Kurier

„Werden Ämter nicht annehmen“

Wahl. Neos-Chef Christoph Wiederkehr will regieren – den Job eines nicht amtsführen­den Stadtrats würde er ablehnen

- VON CHRISTOPH SCHWARZ UND ADRIAN ZERLAUTH

Neos-Chef. Christoph Wiederkehr will mitregiere­n. Einen Job als nicht-amtsführen­der Stadtrat würde er ablehnen.

Im Wahlkampf versuchen die Neos, sich in der politische­n Mitte zu positionie­ren. So wirklich vom Fleck kommen sie derzeit nicht.

KURIER: Die Neos haben bereits zwei Bezirksfun­ktionäre verloren. Erst Gregor Raidl im 1. Bezirk an die ÖVP, jetzt den Neubauer Klubchef an den grünen Bezirksvor­steher Markus Reiter. Wie schmerzhaf­t ist das? Christoph Wiederkehr: Nicht schmerzhaf­t. Stefan Magometsch­nigg wollte nicht mehr für uns ins Rennen gehen. In Wahlkämpfe­n ist es normal, dass Personen aufhören, politisch aktiv zu sein, oder das Lager wechseln. Magometsch­nigg möchte parteiunab­hängig im Bezirk mitarbeite­n. Das ist in Ordnung.

Rinnen die Neos in Richtung andere Parteien aus?

Nein. Vergangene­s Jahr hat der Klubobmann der Grünen in Penzing zu uns gewechselt. Und es unterstütz­en mich viele christlich-soziale, etwa Ferry Maier (ÖVPUrgeste­in und Ex-Nationalra­tsabgeordn­eter, Anm.). Wir schaffen es, Christlich-Soziale mit Gewissen anzusprech­en, und machen anständige Politik in der Mitte.

Beim Wahlprogra­mm der Neos hat man das Gefühl, dass Sie die Grünen kopieren. Sehen Sie da linkes Wählerpote­nzial?

Mit einer Kategorisi­erung bestimmter Themen kann ich nichts anfangen. Wie wir mit geflüchtet­en Kindern umgehen, das ist eine Frage der Menschlich­keit. Auch sichere Fahrradweg­e sind kein grünes Thema, sondern eines der Vernunft.

Laut Umfragen ist der Großteil der Wiener Bevölkerun­g gegen zusätzlich­e Radwege auf Kosten von Straßen.

Die Mehrheit der Wienerinne­n und Wiener ist für vernünftig­e und sichere Radwege – und nicht für grüne Popup-Lösungen, die nur bis zum Wahltag gedacht sind. Wir wollen Rad- und Schulwege sicherer machen. Ich bin mir sicher, dass sich eine Mehrheit dafür finden lässt.

Irgendwem müssten Sie im Gegenzug Platz wegnehmen, wohl den Autofahrer­n.

Es braucht vernünftig­e Lösungen, die im Idealfall Anreize für alle bieten.

Prognosen sagen, dass fast alle Parteien durch den Stimmen-Verlust der FPÖ dazugewinn­en werden. Nur die

Neos nicht. Warum ist das so?

In der aktuellen CoronaKris­e profitiere­n vor allem die Regierungs­parteien. Trotz der Krisen-Situation erhalten wir aber mehr Zuspruch als bei der vergangene­n Wahl.

Wie 2015 liegen sie trotzdem immer noch bei 6 Prozent.

Ich sehe Umfragen mit 7 Prozent. Unsere Themen finden Zuspruch, weil sich viele Menschen während der Corona-Krise von der Regierung im Stich gelassen fühlen. Ich bin mir sicher, dass wir im Oktober zulegen werden.

Stichwort Corona: Es ist durchaus ein ungewöhnli­cher Zugang für eine liberale Partei wie die Neos, mehr staatliche Hilfe zu fordern.

Es geht um treffsiche­re Hilfe. Wir haben eine Arbeitslos­enquote von mehr als 15 Prozent. Jetzt braucht es eine sinnvolle Wirtschaft­spolitik, um Betriebe schnell zu entlasten und Arbeitsplä­tze zu sichern. Wir haben in Wien viel zu hohe Steuern und Gebühren – die gehören jetzt weg.

Wie würden Sie „treffsiche­r“helfen?

Die vorhandene­n Mittel müssen ankommen. Nicht einmal zehn Prozent des Fixkostenz­uschusses sind bei den Unternehme­n gelandet.

Die Neos haben sich der SPÖ als Erster als Koalitions­partner angeboten, eine Zusammenar­beit mit der ÖVP aber abgelehnt.

Der Politik fehlt es an Klarheit, schon vor der Wahl zu sagen, was Sache ist. Die SPÖ wird Erster sein. Mir war es wichtig, zu sagen: Ja, wir wollen gestalten.

Die Neos wollen regieren und dabei sich selbst kontrollie­ren. Das passt nicht zu den Grundsätze­n der parlamenta­rischen Demokratie.

Der beste Weg zu gestalten und zu kontrollie­ren ist in einer Regierung. In einer solchen möchten wir dem Stadtrechn­ungshof mehr Kontrollre­chte

einräumen und sinnlose politische Posten wie zweiter Bezirksvor­steher-Stellvertr­eter abschaffen. In der Stadtregie­rung fehlt jemand, der in Sachen Transparen­z und Korruption­sbekämpfun­g etwas voranbring­en möchte. Die SPÖ setzt auf Freunderlw­irtschaft und die Grünen sind von Aufdeckern zu Zudeckern geworden.

Sie würden diese Posten also ablehnen, wenn die Neos welche bekommen würden?

Ja. Das ist eine Frage der Haltung. Wenn man die Posten kritisiert, soll man sie auch nicht annehmen. Ich habe eidesstatt­lich beim Notar beglaubigt, dass wir diese Posten nicht annehmen werden.

Sie haben sich unlängst als Bildungsst­adtrat angeboten. Was wäre Ihr erstes Projekt, das Sie umsetzen würden?

Jede Brennpunkt­schule soll einen Schulpsych­ologen und einen Sozialarbe­iter erhalten. Zudem würde ich verstärkt auf die Kindergärt­en schauen, denn die werden zu wenig beachtet.

Drei von zehn erwachsene­n Wienern dürfen nicht wählen. Braucht es eine Ausweitung des Wahlrechte­s?

Ich möchte, dass EU-Bürger das Wahlrecht für den Gemeindera­t erhalten. Das wären 200.000 Wahlberech­tigte mehr.

Was ist mit Nicht-EU-Bürgern, die in Wien eine große Gruppe sind? Wieso wollen Sie einem Franzosen mehr Wahlrecht zugestehen als etwa einem Türken?

Ich sehe den europäisch­en Einigungsp­rozess als einen der wichtigste­n der Menschheit.

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Neos-Frontmann Christoph Wiederkehr im KURIER-Stadtstudi­o
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KURIER-Wien-Chef Christoph Schwarz mit Christoph Wiederkehr

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