Hand in Hand: Genuss und Herzgesundheit
Vorsorge. Das Risiko für Krankheiten zu vermeiden, bedeutet nicht gleich Verzicht. Im Gegenteil: Die Genussfähigkeit ist essenziell
Als Hausarzt hat Hans Gasperl über mehrere Generationen hinweg Familien betreut. Er erlebte die Eigenheiten ihrer Strukturen und lernte sie zu verstehen. Das Ergebnis: „Wohlbefinden stellt sich nur durch eigenständiges Denken und Handeln ein. Dies betone ich deshalb, weil ich immer wieder erfahren habe, dass diese Kompetenz unbewusst oder bewusst abgegeben wird“, sagt Gasperl, der weitläufig als Moderator der Servus-TV-Sendung „Einfach gut leben“bekannt ist.
Menschen lösen körperliche und psychische Beschwerden demnach gerne, indem sie diese zudecken – solange, bis nur noch Reparatur möglich ist. Statistiken zeigen: HerzKreislauf-Erkrankungen stellen in Österreich die häufigste Todesursache dar. Dank moderner Therapien steigen diese Zahlen nicht. Doch: „Gesundheit ist kein Geschäftsmodell, wo Produkte gekauft werden können, mit denen man runderneuert wie der Phönix aus der Asche steigt. Es scheint ein simpler Weg zu sein, Werbebotschaften wollen uns das glaubhaft machen. Nur ist diese Form der Gesunderhaltung eine Fehlkalkulation.“
Tipps für jedes Alter
In seinem neuen Buch gibt Gasperl Tipps, um sich von diesen Einflüssen freizuhalten. „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir denkende Lebewesen sind, die Entscheidungen selbstständig treffen dürfen. Ich bin kein Prediger, der sagt: Dieses oder jenes musst du tun, ansonsten hast du schlechte Karten. Mein Anliegen ist es, Menschen für ihr Wohlbefinden zu begeistern.“
Einen Teil des individuellen Gesundheitsschicksals legen Gene fest. Damit gibt es eine gewisse Vorbestimmung. Die naturgegebene Konstitution lässt sich durch körperliches und geistiges Training ausbauen. Gasperl setzt auf Regulationsmedizin: Temperatur, Blutdruck, Herzschlag, die Steuerung der Funktion jeder Körperzelle – alles hängt zusammen und wird geregelt, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Diesen Abläufen liegt ein Steuermechanismus zugrunde, den wir unterstützen oder stören können. Eine dauerhafte Störung führt schlimmstenfalls zu einem Schaden, der sich vom Körper nicht mehr ausgleichen lässt. Unsere Umwelt und Lebensweise sind Faktoren dieses Geschehens. „Ziel ist es, dem Körper die Chance geben, durch sein eigenes Regulationsgeschehen Gesundheit zu ermöglichen.“
Stress, unausgewogene Ernährung, Schlaf- und Bewegungsmangel – das sind die größten Risikofaktoren für das Herz. „Wir Menschen sind von Natur aus Bewegungswesen und sollten diese Eigenschaft nutzen und genießen. Wir führen so viele Argumente an, weshalb wir keine Zeit für sportliche Aktivitäten hätten – das Gegenteil wäre wünschenswert. Zweibis viermal wöchentlich eine halbe Stunde Sport betreiben müsste schon machbar sein. Allein die sich einstellenden Effekte sollten überzeugen.“
Herzarbeit fördern
Weil das Herz ein unermüdlich arbeitender Muskel ist, wird seine Muskulatur durch Bewegung aufgebaut und der Einbau von untätigem Bindegewebe gebremst. Durch die pulsierende Bewegung des Blutes wird auch die Muskulatur der Blutgefäße gefordert. Dies hat eine gefäßerweiternde Wirkung – der Gasaustausch des Blutes durch die Gefäßwände funktioniert besser. Durch regelmäßige Aktivität kann der Blutdruck sogar in ähnlichem Ausmaß gesenkt werden wie durch ein Blutdruckmedikament. Beispiele für Bewegung sind Wandern, Nordic Walking, Tanzen, Radfahren, Schwimmen oder Langlaufen. So kann jeder Mensch eine Aktivität finden, die ihm Spaß macht. Wer sich noch nie sportlich betätigt hat, könnte sich etwa als Start mit Freundinnen oder Freunden statt direkt im Kaffeehaus, auf einen flotten Spaziergang dorthin treffen. Auch kleine Schritte führen – bei kontinuierlicher Ausübung – zum Erfolg. Übrigens gilt die Regel: Was gut fürs Herz ist, ist gut fürs Hirn!
Essen – keine Verbote
„In der Ernährung gibt es keine Verbote“, betont Thomas Dorner vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien in seinem Buch über Bluthochdruck: „Wie immer kommt es auf die Menge und die Zusammensetzung an.“Die meisten Menschen konsumieren etwa zu viel Salz, deutlich mehr als die empfohlenen fünf Gramm pro Tag – was ungefähr der Menge eines Teelöffels entsprechen würde. „Rund ein Viertel aller Menschen reagiert besonders sensibel auf eine erhöhte Salzaufnahme. Das heißt, der Blutdruck steigt deutlich stärker als bei anderen Personen“, erklärt Dorner. Das Problem ist nicht das berühmte Nachsalzen, sondern der Salzanteil in den Fertigprodukten. „Grundsätzlich besteht eine gesunde Ernährung aus viel Gemüse und Obst und wenigen Tierprodukten. Je bunter ein Gericht ist, desto besser. Auch ausreichend Trinken ist wichtig.“Vor allem das in Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten enthaltene Kalium wirkt sich positiv aus. Es agiert als Gegenspieler von Natrium (in Salz enthalten).
Gasperl rät dazu, bewusst Essenspausen einzulegen, statt ständig zu Snacken. Und: „Zeit für den Genuss nehmen!“Denn Genussfähigkeit ist eine Ressource innerer Stärke. Wer Freude an den nahe liegenden Erfahrungen intensiviert und wertschätzt, fühlt sich auch gestärkt für die Herausforderungen des Alltags. Was uns zur dritten Säule der Gesundheitserhaltung führt: die Lebensordnung. „Wer an jedem freien Wochenende sofort wieder seine Koffer packt und unterwegs ist, erholt sich nicht. Dieser Anspruch, immer leisten zu müssen, erzeugt Druck. Wir müssen uns Zeit und Raum für Erholung und Ruhe geben.“
„Gesundheit ist nicht kaufbar. Ernährung, Bewegung und Lebensordnung sind drei Säulen, für die wir selbst Verantwortung übernehmen müssen“
Dr. Hans Gasperl, Buchautor & pensionierter Allgemeinmediziner