Ice Bucket Challenge: erste Resultate
Die Spenden brachten einen Schub für die ALS-Forschung
Vor sechs Jahren wollte jeder Prominente bei der Ice Bucket Challenge teilnehmen. Von Charly Sheen bis Helene Fischer schüttete man sich Eiswürfel über den Kopf und sammelte nebenbei Geld für eine gute Sache – die eher zur Nebensache mutierte. Dennoch wurden weltweit über 100 Millionen Euro gesammelt. Die Challenge wurde vielfach kritisiert, weil sie kaum zählbare Ergebnisse gebracht hat. Denn Ziel der Sache war es, ein Medikament gegen die unheilbare Krankheit ALS zu finden.
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist bekannt vor allem durch den Physiker Stephen Hawking. Nach einer entsprechenden Diagnose beträgt die mittlere Lebenserwartung drei Jahre (siehe Kasten rechts). Nun meldet eine US-Pharmafirma einen möglichen Durchbruch, der mit diesen Geldern finanziert worden ist. Das Medikament AMX0035 habe in einer Phase-2-Studie signifikante Verbesserungen erbracht, der Fortschritt der Krankheit wurde dadurch verlangsamt. Ob es auch die Lebenszeit verlängert, ist noch umstritten.
Streit um Zulassung
Jedenfalls gab es kein vermehrtes Auftreten schwerer Nebenwirkungen. Die amerikanische ALS-Association fordert deshalb eine sofortige Markteinführung, ohne auf eine Phase-3-Studie zu warten. Der Prozess zur Einführung könne so von vier Jahren auf eines verkürzt werden. Die meisten Patienten würden bis dahin sonst schlichtweg nicht überleben. Eine Petition wurde innerhalb weniger Tage 40.000mal unterschrieben.
Hakan Cetin, Neurologe und ALS-Forscher am Wiener AKH / MedUni Wien, meint im KURIER-Gespräch, dass das Medikament Potenzial habe, allerdings haben bei ALS andere derartige Arzneien in der Phase 2 ähnliche Erfolge versprochen, die in der Phase 3 nicht gehalten wurden. Außerdem würde AMX0035 keine Auswirkungen auf die überlebenswichtige Lungenfunktion haben bzw. die Überlebenszeit verlängern.
Cetin hält daher die Durchführung von Phase-3Studien für essenziell. Für einen Nachweis der Wirksamkeit müsste AMX0035 auch über einen längeren Zeitraum und an mehr Patienten beobachtet werden, auch, um das Nebenwirkungsprofil besser einschätzen zu können. Die funktionelle Verbesserung – die Lebensqualität erhöht sich, die Symptome werden merkbar gelindert – bei AMX0035 sei zwar „relevant“, für eine endgültige Bewertung sei es aber derzeit noch „zu früh“.
„Die Ice Bucket Challenge, so lächerlich sie teilweise war, hat jedenfalls viele Forschungsgelder ermöglicht“, sagt Cetin. Derzeit gebe es noch andere vielversprechende Medikamente, im Dezember etwa werden die
Ergebnisse einer Stammzellen-Therapie erwartet. Auch im AKH werde demnächst mit einer Phase-3-Studie begonnen. Doch „durch Corona kommt es derzeit zu Verzögerungen“, da enorm viele Ressourcen im medizinischen Bereich dafür gebunden sind. Die US-Pharmafirma Amylyx betont gegenüber dem KURIER, dass derzeit Gespräche laufen – auch mit den europäischen Behörden –, ob eine Markteinführung möglich wäre: „Wir wollen keinen einzigen Tag verschwenden.“
Für den Erfinder der Ice Bucket Challenge kommt alles jedenfalls zu spät: Der Baseballspieler Pete Frates starb im vergangenen Dezember an den Folgen der ALS.