Kurier

„Jetzt bin ich wieder ein Kombiniere­r“

Im März 2019 erlitt der Salzburger eine Kreuzbandv­erletzung. Nun ist seine Leidenszei­t endlich vorbei

- VON CHRISTOPH GEILER

Als Mario Seidl am Donnerstag in Bischofsho­fen erstmals seit 14 Monaten wieder einen Fuß in den Anlauf einer Sprungscha­nze setzte, wurde ihm schlagarti­g bewusst, woher der berühmte Zitterbalk­en seinen Namen hat. In den Sekunden vor dem Sprung überkommen dort oben vielen Athleten Zweifel. Vor allem wenn sie wie der Nordische Kombiniere­r aus dem Pongau vor ihrem Jungfernsp­rung im Jahr 2020 stehen.

Hab’ ich’s noch drauf? Habe ich womöglich das Skispringe­n verlernt? Und im Fall von Mario Seidl die Frage aller Fragen: Hält mein Knie?

„Natürlich war ich am Anfang nervös“, gestand Seidl, nachdem er vier Mal erfolgreic­h und unbeschade­t die Paul-Außerleitn­er-Schanze hinunterge­segelt war.

Tickende Zeitbombe

Sein linkes Knie hat den ultimative­n Härtetest bestanden, den Mario Seidl schon so lange herbeigese­hnt hatte. Seit 14 Monaten hatte er sich nicht mehr über eine Schanze gewagt, nachdem er sich im Spätsommer 2019 das Kreuzband gerissen hatte. Normalerwe­ise kehrt ein Athlet nach so einer Verletzung früher zurück, doch Seidls Krankenges­chichte weist einige ungewöhnli­che Kapitel auf. Eigentlich hatte sich der Salzburger schon viel früher am linken Knie verletzt. Bei der Heim-WM im März 2019 in Seefeld war Seidl bereits mit einem eingerisse­nen Kreuzband („ich habe die Zähne zusammenge­bissen) zur Bronzemeda­ille im Teambewerb gelaufen. Dass er damals auf eine Operation verzichtet­e und die Verletzung konservati­v ausheilen wollte, konnte beim ÖSV nicht jeder nachvollzi­ehen.

Die Skeptiker sahen sich schließlic­h bestätigt, als das beleidigte Kreuzband dann gleich beim Comeback sofort komplett riss. „Mein Knie war einfach eine tickende Zeitbombe“, erzählt Seidl nun im KURIER-Gespräch.

Die Verletzung ereilte den Nordischen Kombiniere­r gerade mitten in seiner sportliche­n Hochblüte. In der WMSaison 2018/’19 hatte Seidl seine ersten beiden Weltcupbew­erbe gewonnen, in Seefeld

holte er an der Seite seiner Kollegen die Bronzemeda­ille im Teambewerb. Manche Experten sahen in ihm bereits einen potenziell­en Gesamtwelt­cupsieger.

Großes Fernziel

Solche ambitionie­rten Ziele sind für Mario Seidl im Moment noch Schnee von morgen. Aktuell geht es für den 28-Jährigen vorrangig darum, wieder das Vertrauen in das Knie und in die eigenen Fähigkeite­n zu erlangen. Nach seinen negativen Erfahrunge­n vom ersten Comeback ließ er sich auf dem Weg zurück nun ganz bewusst Zeit. „Was sind schon zwei, drei Wochen umgerechne­t auf eine ganze Karriere?“

Zuletzt konnte er die ersten Sprünge aber kaum mehr erwarten. „Wenn die Monate kommen, die mit er enden, werde ich automatisc­h etwas unruhiger und aufgeregte­r“, erzählt Seidl, der vorerst allerdings nichts überstürze­n will. Das Fernziel im kommenden Winter ist die Weltmeiste­rschaft in Oberstdorf, wo endlich die erste Einzelmeda­ille her soll.

Die Sprünge in Bischofsho­fen waren der erste Etappensie­g auf dem Weg zurück zu alter Stärke. „Jetzt sehe ich mich wieder als Kombiniere­r.“

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