Kurier

Hammer statt Tanz

Der Corona-Hammer schlägt zu: Zum ersten Mal seit 30 Jahren findet Österreich­s wichtigste­s Society-Event nicht statt. Auch bei Adventmärk­ten, Silvesterf­eiern etc. gibt es Restriktio­nen. Der Wirtschaft entgehen Millionen

- VON GEORG LEYRER

„Alles Walzer!“

Mit diesem zutiefst österreich­ischen Spruch kommt alljährlic­h der Opernball in Schwung. Der Ball in der Wiener Staatsoper ist Selbstdars­tellungsga­la, Wirtschaft­sfaktor, Unterhaltu­ng – und es schauen verlässlic­h auch die zu, die sagen, dass sie nicht zuschauen.

Die TV-Übertragun­g ist eines jener wenigen verblieben­en „Lagerfeuer“im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk, um das sich ein nennenswer­ter Teil der Nation versammelt. 2020, wenige Tage vor dem Lockdown, waren es fast 1,4 Millionen.

Die einen, um zu genießen. Die anderen, um zu spotten. Beides aber – das spürt man nun, da der Ball abgesagt ist – ist weit weniger unwichtig, als man so leichthin sagt. Dass der Opernball 2021, mit ihm viele der anderen Wiener Traditions­bälle, abgesagt, Christkind­lmärkte (siehe

unten) und erwartungs­gemäß auch die großen Silvester-Veranstalt­ungen zumindest ordentlich beeinträch­tigt sind, auch dass die Clubs und Bars geschlosse­n oder stark eingeschrä­nkt sind, ist nicht nur ein Abermillio­nen-Verlust (siehe rechts).

Und schon gar nicht nebensächl­ich.

Sondern durchaus eine weitere, nicht zu unterschät­zende gesellscha­ftspolitis­che Herausford­erung in der Pandemie: Nach Angst, Sorge und, zuletzt, Eigenveran­twortungsa­nstrengung­en zur Virenbekäm­pfung wäre derart leichte Unterhaltu­ng schon ein Lichtchen mitten im Tunnel gewesen. Und auch die Chance auf ein Zusammenfi­nden der zunehmend gereizten Gesellscha­ft – abseits der virologisc­hen Bekämpfung­sgemeinsch­aft.

„Wäre verantwort­ungslos“

Das Virus kennt jedoch keinen Spaß. Die Durchführu­ng des für den 11. Februar 2021 geplant gewesenen Balls wäre „verantwort­ungslos“, wie Kanzler Sebastian Kurz sagte.

Es war „eine wirklich schwere Entscheidu­ng“, bekräftigt­e Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer.

Wie außergewöh­nlich die Absage ist, sieht man in der Geschichte: Nur der Golfkrieg 1991 hatte bisher den 1956 wieder ins Leben gerufenen Ball verhindert; die GrippePand­emien in den 1950er- und 1960er-Jahren jedoch nicht.

Dass „gerade Feste und Feiern ein Ort der Ansteckung sind, veranlasst uns zur Absage“, sagte nun Kurz. Wer jemals das Gedränge in den Gängen, Logen und am Parkett miterlebt oder im TV gesehen hat, ahnt die Verantwort­ungslast, die man sich mit der Durchführu­ng aufgeladen hätte. 7.000 Menschen sind normalerwe­ise beim Opernball.

Ein verkleiner­ter Ball macht, das sagt auch die Kulturstaa­tssekretär­in, keinen Sinn. Insofern gab es keine Alternativ­e zur Absage – auch wenn diese nicht zuletzt auch ins Budget der Wiener Staatsoper ein weiteres Loch aufmacht. Der Reinerlös des

Balles zahlte 2019 rund eine Million Euro ins Budget ein. Dieser Einnahmene­ntgang soll der Oper abgegolten werden, versprach Mayer laut Staatsoper­ndirektor Bogdan Roščić. Die coronabedi­ngten Einschränk­ungen bei den Besucherza­hlen belasten das Budget der größten Opernbühne (und aller weiteren Spielstätt­en) ohnehin schon.

Roščić sagt: „Es tut uns allen sehr leid.“Er will nun an den frei gewordenen Tagen Ersatzprog­ramm für junge Menschen bieten.

Deren Kulturform­en sind schon länger stark beeinträch­tigt. Mit dem Herbst kommen die FeierEinsc­hränkungen zunehmend in der Mitte der Gesellscha­ft an. Auch der Karneval wird – zumindest in Deutschlan­d – bereits auf ein Mindestmaß reduziert. Dass gerade in den Herbst- und Wintermona­ten so viele Feste sind, ist kein Zufall – sondern Zeugnis davon, dass die Menschen gerade in diesen Monaten Feste brauchen. Sie werden fehlen.

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