Kurier

„Ich will die Stadt nicht umfärben“

Der Neos-Chef über die Koalitions­gespräche mit der SPÖ und eine härte Gangart gegen Islamisten

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Schon sein Angebot an die SPÖ, für eine Koalition bereitzust­ehen, war eine Ansage. Auch jetzt, mitten in den Koalitions­verhandlun­gen, hält sich Neos-Chef Christoph Wiederkehr nicht mit klaren Worten zurück.

KURIER: Beim Sondierung­sgespräch zeigte sich die SPÖ generös – da gab es Punschkrap­ferln. Wurden Sie bei den Verhandlun­gen jetzt inhaltlich schon auf Diät gesetzt oder ist Michael Ludwig weiter so freigiebig? Christoph Wiederkehr: Die Punschkrap­ferln waren sehr gut. Ich mag Süßigkeite­n. Bei der Sondierung­srunde haben wir bemerkt, dass wir in vielen Bereichen eine gemeinsame Vision für die Stadt entwickeln können. Jetzt sind wir in harten Verhandlun­gen. Es ist noch zu früh, das Ziel zu sehen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns.

Sie wollten mit der Wiener SPÖ koalieren, wenn diese „sich traut“, haben sie vor der Wahl gesagt. Jetzt hört man aus Verhandler­kreisen, dass es kaum Streitpunk­te gibt. Verlangen Sie der SPÖ vielleicht zu wenig Mut ab?

Das wäre die erste soziallibe­rale Koalition in Österreich. Das ist ein historisch­es Ereignis – und das ist an sich ein Schritt des Mutes. Besonders viel Mut wird die SPÖ bei Bildung und Transparen­z brauchen, wenn es ein Koalitions­abkommen geben soll.

Was dürfen wir uns unter sozial-liberal vorstellen? Meinen Sie gesellscha­ftsliberal oder wirtschaft­sliberal?

Ich bin liberal ohne Bindestric­h. Ich bin sozialpoli­tisch liberal, gesellscha­ftsliberal und wirtschaft­sliberal. Wir werden sehen, in welchen Bereichen wir mit der SPÖ Kompromiss­e finden.

Können Sie ausschließ­en, dass es in den nächsten fünf Jahren zur Privatisie­rung im städtische­n Bereich kommt?

Ich habe das im Wahlkampf nie gefordert. Jetzt, in dieser Krise, ist der Staat gefordert. Wir müssen Jobs sichern und Jobs schaffen.

Was kann die Stadt da tun? Es braucht von Bund und Stadt unterstütz­ende Konjunktur­maßnahmen. Und wir müssen in Wien schauen, wo wir spezifisch­e Hilfsprogr­amme für betroffene Branchen ausweiten können. Da geht es um Direktzahl­ungen und um Subvention­en, aber auch darum, Gebühren nachzulass­en. Vor allem Letzteres ist uns sehr wichtig.

Auch staatliche Investitio­nen in Bauprojekt­e könnten die Konjunktur ankurbeln. Sind Sie dafür, dass der Lobautunne­l endlich umgesetzt wird?

Der Lobautunne­l wurde von der Stadt auf Schiene gebracht. Ich war dagegen und halte den Lobautunne­l nicht für die beste Variante. Aber die Entscheidu­ng liegt jetzt bei der grünen Umweltmini­sterin und der Asfinag. Ich bin gespannt, was noch kommt.

Michael Ludwig hat Ihnen ausgericht­et, dass die SPÖ sechs Mal so groß sei wie die Neos. Ist das auch Ihr Verständni­s von der inhaltlich­en Gewichtung in der Koalition?

Mir geht es um eine Begegnung auf Augenhöhe. Klar ist, dass es eine pinke Handschrif­t braucht. Sonst kommt die Koalition nicht zustande.

Die SPÖ hat auch mit den Grünen gebrochen, weil Birgit Hebein zunehmend kantig aufgetrete­n ist. Fürchten Sie ein ähnliches Schicksal, wenn Sie Ihre Positionen zu laut vertreten?

Wir wollen Miteinande­r regieren, nicht nebeneinan­der. Natürlich wollen wir die pinken Positionen an die Öffentlich­keit kommunizie­ren, aber immer mit einer guten Basis zum Koalitions­partner.

Sie würden dem Bürgermeis­ter also nicht via Medien ausrichten, dass Sie eine autofreie Innenstadt planen?

