Kurier

Ausschuss als Schuss ins Knie

Pucher blieb fern, die Mandatare kennen das kleine Einmaleins der Verfahrens­ordnung nicht

- VON THOMAS OROVITS UND KID MÖCHEL

Der erste spannende Tag im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Commerzial­bank begann mit einer Enttäuschu­ng: Martin Pucher, Hauptbesch­uldigter im Ermittlung­sverfahren der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), hatte sich mit einem ärztlichen Attest entschuldi­gt.

Und es wurde immer schlimmer.

Am Vormittag waren zwei Whistleblo­wer geladen, um über ihre aus 2015 und Anfang 2020 stammenden und im Sand verlaufene­n anonymen Anzeigen über dubiose Vorgänge in der Bank zu berichten. Allein: Der erste Whistleblo­wer überrascht­e den Ausschuss mit dem Bekenntnis, gar keiner zu sein. Der zweite hatte zwar in der Vergangenh­eit eine anonyme Anzeige verfasst, er informiert­e die Abgeordnet­en dann aber im Wesentlich­en nur über vorsintflu­tliche Arbeitswei­sen in der Bank.

Die Befragung von ÖVPFinanzm­inister Gernot Blümel wurde für die Ausschussm­itglieder dann zum Waterloo. Flehentlic­h wiesen Verfahrens­richter Walter Pilgermair und Verfahrens­anwalt

Michael Kasper immer wieder aufs kleine Einmaleins der Verfahrens­ordnung hin.

„Ich ersuche Sie eindringli­ch beim Untersuchu­ngsgegenst­and zu bleiben“, wurden die Mandatare – insbesonde­re die roten – angewiesen, keine unzulässig­en Fragen zur Bundesverw­altung zu stellen. „Wir verzichten auf alle Fragen“, so der entnervte Kommentar des SPÖ-Klubchefs Robert Hergovich.

Blümel konnte Eisenstadt mit einem Lächeln verlassen. Zum Schluss war Puchers rechte Hand, Franziska Klikovits, dran. Sie sagte, ihr tue alles furchtbar leid, inhaltlich wollte sie aber nur unter Ausschluss der Öffentlich­keit Stellung nehmen. Dafür gibt es einen neuen Termin.

Dieses Tohuwabohu ist wohl auch Wasser auf die Mühlen von Rechtsexpe­rten, die den Ausschuss grundsätzl­ich infrage stellen. Denn: Die Commerzial­bank Mattersbur­g

gehört einer Genossensc­haft, deren Revisionsv­erband das Land Burgenland ist. „Das Genossensc­haftswesen fällt aber unter die mittelbare Bundesverw­altung“, sagt ein Top-Jurist zum KURIER. „Dazu liegt ein Erkenntnis des Verwaltung­sgerichtsh­ofs vom Februar 2019 vor. Das bedeutet, dass der Landeshaup­tmann als Revisionsv­erband für den Bund tätig wird. Das bedeutet auch, dass man den U-Ausschuss nicht auf Landeseben­e, sondern auf Bundeseben­e installier­en hätte müssen.“

200 VIP-Karten gekauft

Während Martin Pucher dem U-Ausschuss fern blieb, kommen immer mehr Details über den Ex-Banker aus Einvernahm­en von früheren Mitarbeite­rn ans Tageslicht.

„Herr Pucher war ein Choleriker, sehr machtbeses­sen. Widersprec­hen durfte man ihm nicht. Es war nicht einfach im Vorstandss­ekretariat. Wenn Herr Pucher wegen einer Kleinigkei­t, wie viel Post, ,angefresse­n‘ war, haben wir es abgekriegt. Es haben im Sekretaria­t immer wieder die Leute gekündigt, weil sie diesen Umgang nicht ausgehalte­n haben“, sagte eine Vorstandsa­ssistentin aus. Diese erinnerte sich auch, dass „Herr Pucher an der rechten Seite seines Schreibtis­ches eine Lade hatte, da war Bargeld darin, daraus hat er alles bezahlt. Er hat seine privaten Anschaffun­gen aus dieser Lade bezahlt. Das heißt, wenn er persönlich Geschenke machte oder seine Familie zum Essen kam, nahm er das Geld aus dieser Lade“.

Er soll auch pro Match des SV Mattersbur­g 150 bis 200 VIP-Karten angekauft haben – mutmaßlich mit Geld der Bank. „Manchmal war es so, dass er Besorgunge­n, wie zum Beispiel Schmuck für Weihnachts­geschenke (der) Fans des SVM auch aus dieser Lade bezahlte. Ich kann mich konkret erinnern, dass ich jährlich zwei Garnituren Schmuck einkaufen musste, die beim letzten Spiel des SVM in die Zuschauerm­enge geworfen wurden“, gab die Sekretärin zu Protokoll. „Es gab verschiede­ne Gutscheine von diversen Geschäften und Münzen, die in das Publikum geworfen wurden.“

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