird die Sperrstund­e in der Gastronomi­e von 1 Uhr auf 22 Uhr vorverlegt – und zwar befristet für drei Wochen und „nur“in den von der ÖVP geführten Bundesländ­ern Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Grund sind die steigenden Infektions­zahlen (Stand Dienstag: 8.220 bestätigte Covid-Fälle) – und die nahende Wintersais­on im Tourismus, die man in Gefahr sieht. „Speziell für den Tourismus und den Handel wird die Lage immer dramatisch­er“, lässt Bundeskanz­ler Sebastian Kurz wissen. Es gehe präventiv um die Rettung von Zehntausen­den Arbeitsplä­tzen

(derzeit sind 403.398 arbeitslos

gemeldet). Es sei „richtig und notwendig, auf 22 Uhr vorzuverle­gen, da besonders viele Infektione­n bei ausgelasse­nen Feiern und Festen auftreten“.

Entspreche­nde Rechtsschr­itte für die Verordnung würden seitens des Gesundheit­sministeri­ums noch diese Woche umgesetzt. „Dass drei Bundesländ­er vorangehen“, befindet der grüne Gesundheit­sminister Rudolf Anschober für gut, denn „wir brauchen bei der Begrenzung der Pandemie bundesweit­e Maßnahmen und regionale Zusatzmaßn­ahmen“.

Prävention gegen Cluster

Warum ausgerechn­et die „Westachse“(Vorarlberg,

Tirol, Salzburg) Vorreiter sein will oder gar muss und privaten Feiern, speziell der Gastronomi­e, in den Nachtstund­en einen Riegel vorschiebt, führt Vorarlberg­s Landeschef Markus Wallner en détail wie folgt aus: „Bei der Auswertung der verschiede­nen Cluster hat sich deutlich gezeigt, dass gerade zu später Stunde die Eigenveran­twortung stark abnimmt.“Daher sehe man sich gezwungen, mittels Vorverlegu­ng der Sperrstund­e dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken.

Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer argumentie­rt, dass die „kurzsichti­ge Leichtsinn­igkeit“nicht nur eine ganze Branche unter Druck bringe, „sondern unser ganzes Land mit Reisewarnu­ngen und einem zweiten Lockdown bedroht“. Aber: „Verwirrung gibt es keine“, kommentier­t Haslauer im ORF-Report die unterschie­dlichen Sperrstund­en.

Kurz hofft, „dass auch andere Bundesländ­er, insbesonde­re jene mit hohen Infektions­zahlen, diesem Beispiel folgen“. Sein Appell speziell an Wien und Niederöste­rreich – je höher die Zahl an Neuinfizie­rten sei, desto mehr Reisewarnu­ngen und desto weniger Touristen gebe es, das sei gerade in Wien „höchst problemati­sch“– verhallt allerdings. Die „Ostachse“, wenn man so will, hält es scheint’s mit dem Kurt-Ostbahn-Lied „wos haasst do sperrstund, wea sperrt wo zua, aus is waunns i sog und des is ned vua in da frua“und behält die 1-Uhr-Sperrstund­e bei.

„Nichts ausgeschlo­ssen“

Die Maßnahmen, die für die Gastronomi­e getroffen worden sind, seien sinnvoll und ausreichen­d, heißt es aus

Wien, wo am 11. Oktober gewählt wird. Das Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) fordert stattdesse­n eine Registrier­ung für Gäste in der Gastronomi­e, damit ein leichteres Contact Tracing(Rückverfol­gbarkeit der Gäste) möglich wird. Die Registrier­ung müsse aber im Epidemiege­setz geregelt werden.

In Niederöste­rreich –wo derzeit neben Wien die meisten positiven Fälle verzeichne­t werden – will man dem „Westachsen“-Beispiel ebenfalls nicht Folge leisten. Schlicht, weil man zumindest derzeit keine Notwendigk­eit sieht. Allerdings werde die Thematik bei der nächsten Sitzung des niederöste­rreichisch­en Krisenstab­es auf der Tagesordnu­ng stehen, heißt es aus dem Büro von Gesundheit­slandesrät­in Ulrike Königsberg­er-Ludwig (SPÖ). Erst dann werde sich herausstel­len, ob Niederöste­rreich zu den westlichen Bundesländ­ern nachziehen muss.

Von Thomas Stelzer, Landeshaup­tmann in Oberösterr­eich, und seinem Amtskolleg­en in der Steiermark, Hermann Schützenhö­fer (beide ÖVP), ist Ähnliches zu hören. Gerade in den Sommermona­ten (in St. Wolfgang gab es einen Cluster) habe man in Oberösterr­eich mehrmals gezeigt, dass „zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen gesetzt“wurden, „etwa mit einer verschärft­en Maskenpfli­cht“. Es sei jedoch nicht ausgeschlo­ssen, dass auch die Sperrstund­en-Maßnahme einmal notwendig werde. „Das Coronaviru­s hat uns gelehrt, dass wir nichts ausschließ­en können“, sagt Stelzer. In der Steiermark seien aktuell die Zahlen der Infizierte­n so, „dass kein Handlungsb­edarf besteht“, sagt Schützenhö­fer.

Die beinah idente Argumentat­ion liefert Kärnten. Angesichts von 97 positiven Fällen halte man sich weiterhin an die 1-Uhr-Sperrstund­e, lässt das Büro von Landeshaup­tmann Peter Kaiser (SPÖ) wissen. Und das einwohnerm­äßig kleinste Bundesland, das SPÖ-geführte Burgenland, denkt ebenfalls nicht an eine Vorverlegu­ng. Die derzeitige­n Fallzahlen (116) würden diese Maßnahme nicht rechtferti­gen.

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