Zweiter Lockdown in Lombardei
Sperren und Quarantäne bis Dezember. Die Einwohner halten sich zwar an die Vorschriften, doch Unmut und Unverständnis wachsen
Ab heute gilt für die norditalienische Lombardei wie auch für die Regionen Piemont, das Aostatal und Kalabrien wieder die komplette Ausgangssperre. Alle Geschäfte, ausgenommen Lebensmittel, Apotheken und wenige andere, müssen wieder schließen. Die Kindergärten bleiben offen und Präsenz-Unterricht gibt es bis zur 6. Klasse.
Die Zahl der Neuinfizierten in der Lombardei lag am Mittwoch bei 7.758, alleine 3.613 davon in Mailand. Hinzu kamen 96 Todesfälle. Das lombardische Gesundheitssystem steht unter Druck. Die Hausärzte sind überfordert, die Gesundheitsämter auch, 40 Prozent der Betten in den Intensivstationen sind mittlerweile von 507 Patienten belegt. Seit Tagen forderten Virologen und Krankenhausärzte, in der Lombardei alles herunterzufahren, denn die Schließung aller Gaststätten um 18 Uhr und die Ausgangssperre ab 22 Uhr seien nicht genug.
Ohrfeige
Dagegen wehrte sich der Lega-Politiker und Präsident der Region, Attilio Fontana, bis zuletzt. Den Lockdown bezeichnete er als „Ohrfeige“. Mit der Begründung, der vom Gesundheitsministerium angegebene Reproduktionsfaktor von 2,09 (so viele Menschen steckt ein Infizierter an) beziehe sich auf den Zeitraum vom 19. bis 25. Oktober, mittlerweile sei dieser aber auf 1,7 gesunken.
Die Präsidenten der „roten Regionen“kritisierten, dass sie von der Regierung über den Lockdown-Beschluss nicht informiert worden seien. „In Kalabrien werden mit diesem Lockdown die Menschen verhungern“, protestierte der Interimspräsident der süditalienischen Region Kalabrien, Nino Spirli.
Tatsache ist, dass es, anders als im Frühjahr, mittlerweile in Mailand fast niemanden gibt, der nicht Verwandte, Freunde oder Nachbarn hat, die sich mit dem Virus angesteckt haben, ohne sagen zu können, wann und wo.
Anders als im Frühjahr spürt man auch den wachsenden Unmut, weil viele Menschen kein Geld mehr haben. Die Nerven liegen blank.
Alle tragen gewissenhaft Mundschutz, halten Abstand, manche sind fast schon neurotisch, und so kommt es immer wieder zu kleinen Auseinandersetzungen unter Leuten, die in der Schlange stehen und einander zu nahe kommen.
Emanuela, 40 Jahre alt, geschieden, zwei Kinder im Schulalter, ist Inhaberin eines Kosmetiksalons. „Ich habe alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die Kabinen werden nach jeder Kundin desinfiziert, ich trage Mundschutz und ein Visier. Warum muss ich schließen und die Friseure dürfen weiter arbeiten?“, fragt sie.
Davide, um die 30, hat mit seiner Lebensgefährtin Margherita erst vor ein paar
Jahren eine kleine Konditorei übernommen. Er blättert in einem Stapel Zeitungen: „Da sind seitenweise Artikeln, aber nicht einer, der mir klar und deutlich sagt, ob wir, da wir keine Tische haben, zumindest ausliefern können. Das ist frustrierend.“
Und dann ist da noch Mario, der Chinese, der zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen ein Café führt: Seit Tagen fragt er die Gäste, „und schließen sie jetzt alles oder nicht? Das ist doch ein Chaos, man müsste so streng wie bei uns in China vorgehen.“
Aber was soll’s. Geschäftsleute und Unternehmer bereiten sich wieder auf eine lange
Lockdown
In der Lombardei, in Piemont, im Aostatal und in Kalabrien wird die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Dagegen gibt es heftigen Widerstand
Rote Zonen Niemand darf sein Gebiet verlassen. Nur Apotheken und Lebensmittelhandel sowie Schulen bis zur 6. Klassen sind geöffnet
Staatshilfe für Unternehmer
Das halten viele für eine Farce. Besonders hart trifft es die Modebranche. Der Einnahmenrückgang beträgt bis Ende des Jahres 29 Milliarden Euro. Taxifahrer klagen, dass sie kein Geld für Benzin haben. Sie protestieren
Durststrecke vor. Aber wie lange sie dauern wird, weiß niemand. Eventuell bis 3. Dezember. An die Versprechungen der Regierung, dass alle eine rasche Entschädigung bekommen werden, glaubt niemand. Zwei Milliarden Euro werden vorgesehen.
