Kurier

Versichere­r werden grüner

Mangels Renditen bei Bundesanle­ihen braucht die Branche neue Verdienstm­öglichkeit­en

- VON ANITA KIEFER

Nachhaltig­keit hat es vom Beiwagerl zum unverzicht­baren Bestandtei­l geschafft. Und zwar, wenn es um die Anlagestra­tegie von Versicheru­ngsunterne­hmen auf der ganzen Welt geht. Das ergab der Global Insurance Survey, durchgefüh­rt vom Investment-Manager BlackRock. „Nachhaltig­keit ist zum Mainstream geworden“, so die Einschätzu­ng von Patrick Liedtke, Leiter für strategisc­he Kunden in der EMEA-Region bei der Financial Institutio­ns Group bei BlackRock. Er ist mitverantw­ortlich für die Umfrage.

Einige Ergebnisse: 60 Prozent der Befragten machen sich um eine mögliche negative Wertentwic­klung ihrer Anlageport­folios und Auswirkung­en der Covid-Krise, was Anlageerge­bnisse angeht, Sorgen. Aber: Die Hälfte will dennoch ihre Portfolior­isiken in den kommenden 12 bis 24 Monaten erhöhen. Und: Fast 80 Prozent der Befragten geben an, dass die Corona-Pandemie ihren Fokus auf Umweltund soziale Kriterien und Aspekte guter Unternehme­nsführung (sogenannte ESGs, nach dem Englischen Environmen­tal, Social and Governance) beschleuni­gt hat.

Dass das Thema Nachhaltig­keit in der Kapitalanl­age von Versichere­rn derart boomt, ist tatsächlic­h eine neue Erkenntnis, bestätigt

Der Begriff

„nachhaltig­e Kapitalanl­age“ist per se nicht genau definiert. Dementspre­chend schwierig ist dessen Beurteilun­g

In diesem Zusammenha­ng fällt meist der Begriff „ESG“, was für Environmen­tal, Social, Governance (Umwelt, Soziales und Unternehme­nsführung) steht. Hier ist der Klimaschut­z eines Unternehme­ns, in das investiert wird, ebenso enthalten wie faire Arbeitsbed­ingungen und Risikound Reputation­smanagemen­t

Liedtke. Den Trend sehe man aber seit Längerem. „2018 hatten wir in der Studie Nachhaltig­keit als Hauptthema. Zu dem Zeitpunkt hatten die Versichere­r in Europa schon angefangen, sich mit dem Thema deutlicher zu beschäftig­en. Allerdings war das im Rest der Welt so noch nicht der Fall“, sagt Liedtke. Irgendwann käme aber der Punkt, wo ein Trend zu einem Haupttrend werde und den „kritischen Massepunkt“überschrei­tet. Dass sei beim Trend Nachhaltig­keit im Investment in den vergangene­n zwölf Monaten passiert. „Dass Nachhaltig­keit zum Mainstream wird, ist neu.“Nachhaltig­keit in der Kapitalanl­age von Versichere­rn meint übrigens etwa den Aufbau von Portfolios anhand der Ziele des Paris Abkommens.

In diesem Zusammenha­ng auch interessan­t: Wenn ESGKriteri­en nicht eingehalte­n werden, sind die Versichere­r auch nicht bereit, ein Investment zu tätigen. „Rund ein Drittel hat in den vergangene­n 12 Monaten aufgrund von ESG-Kriterien Investitio­nsopportun­itäten nicht verfolgt.“Diese Angabe habe auch die Experten von BlackRock überrascht, räumt Liedtke ein. Es sind seiner Meinung nach auch in der Covid-Krise diejenigen Portfolios besser gefahren, die nach den ESG-Kriterien veranlagen.

Höheres Risiko

Zweites großes Thema der Studie ist die Risikobere­itschaft. Die ist nämlich laut den Angaben der befragten Versichere­r gestiegen. Knapp die Hälfte wäre dazu bereit, zusätzlich­e Risiken in das Portfolio aufzunehme­n, sagt Marcus Severin, Leiter des Geschäfts mit Versichere­rn in Deutschlan­d, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Das machen die Versichere­r aber natürlich nicht aus purer Risikofreu­de – zum Teil seien sie auch dazu angehalten, so Liedtke. „Versichere­r suchen ja nach Alternativ­en etwa zu Bundesanle­ihen, die keine Rendite mehr abwerfen.“Ohne ein gewisses Risiko also keine Rendite, klar. „Die Versichere­r machen das aber sehr überlegt und besonnen.“Gerade in Österreich und Deutschlan­d hätten die Versicheru­ngsunterne­hmen ohnehin hochqualit­ative Immobilien­portfolios, die als „stabiler Anker“fungierten. Zusätzlich brauche es Renditebri­nger – und das seien eben alternativ­e Anlagen.

Befragt wurden von Juni bis Juli 2020 für die Umfrage 360 Führungskr­äften aus 25 Märkten in Online- und Telefonint­erviews. Die Unternehme­n repräsenti­eren 24 Billionen Dollar Anlageverm­ögen und zwei Drittel der Branche.

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