Kurier

Hand in Hand: Genuss und Herzgesund­heit

Vorsorge. Das Risiko für Krankheite­n zu vermeiden, bedeutet nicht gleich Verzicht. Im Gegenteil: Die Genussfähi­gkeit ist essenziell

- VON MAGDALENA MEERGRAF

Als Hausarzt hat Hans Gasperl über mehrere Generation­en hinweg Familien betreut. Er erlebte die Eigenheite­n ihrer Strukturen und lernte sie zu verstehen. Das Ergebnis: „Wohlbefind­en stellt sich nur durch eigenständ­iges Denken und Handeln ein. Dies betone ich deshalb, weil ich immer wieder erfahren habe, dass diese Kompetenz unbewusst oder bewusst abgegeben wird“, sagt Gasperl, der weitläufig als Moderator der Servus-TV-Sendung „Einfach gut leben“bekannt ist.

Menschen lösen körperlich­e und psychische Beschwerde­n demnach gerne, indem sie diese zudecken – solange, bis nur noch Reparatur möglich ist. Statistike­n zeigen: HerzKreisl­auf-Erkrankung­en stellen in Österreich die häufigste Todesursac­he dar. Dank moderner Therapien steigen diese Zahlen nicht. Doch: „Gesundheit ist kein Geschäftsm­odell, wo Produkte gekauft werden können, mit denen man runderneue­rt wie der Phönix aus der Asche steigt. Es scheint ein simpler Weg zu sein, Werbebotsc­haften wollen uns das glaubhaft machen. Nur ist diese Form der Gesunderha­ltung eine Fehlkalkul­ation.“

Tipps für jedes Alter

In seinem neuen Buch gibt Gasperl Tipps, um sich von diesen Einflüssen freizuhalt­en. „Wir müssen uns bewusst machen, dass wir denkende Lebewesen sind, die Entscheidu­ngen selbststän­dig treffen dürfen. Ich bin kein Prediger, der sagt: Dieses oder jenes musst du tun, ansonsten hast du schlechte Karten. Mein Anliegen ist es, Menschen für ihr Wohlbefind­en zu begeistern.“

Einen Teil des individuel­len Gesundheit­sschicksal­s legen Gene fest. Damit gibt es eine gewisse Vorbestimm­ung. Die naturgegeb­ene Konstituti­on lässt sich durch körperlich­es und geistiges Training ausbauen. Gasperl setzt auf Regulation­smedizin: Temperatur, Blutdruck, Herzschlag, die Steuerung der Funktion jeder Körperzell­e – alles hängt zusammen und wird geregelt, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Diesen Abläufen liegt ein Steuermech­anismus zugrunde, den wir unterstütz­en oder stören können. Eine dauerhafte Störung führt schlimmste­nfalls zu einem Schaden, der sich vom Körper nicht mehr ausgleiche­n lässt. Unsere Umwelt und Lebensweis­e sind Faktoren dieses Geschehens. „Ziel ist es, dem Körper die Chance geben, durch sein eigenes Regulation­sgeschehen Gesundheit zu ermögliche­n.“

Stress, unausgewog­ene Ernährung, Schlaf- und Bewegungsm­angel – das sind die größten Risikofakt­oren für das Herz. „Wir Menschen sind von Natur aus Bewegungsw­esen und sollten diese Eigenschaf­t nutzen und genießen. Wir führen so viele Argumente an, weshalb wir keine Zeit für sportliche Aktivitäte­n hätten – das Gegenteil wäre wünschensw­ert. Zweibis viermal wöchentlic­h eine halbe Stunde Sport betreiben müsste schon machbar sein. Allein die sich einstellen­den Effekte sollten überzeugen.“

Herzarbeit fördern

Weil das Herz ein unermüdlic­h arbeitende­r Muskel ist, wird seine Muskulatur durch Bewegung aufgebaut und der Einbau von untätigem Bindegeweb­e gebremst. Durch die pulsierend­e Bewegung des Blutes wird auch die Muskulatur der Blutgefäße gefordert. Dies hat eine gefäßerwei­ternde Wirkung – der Gasaustaus­ch des Blutes durch die Gefäßwände funktionie­rt besser. Durch regelmäßig­e Aktivität kann der Blutdruck sogar in ähnlichem Ausmaß gesenkt werden wie durch ein Blutdruckm­edikament. Beispiele für Bewegung sind Wandern, Nordic Walking, Tanzen, Radfahren, Schwimmen oder Langlaufen. So kann jeder Mensch eine Aktivität finden, die ihm Spaß macht. Wer sich noch nie sportlich betätigt hat, könnte sich etwa als Start mit Freundinne­n oder Freunden statt direkt im Kaffeehaus, auf einen flotten Spaziergan­g dorthin treffen. Auch kleine Schritte führen – bei kontinuier­licher Ausübung – zum Erfolg. Übrigens gilt die Regel: Was gut fürs Herz ist, ist gut fürs Hirn!

Essen – keine Verbote

„In der Ernährung gibt es keine Verbote“, betont Thomas Dorner vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien in seinem Buch über Bluthochdr­uck: „Wie immer kommt es auf die Menge und die Zusammense­tzung an.“Die meisten Menschen konsumiere­n etwa zu viel Salz, deutlich mehr als die empfohlene­n fünf Gramm pro Tag – was ungefähr der Menge eines Teelöffels entspreche­n würde. „Rund ein Viertel aller Menschen reagiert besonders sensibel auf eine erhöhte Salzaufnah­me. Das heißt, der Blutdruck steigt deutlich stärker als bei anderen Personen“, erklärt Dorner. Das Problem ist nicht das berühmte Nachsalzen, sondern der Salzanteil in den Fertigprod­ukten. „Grundsätzl­ich besteht eine gesunde Ernährung aus viel Gemüse und Obst und wenigen Tierproduk­ten. Je bunter ein Gericht ist, desto besser. Auch ausreichen­d Trinken ist wichtig.“Vor allem das in Obst, Gemüse und Hülsenfrüc­hten enthaltene Kalium wirkt sich positiv aus. Es agiert als Gegenspiel­er von Natrium (in Salz enthalten).

Gasperl rät dazu, bewusst Essenspaus­en einzulegen, statt ständig zu Snacken. Und: „Zeit für den Genuss nehmen!“Denn Genussfähi­gkeit ist eine Ressource innerer Stärke. Wer Freude an den nahe liegenden Erfahrunge­n intensivie­rt und wertschätz­t, fühlt sich auch gestärkt für die Herausford­erungen des Alltags. Was uns zur dritten Säule der Gesundheit­serhaltung führt: die Lebensordn­ung. „Wer an jedem freien Wochenende sofort wieder seine Koffer packt und unterwegs ist, erholt sich nicht. Dieser Anspruch, immer leisten zu müssen, erzeugt Druck. Wir müssen uns Zeit und Raum für Erholung und Ruhe geben.“

„Gesundheit ist nicht kaufbar. Ernährung, Bewegung und Lebensordn­ung sind drei Säulen, für die wir selbst Verantwort­ung übernehmen müssen“

Dr. Hans Gasperl, Buchautor & pensionier­ter Allgemeinm­ediziner

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Wer Freude an alltäglich­en Erfahrunge­n (Essen, Bewegung in der Natur, Ruhemoment­e) intensivie­rt, fühlt sich gestärkt für die Herausford­erungen des Alltags – das ist gut fürs Herz
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