„Das war und ist ein Schuss ins Knie“
ServusTV. Doku ehrt 25 Jahre Privat-TV (21.10) und kritisiert die Politik
Für die einen waren sie „Piraten“, die der Staat zu verfolgen hatte, für viele andere hingegen Pioniere. Die Rede ist von den frühen Privatrundfunk-Machern im Österreich der 1990er-Jahre.
ServusTV nimmt die in Wien laufenden Medientage (siehe Artikel rechts) und das Startjahr des Vorläufer-Senders SalzburgTV sowie von Antenne Steiermark zum Anlass für eine spezielle Doku: „Piraten und Pioniere – Die abenteuerliche Geschichte des privaten Rundfunks in Österreich“(21.10) erzählt, wie die Medienpolitik Österreich bewusst zum Schlusslicht Europas machte. Zu Wort kommen u. a. ORFChef Alexander Wrabetz, Alfred Grinschgl (vorm. Antenne Steiermark), Ex-KURIERChefredakteur und RadioMacher Franz Ferdinand Wolf und nicht zuletzt Ferdinand Wegscheider.
Existenzbedrohung
Ein „unrundes Jubiläum“nennt SalzburgTV-Gründer und ServusTV-Intendant Wegscheider diese 25 Jahre Privat-TV. Wann wer wo wie begonnen hat – stets verfolgt von der Fernmeldebehörde – lässt sich nicht mehr so genau sagen. Es ist heute unvorstellbar, was in Österreich mit den TV-Machern getrieben wurde, während in Deutschland seit 1984 Privatsender aktiv waren: Bis Mitte der 1990er war Österreichern das Senden von Bewegtbild im Kabel bei Strafe verboten und noch länger TV-Werbung; erst 2001 wurde, als letztes Land Europas, über Hausantenne empfangbares Privat-TV erlaubt.
„Für uns alle in dieser Szene war das existenzbedrohend, wir waren ja wirtschaftlich von einem baldigen Start abhängig. Ich stand damals in einem Ausmaß bis zu 11 Millionen Schilling in der Haftung“, erzählt Wegscheider
dem KURIER. Der Politik war das ebenso egal wie eine Verurteilung der Republik durch den Menschenrechtsgerichtshof 1993. „Die Geschichte des Privat-Rundfunks in Österreich, dazu gehört auch der Murks ums Privatradio, war nicht nur ein medienpolitischer Skandal, der von den damaligen Regierungsparteien über Jahre begangen wurde. Man wollte den ORF schützen, um ihn für die eigenen Zwecke weiter nützen können“, meint der 60-Jährige.
Kein Kindergarten
Beim ORF sah man sich hingegen als Kultur-Hüter, der Krieg wurde hart geführt. „Das war ein Konkurrenzverhältnis und kein Kindergarten“, sagt Salzburgs früherer
ORF-Landesdirektor Fritz Urban in der Doku. Auch bei Werbekunden und Veranstaltern wurde intrigiert.
Wegscheider sorgte mit Aktionen für Aufmerksamkeit. Höhepunkt war ein Hungerstreik. Medial wurde das im fernen Wien wahrgenommen. In Salzburg war der Zugang so: „Wenn er stirbt, dann berichten wir.
Davor nicht“, so Urban.
Nicht umzubringen war der Schmäh. Bei einem EUGipfel vermittelte Landeshauptmann Franz Schausberger ein Treffen mit Medien-Tycoon und Premier‚ Silvio Berlusconi. „Ich hab’ um eine Widmung gebeten und dafür einfach das Tagungspapier hingehalten. Das haben wir mitgefilmt. Im Programm haben wir es mit Augenzwinkern so verkauft, als hätten wir Vorverträge unterschrieben – und nicht wenige haben es geglaubt.“
Wegscheiders Resümee der heimischen Medienpolitik in Österreich klingt weniger amüsant. „Es war und ist ein Schuss ins eigene Knie.“Man habe hoch qualifizierte Menschen zur Abwanderung getrieben, Hunderte, wenn nicht Tausende MedienArbeitsplätze noch vor Entstehung vernichtet. Wegscheider ortet weiter „eine extreme strukturelle Schieflage“in Österreich, für die er nur eine Lösung sieht: „Der ORF gehört gesundgeschrumpft.“
Das ganze Interview mit Ferdinand Wegscheider finden Sie unter kurier.at/medien