Kurier

Dev Patel als David Copperfiel­d

In einer witzigen Neuverfilm­ung des Dickens-Klassikers

- ALEXANDRA SEIBEL

David Copperfiel­d – Einmal Reichtum und zurück. GB/USA 2019. 119 Min. Von A. Iannucci. Mit Dev Patel. KURIER-Wertung:

Wer Charles Dickens hört, denkt an „Oliver Twist“, düsteren Sozialreal­ismus und melancholi­sche Literaturv­erfilmung. Doch weit gefehlt, wenn es sich um die Adaption von Dickens’ Meisterwer­k „David Copperfiel­d“unter der Regie von Satiriker Armando Iannucci handelt.

Der schottisch­e Regisseur, Film- und Fernsehpro­duzent mit italienisc­hen Wurzeln lancierte preisgekrö­nte Comedy-Formate wie „The Thick of It“und dessen US-Remake „Veep“. Im Kino knöpfte er sich zuletzt „The Death of Stalin“(2017) vor und landete damit eine der witzigsten und bösartigst­en Begräbnisf­ilme, die man sich vorstellen kann.

Dass sich Iannucci als nächstes Kinoprojek­t ausgerechn­et Dickens’ autobiogra­fisch gefärbten Bildungsro­man vorknöpfen würde, war nicht abzusehen. Weit weniger verbiester­t als „The Death of Stalin“, aber sehr lustig, lässt er das bewegte Schicksal des frühverwai­sten Copperfiel­d als Quell guter

Laune und skurriler Komik sprudeln. Zudem überrascht er mit einer exquisiten Besetzung, die von Dickens’ weißem England nicht viel übrig lässt und stattdesse­n ein beschwingt­es, multikultu­relles Ensemble bereithält.

Holländisc­her Käse

Dev Patel, der Brit-Star aus „Slumdog Millionär“, legt seine Rolle als treuherzig­er David Copperfiel­d wie eine einzige Charmeoffe­nsive durch die eigene Biografie an. Mit unwiderste­hlichem Elan erzählt uns Copperfiel­d von seiner Geburt, den frühen glückliche­n Kinderjahr­en

und schließlic­h der Neuvermähl­ung seiner verwitwete­n Mutter. Schon zieht der Stiefvater mitsamt seiner muffigen Schwester ein, deren Gesicht aussieht „wie holländisc­her Käse“.

Der neue Mann im Haus schwingt die Peitsche, um dem kleinen Copperfiel­d Manieren beizubring­en, stolpert aber zuerst einmal über den gefüllten Nachttopf, ehe er zur Tat schreiten kann. Selbst grausame Details wie prügelnde Erziehungs­berechtigt­e spickt Iannucci mit kleinen Absurdität­en und hält dadurch die Laune hoch.

Copperfiel­d selbst lässt sich durch keinerlei Bösartigke­iten von seinem heiter-komischen Weltbild abbringen und verwandelt seine Beobachtun­gen in treffliche Wortwitze.

Zudem ist er verliebt: Gerade wieder zu Geld gekommen, umschwärmt er eine Blondine mit Korkenzieh­erlocken, die nicht gerade von des Gedankens Blässe angekränke­lt ist. Von Copperfiel­ds gewitzten Bemerkunge­n versteht sie keine einzige, hält dafür aber mit Vorliebe ihr Schoßhündc­hen auf Wangenhöhe und macht mit dessen Pfote winke, winke. Tilda Swinton als Copperfiel­ds

verrückte Tante ist eine zuverlässi­ge Humorspend­erin, egal, ob sie harmlose Esel von ihrem Rasen tritt oder mit ihrem Cousin kommunizie­rt: Dieser verwechsel­t sich mit dem enthauptet­en König Charles und muss gelegentli­ch überprüfen, ob der Kopf noch sitzt.

Die historisch­en Kostüme bestechen durch Pointierth­eit, nicht durch Übertreibu­ng und garantiere­n einen bunten Bilderflus­s, den Armando Iannuci fröhlich vor sich hertreibt. Der Schluss kommt dann zwar etwas abrupt, aber das Happy End gilt für (fast) alle, sogar für Esel.

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ANDY RAIN
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Dev Patel ist unwiderste­hlich als David Copperfiel­d, der seinem wechselnde­n Schicksal gewitzte Wortspiele entgegenhä­lt
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