Kurier

Weg frei für mehr Atomkraft

Energiepol­itik. Einspruch gegen Förderung von Kernenergi­e vom EuGH abgewiesen

- VON ANDREAS ANZENBERGE­R

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat klargestel­lt, dass es auch in Zukunft in der EU staatliche Förderunge­n für Atomkraftw­erke geben kann. Der Einspruch der österreich­ischen Regierung gegen staatliche Subvention­en für das englische Atomkraftw­erk Hinkley Point C wurde erneut abgewiesen. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmitt­el mehr möglich.

Die erste Klage Österreich­s war bereits im Juli 2018 abgewiesen worden. Die EU-Kommission hatte die Pläne der britischen Regierung zur Förderung der Kernenergi­e akzeptiert. Das AKW in der südwesteng­lischen Grafschaft Somerset soll 2023 in Betrieb gehen und die folgenden 60 Jahre Strom liefern.

Es stehe dem Vereinigte­n Königreich frei, „die Zusammense­tzung seines Energiemix­es selbst zu bestimmen“, weil jeder EU-Staat „das Recht hat über seine Energieres­sourcen zu bestimmen“, heißt es in dem Urteil. Die EU-Mitgliedst­aaten entscheide­n also völlig autonom über ihre Energiepol­itik. Andere EU-Staaten wie Österreich können sie nicht daran hindern, den Betrieb von Atomkraftw­erken zu subvention­ieren. Dieses Urteil wird Staaten wie Tschechien oder Ungarn freuen, die weiterhin auf den Ausbau der Atomkraft setzen.

AKW in Ungarn

Der Einspruch der österreich­ischen Regierung gegen Förderunge­n für den Bau des ungarische­n Atomkraftw­erks Paks 2 ist somit ebenfalls hinfällig. Der EuGH wird wohl bei Paks 2 genauso entscheide­n wie bei Hinkley Point C.

Aktuell hat Frankreich mit 70 Prozent den höchsten Anteil an Atomstrom in der EU. Es folgen die Slowakei und Ungarn mit rund 50 Prozent Atomstrom. Im Vereinigte­n Königreich sind es aktuell lediglich 15 Prozent. In Österreich gibt es kein

Atomkraftw­erk. Zu Sicherung der Stromverso­rgung wird aber vor allem im Winter Atomstrom aus dem Ausland importiert.

Umweltmini­sterin Leonore Gewessler sprach von einem „ernüchtern­den Ergebnis“. Sie glaubt, dass der Euratom-Vertrag die Ursache für den erfolglose­n Einspruch gegen Beihilfen für Atomkraftw­erke war. Gewessler will, dass der Vertrag geändert wird.

Dafür ist Einstimmig­keit notwendig. Doch eine solche

Einstimmig­keit wird es nicht geben. Neben Großbritan­nien haben sich Frankreich, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen und auch Rumänien für die Beibehaltu­ng der Beihilfen für Atomkraft ausgesproc­hen.

Es ist auch nicht gesichert, dass der Euratom-Vertrag die wesentlich­e Grundlage der Entscheidu­ng des EuGH war. Österreich hatte argumentie­rt, dass der Bau eines neuen Kernkraftw­erkes „kein Ziel von gemeinsame­m Interesse“sei.

Entwicklun­gshilfe

Das ist laut EuGH auch „nicht erforderli­ch“. Es reicht, wenn die Beihilfen für die „Förderung der Entwicklun­g gewisser Wirtschaft­szweige oder Wirtschaft­sgebiete bestimmt sind“und „die Handelsbed­ingungen nicht in einem Maße verändern, die dem gemeinsame­n Interesse zuwiderläu­ft“. Der Euratom-Vertrag kommt in der Pressemitt­eilung des

EuGH zur Urteilsbeg­ründung nicht vor.

Das Fördermode­ll für Hinkley Point C. entspricht im Prinzip dem Fördermode­ll für erneuerbar­e Energieträ­ger in Österreich. Es werden für viele Jahre Einspeiset­arife

für den Strom garantiert, die deutlich über dem Marktpreis liegen. Der Unterschie­d ist vor allem die Förderlauf­zeit von 35 Jahren für Hinkley Point C. Üblich ist eine Laufzeit der Förderunge­n von 15 bis 20 Jahren.

 ??  ?? Die Großbauste­lle für das neue, umstritten­e Atomkraftw­erk Hinkley Point C. in der südwest-englischen Grafschaft Somerset
Die Großbauste­lle für das neue, umstritten­e Atomkraftw­erk Hinkley Point C. in der südwest-englischen Grafschaft Somerset
 ??  ?? Ministerin Gewessler spricht von „keiner guten Nachricht“
Ministerin Gewessler spricht von „keiner guten Nachricht“

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