Warum im Westen um 22 Uhr Sperrstund’ is’
ÖVP-Länder. Vorarlberg, Tirol und Salzburg fürchten um Tourismus und verlegen Sperrstunde in der Gastronomie von 1 Uhr auf 22 Uhr vor. Andere Länder sehen noch keine Notwendigkeit dafür
Keine Woche ohne neue Corona-Verordnung. Ab Freitag wird die Sperrstunde in der Gastronomie von 1 Uhr auf 22 Uhr vorverlegt – und zwar befristet für drei Wochen und „nur“in den von der ÖVP geführten Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Grund sind die steigenden Infektionszahlen (Stand Dienstag: 8.220 bestätigte Covid-Fälle) – und die nahende Wintersaison im Tourismus, die man in Gefahr sieht. „Speziell für den Tourismus und den Handel wird die Lage immer dramatischer“, lässt Bundeskanzler Sebastian Kurz wissen. Es gehe präventiv um die Rettung von Zehntausenden Arbeitsplätzen
(derzeit sind 403.398 arbeitslos
gemeldet). Es sei „richtig und notwendig, auf 22 Uhr vorzuverlegen, da besonders viele Infektionen bei ausgelassenen Feiern und Festen auftreten“.
Entsprechende Rechtsschritte für die Verordnung würden seitens des Gesundheitsministeriums noch diese Woche umgesetzt. „Dass drei Bundesländer vorangehen“, befindet der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober für gut, denn „wir brauchen bei der Begrenzung der Pandemie bundesweite Maßnahmen und regionale Zusatzmaßnahmen“.
Prävention gegen Cluster
Warum ausgerechnet die „Westachse“(Vorarlberg,
Tirol, Salzburg) Vorreiter sein will oder gar muss und privaten Feiern, speziell der Gastronomie, in den Nachtstunden einen Riegel vorschiebt, führt Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner en détail wie folgt aus: „Bei der Auswertung der verschiedenen Cluster hat sich deutlich gezeigt, dass gerade zu später Stunde die Eigenverantwortung stark abnimmt.“Daher sehe man sich gezwungen, mittels Vorverlegung der Sperrstunde dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer argumentiert, dass die „kurzsichtige Leichtsinnigkeit“nicht nur eine ganze Branche unter Druck bringe, „sondern unser ganzes Land mit Reisewarnungen und einem zweiten Lockdown bedroht“. Aber: „Verwirrung gibt es keine“, kommentiert Haslauer im ORF-Report die unterschiedlichen Sperrstunden.
Kurz hofft, „dass auch andere Bundesländer, insbesondere jene mit hohen Infektionszahlen, diesem Beispiel folgen“. Sein Appell speziell an Wien und Niederösterreich – je höher die Zahl an Neuinfizierten sei, desto mehr Reisewarnungen und desto weniger Touristen gebe es, das sei gerade in Wien „höchst problematisch“– verhallt allerdings. Die „Ostachse“, wenn man so will, hält es scheint’s mit dem Kurt-Ostbahn-Lied „wos haasst do sperrstund, wea sperrt wo zua, aus is waunns i sog und des is ned vua in da frua“und behält die 1-Uhr-Sperrstunde bei.
„Nichts ausgeschlossen“
Die Maßnahmen, die für die Gastronomie getroffen worden sind, seien sinnvoll und ausreichend, heißt es aus
Wien, wo am 11. Oktober gewählt wird. Das Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) fordert stattdessen eine Registrierung für Gäste in der Gastronomie, damit ein leichteres Contact Tracing(Rückverfolgbarkeit der Gäste) möglich wird. Die Registrierung müsse aber im Epidemiegesetz geregelt werden.
In Niederösterreich –wo derzeit neben Wien die meisten positiven Fälle verzeichnet werden – will man dem „Westachsen“-Beispiel ebenfalls nicht Folge leisten. Schlicht, weil man zumindest derzeit keine Notwendigkeit sieht. Allerdings werde die Thematik bei der nächsten Sitzung des niederösterreichischen Krisenstabes auf der Tagesordnung stehen, heißt es aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Erst dann werde sich herausstellen, ob Niederösterreich zu den westlichen Bundesländern nachziehen muss.
Von Thomas Stelzer, Landeshauptmann in Oberösterreich, und seinem Amtskollegen in der Steiermark, Hermann Schützenhöfer (beide ÖVP), ist Ähnliches zu hören. Gerade in den Sommermonaten (in St. Wolfgang gab es einen Cluster) habe man in Oberösterreich mehrmals gezeigt, dass „zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen gesetzt“wurden, „etwa mit einer verschärften Maskenpflicht“. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch die Sperrstunden-Maßnahme einmal notwendig werde. „Das Coronavirus hat uns gelehrt, dass wir nichts ausschließen können“, sagt Stelzer. In der Steiermark seien aktuell die Zahlen der Infizierten so, „dass kein Handlungsbedarf besteht“, sagt Schützenhöfer.
Die beinah idente Argumentation liefert Kärnten. Angesichts von 97 positiven Fällen halte man sich weiterhin an die 1-Uhr-Sperrstunde, lässt das Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) wissen. Und das einwohnermäßig kleinste Bundesland, das SPÖ-geführte Burgenland, denkt ebenfalls nicht an eine Vorverlegung. Die derzeitigen Fallzahlen (116) würden diese Maßnahme nicht rechtfertigen.