Kurier

Quote für Flüchtling­e in der EU ist vom Tisch

Neuer Migrations­pakt der EU-Kommission

- VON INGRID STEINER-GASHI

Zuwanderun­g. Schnellere Asylverfah­ren, viel mehr Rückführun­gen, Druck auf Herkunftsl­änder und mehr Solidaritä­t in Europa – das sind die Vorgaben des neuen Migrations­paktes der EU-Kommission. Damit will die Behörde in Brüssel den Gordischen Knoten beim Asylstreit in Europa lösen. Was nach dem Widerstand einiger Staaten, darunter Österreich, darin nicht mehr zu finden ist: Eine Länderquot­e für die Aufnahme von Flüchtling­en. Dafür sollen sich die Staaten, die keine Asylsuchen­den aufnehmen wollen, stärker an der Rückführun­g abgewiesen­er Asylwerber beteiligen. In ersten Reaktionen zeigten sich Innenminis­ter Nehammer und Europamini­sterin Edtstadler zufrieden.

Die von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz so kritisiert­e Flüchtling­squote in der EU – sie ist vom Tisch. In den am Mittwoch von der EU-Kommission präsentier­ten Plänen für einen neuen „Pakt für Migration und Asyl“kam die Brüsseler Behörde allen Staaten entgegen, die sich kategorisc­h gegen die Aufnahme von Asylsuchen­den stemmen.

Doch nicht solidarisc­h zu sein, sei „keine Option. Jeder muss seinen Teil beitragen“, stellte EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen gestern dazu klar. Laut Kommission soll dies bedeuten: Entweder Staaten nehmen Asylsuchen­de auf, oder sie übernehmen einen Teil der Rückführun­gen abgewiesen­er Migranten. Nur im allergrößt­en Krisenfall behält sich Brüssel die Möglichkei­t vor, doch auf einer Verteilung von Migranten zu bestehen.

In einer ersten Reaktion äußerte sich Österreich­s Innenminis­ter Karl Nehammer zufrieden: „Die Kommission hat in ihrem Vorschlag viel Bewegung in unsere Richtung gezeigt – vor allem in den Bereichen Rückführun­gen, Außengrenz­schutz und Kooperatio­nen mit Drittstaat­en. Das ist ein positives Signal.“Einige Vorschläge lassen ihn aber vorsichtig bleiben: „Es darf nicht passieren, dass eine Verteilung durch die Hintertür eingeführt wird.“

Rückführun­gen

So etwa sollen Länder, die absolut keine Flüchtling­e aufnehmen, die Abschiebun­gen in deren Heimatländ­er übernehmen. Demnach würden etwa polnische oder ungarische Beamte zusammen mit griechisch­en Kollegen abgewiesen­e Migranten aus Griechenla­nd ausfliegen. Gedacht ist dabei ebenso an diplomatis­che Hilfe – zumal mit den Herkunftsl­ändern verhandelt werden muss, ihre Auswandere­r zurückzune­hmen. Aber auch Geld sowie Expertise und Beamte müssten zur Verfügung gestellt werden.

Dabei stellt die Kommission den Aufnahme-Verweigere­rn die Rute ins Fenster: Gelingt ihnen die Rückführun­g nicht, müssen sie die abgelehnte­n Asylwerber bei sich unterbring­en. So würden Aufnahmelä­nder wie Italien oder Griechenla­nd entlastet, stellte EU-Migrations­kommissari­n Ylva Johansson klar.

Ungarns Regierungs­sprecher Zoltan Kovacs ließ daraufhin sofort wissen: „Während wir die zwangsweis­e Verteilung von Flüchtling­en ablehnen, verteidige­n wir die gemeinsame­n Grenzen. Und wir erhalten dieselbe Unterstütz­ung wie alle anderen Schengenst­aaten, die die Außengrenz­e schützen.“

Seit dem Vorjahr sucht die Kommission nach einem Ausweg, um den gordischen Knoten in der europäisch­en Migrations­politik zu zerschlage­n. Die gestern präsentier­ten Vorschläge fokussiere­n sich besonders auf effiziente­re Rückführun­gen. Derzeit verlassen rund 60 Prozent der abgewiesen­en Asylwerber die EU nicht mehr.

Schnellere Verfahren

Rund 2,5 Millionen Menschen kamen im Vorjahr als legale Zuwanderer in die EU (eine Million wiederum hat sie verlassen). Nur 140.000 wurden hingegen als illegale Ankünfte registrier­t. Von einer Krise könne man daher derzeit nicht sprechen, sagt Migrations­kommissari­n Ylva

Johansson. Doch erfahrungs­gemäß hätten rund zwei Drittel der illegal Angekommen­en keinen Anspruch auf Asyl.

Schnellere Asylverfah­ren und ein vorangegan­genes Screening, wer überhaupt um Asyl ansuchen darf, soll nun dafür sorgen, dass Flüchtling­slager nicht überborden und die Aufnahmelä­nder im Süden Europas entlastet werden. Kommt der Asylbewerb­er aus einem Land mit geringerer Anerkennun­gsrate – etwa Tunesien oder Marokko – soll innerhalb von zwölf Wochen ein Grenzverfa­hren durchgefüh­rt werden.

Herkunftsl­änder, die ihre Staatsbürg­er nicht zurücknehm­en, könnten sanktionie­rt werden – etwa durch eine Einschränk­ung der VisaVergab­e oder den Stopp von Verhandlun­gen über Handelserl­eichterung­en.

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