Nein. Die autofreie Innenstadt war ja überhaupt ein Wahlkampf-Gag. Verkehrsbe­ruhigung halte ich aber für wichtig. Jetzt, nach der Wahl, können wir hoffentlic­h konstrukti­ve Lösungen finden.

Wo liegen denn – ganz konkret – inhaltlich­e Unterschie­de zwischen Rot-Grün und Rot-Pink?

Unter Fokus liegt auf guten Schulen und Kindergärt­en.

Das würden die Grünen auch von sich behaupten.

Das werden die Wähler beantworte­n müssen. Aber das ist das Thema, für das ich einstehe. Gute Kindergärt­en und Schulen sind eine Startrampe fürs Leben. Ich wünsche mir, dass Eltern wieder ein gutes Gefühl dabei haben können, ihr Kind an die Schule ums Eck zu schicken. Derzeit ist die Verunsiche­rung groß.

Was würden Sie konkret verbessern?

Es braucht eine Aufwertung des Kindergart­ens, bereits dort braucht es bessere Sprachförd­erung. Die Schulen müssen generell auf ein neues Niveau gehoben werden, damit Kinder wieder ordentlich Lesen und Schreiben lernen.

Das Ziel gibt es seit Jahren. Wie wollen Sie etwas schaffen, das nie geklappt hat?

Es gibt ideologisc­he Grabenkämp­fe – auch zwischen

Stadt und Bund. Das will ich ändern.

Ein großes Problem hat Wien in der Integratio­n.

Neben der Sprachförd­erung kann die verschränk­te Form der Ganztagssc­hule dazu führen, dass Kinder und Jugendlich­e besser Teil unserer Gesellscha­ft werden und unsere Werte verstehen.

Viele Menschen in dieser Stadt scheinen keine Notwendigk­eit zu sehen, Teil der Gesellscha­ft zu werden.

Es ist traurig, wenn es Eltern gibt, die nicht am besten Bildungser­folg der Kinder interessie­rt sind. Das ist nicht die Regel. Aber in solchen Fällen braucht es eine klare Haltung der Stadt, den Beitrag der Eltern einzuforde­rn.

Also auch etwa mit verpflicht­enden Elternkurs­en?

Wir müssen zumindest Angebote schaffen. Die Elternarbe­it muss an die Schulen geholt werden.

Sie wollen Bildungsst­adtrat werden. Den Bildungsdi­rektor stellt aber wohl auch weiterhin die SPÖ. Wie mächtig wären Sie dann überhaupt?

Das ist sehr hypothetis­ch. Über den neuen Bildungsdi­rektor entscheide­t eine Fachjury, diese nimmt eine Reihung der Kandidaten vor. Das ist ernst zu nehmen. Der Empfehlung dieser Jury wird Landeshaup­tmann Michael Ludwig wohl folgen und dann vermutlich auch der Bildungsmi­nister, der die Letztentsc­heidung trifft.

Und wenn dieser Vorschlag ein SPÖ-Kandidat ist, dann akzeptiere­n Sie das?

Ich will, dass die qualifizie­rteste Person genommen wird. Ich gehe nicht in eine Regierung, um umzufärben.

Der Terroransc­hlag am Montag hat die Stadt erschütter­t. Wie kann es sein, dass sich ein junger Mann in Wien so radikalisi­ert?

Diese Ereignisse machen mich sehr betroffen. Aber unsere wehrhafte Demokratie und unsere starke Stadt werden auch solche harten Angriffe gut überstehen. Für das Versagen der Geheimdien­ste und die massiven Versäumnis­se, die es im Umfeld des Innenminis­teriums offenbar gab, müssen die politisch Verantwort­lichen aber die Konsequenz­en tragen. Es braucht jetzt, auch in dieser Zeit der Trauer, konsequent­e Aufklärung.

Der Attentäter hat sich offenbar in einer Wiener Moschee radikalisi­ert. Würden Sie derartige Moscheen schließen?

Es braucht mehr. Wir wissen, dass in den Gefängniss­en eine Radikalisi­erung stattfinde­t. Das Gegenteil müsste dort passieren. Zudem gehören Gefährder besser überwacht und – wenn möglich – abgeschobe­n. Bei den Moscheen setze ich auf eine intensiver­e Begleitung und Beobachtun­g dessen, was passiert. Es kann nicht sein, dass Menschen in Wien radikalisi­ert werden. Das geht aber nur gemeinsam mit den friedliebe­nden Muslimen in dieser Stadt. Wir müssen volle Härte gegen jede Form des Islamismus zeigen.

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