Dev Patel als David Copperfield
In einer witzigen Neuverfilmung des Dickens-Klassikers
David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück. GB/USA 2019. 119 Min. Von A. Iannucci. Mit Dev Patel. KURIER-Wertung:
Wer Charles Dickens hört, denkt an „Oliver Twist“, düsteren Sozialrealismus und melancholische Literaturverfilmung. Doch weit gefehlt, wenn es sich um die Adaption von Dickens’ Meisterwerk „David Copperfield“unter der Regie von Satiriker Armando Iannucci handelt.
Der schottische Regisseur, Film- und Fernsehproduzent mit italienischen Wurzeln lancierte preisgekrönte Comedy-Formate wie „The Thick of It“und dessen US-Remake „Veep“. Im Kino knöpfte er sich zuletzt „The Death of Stalin“(2017) vor und landete damit eine der witzigsten und bösartigsten Begräbnisfilme, die man sich vorstellen kann.
Dass sich Iannucci als nächstes Kinoprojekt ausgerechnet Dickens’ autobiografisch gefärbten Bildungsroman vorknöpfen würde, war nicht abzusehen. Weit weniger verbiestert als „The Death of Stalin“, aber sehr lustig, lässt er das bewegte Schicksal des frühverwaisten Copperfield als Quell guter
Laune und skurriler Komik sprudeln. Zudem überrascht er mit einer exquisiten Besetzung, die von Dickens’ weißem England nicht viel übrig lässt und stattdessen ein beschwingtes, multikulturelles Ensemble bereithält.
Holländischer Käse
Dev Patel, der Brit-Star aus „Slumdog Millionär“, legt seine Rolle als treuherziger David Copperfield wie eine einzige Charmeoffensive durch die eigene Biografie an. Mit unwiderstehlichem Elan erzählt uns Copperfield von seiner Geburt, den frühen glücklichen Kinderjahren
und schließlich der Neuvermählung seiner verwitweten Mutter. Schon zieht der Stiefvater mitsamt seiner muffigen Schwester ein, deren Gesicht aussieht „wie holländischer Käse“.
Der neue Mann im Haus schwingt die Peitsche, um dem kleinen Copperfield Manieren beizubringen, stolpert aber zuerst einmal über den gefüllten Nachttopf, ehe er zur Tat schreiten kann. Selbst grausame Details wie prügelnde Erziehungsberechtigte spickt Iannucci mit kleinen Absurditäten und hält dadurch die Laune hoch.
Copperfield selbst lässt sich durch keinerlei Bösartigkeiten von seinem heiter-komischen Weltbild abbringen und verwandelt seine Beobachtungen in treffliche Wortwitze.
Zudem ist er verliebt: Gerade wieder zu Geld gekommen, umschwärmt er eine Blondine mit Korkenzieherlocken, die nicht gerade von des Gedankens Blässe angekränkelt ist. Von Copperfields gewitzten Bemerkungen versteht sie keine einzige, hält dafür aber mit Vorliebe ihr Schoßhündchen auf Wangenhöhe und macht mit dessen Pfote winke, winke. Tilda Swinton als Copperfields
verrückte Tante ist eine zuverlässige Humorspenderin, egal, ob sie harmlose Esel von ihrem Rasen tritt oder mit ihrem Cousin kommuniziert: Dieser verwechselt sich mit dem enthaupteten König Charles und muss gelegentlich überprüfen, ob der Kopf noch sitzt.
Die historischen Kostüme bestechen durch Pointiertheit, nicht durch Übertreibung und garantieren einen bunten Bilderfluss, den Armando Iannuci fröhlich vor sich hertreibt. Der Schluss kommt dann zwar etwas abrupt, aber das Happy End gilt für (fast) alle, sogar für Esel.