Manuela vom Kosmetiksalon erzählt, sie habe bis jetzt einmal 1.200 Euro bekommen „und zwar im August für den ersten Lockdown“. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Regierung auf unsere Ersparnisse verlässt, doch meine Ersparnisse sind jetzt weg“, sagt der Restaurantbesitzer Andrea. Es wird wieder still in der Stadt, und das ist für alle maßlos bedrückend.
Die dritte Corona-Teststraße Wiens soll im Westen der Stadt angesiedelt werden. Das gab ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Donnerstag bekannt. Derzeit prüfe man mehrere Standorte, vor allem entlang der Achse des Wientals, hieß es. Eine Umsetzung ist bis Anfang Dezember geplant. Teststraßen stehen bereits beim HappelStadion und auf der Donauinsel zur Verfügung. Hacker selbst appellierte an alle Wienerinnen und Wiener, die in den Herbstferien im In- oder Ausland auf Urlaub waren, diese Teststraßen auch zu nutzen. „Selbst wenn es nur ein Kurzurlaub in der Weinstraße war, macht es Sinn, sich testen zu lassen“, sagte er.
Vorarlberg setzt nun auf digitale Erstinformation Das Land Vorarlberg fordert positiv auf das Coronavirus getestete Personen ab sofort auf digitalem Weg zur Absonderung auf. Auch unmittelbare Kontaktpersonen werden via SMS oder eMail informiert, teilte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) mit. „Durch die Umstellung auf digitale Übermittlung können Erkrankte und enge Kontakte raschestmöglich erreicht werden“, stellte sie fest. Das trage hoffentlich zur schnellen Unterbrechung der Infektionsketten bei, so Rüscher. Erkrankten werde in der digitalen Erstinformation ihr positives Testergebnis mitgeteilt – verbunden mit der dringenden Aufforderung, ab sofort zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte zu vermeiden. Die Aufforderung gelte dabei auch für im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, so die Landesrätin.
NÖ: Neue Covid-19-Fälle in Landeskliniken
In Niederösterreichs Landeskliniken sind am Donnerstagneue Corona-Fälle aufgetaucht. Betroffen sind nach Angaben aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Ulrike KönigsbergerLudwig (SPÖ) drei Patienten in Allentsteig (Bezirk Zwettl) und drei Mitarbeiter in Horn. Ein Screening des Personals am Standort in Allentsteig wurde in Aussicht gestellt. Im Zusammenhang mit dem Pflegeund Betreuungszentrum in St. Peter in der Au (Bezirk Amstetten) stieg die Zahl der Erkrankten auf 83.
Coronavirus: Patientin nach 70 Tagen infektiös Ein Team von Ärzten und Wissenschaftern berichtet von einem außergewöhnlichen Krankheitsverlauf: Eine an Leukämie leidende Frau war auch 70 Tage nach ihrer asymptomatischen Corona-Erkrankung noch infektiös. Auch wenn es sich bisher um einen Einzelfall handelt: Es könnte sein, dass Personen mit einem geschwächten Immunsystem auch sehr lange Zeit nach ihrer Infektion noch ansteckend sein können, weil ihr Körper keine Immunantwort aufbauen kann. Dies gelte es nun weiter zu beobachten.