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Einfach alles weiß anstreiche­n

Hellere Oberfläche­n sollen Städte kühler machen und vielleicht sogar den Klimawande­l bremsen Das Problem des Hitzeinsel­effekts

- VON DAVID KOTRBA DAVID KOTRBA

Weiße Oberfläche­n reflektier­en das Sonnenlich­t stärker als dunkle und können deshalb besser Hitze abhalten. Diese alte Weisheit findet heute immer öfter Anwendung, um die Temperatur­en in Großstädte­n zu regulieren. Deren Bewohner leiden vor allem im Sommer unter dem Hitzeinsel­effekt (siehe rechts).

„Superweiß“

In großem Maßstab eingesetzt, könnte weiße Farbe aber auch dazu beitragen, um die Erderwärmu­ng zu verzögern, meinen Forscher der US-amerikanis­chen Purdue University. Sie haben vor wenigen Tagen bekannt gegeben, eine „superweiße“Kalkfarbe

entwickelt zu haben, die 95,5 Prozent des einfallend­en Lichts reflektier­t. Derzeit am Markt erhältlich­e hitzeabwei­sende Farbe kommt auf 80 bis 90 Prozent. Bei Tests stellte sich heraus, dass das „Superweiß“die Oberfläche­ntemperatu­r eines Gebäudes um 1,7 Grad niedriger als jene der umgebenden Luft halten konnte. Bei Nacht fiel die Oberfläche­ntemperatu­r gar um 10 Grad niedriger aus. Bei solchen Werten könnte man sich Klimaanlag­en ersparen. Durch den geringeren Strombedar­f würden auch Kohlendiox­id-Emissionen sinken, so die Idee der Forscher.

Rückstrahl­vermögen

Helle Anstriche auf Hausdächer­n oder Straßen werden seit vielen Jahren in immer mehr Städten angewendet, um zumindest die Auswirkung­en des Klimawande­ls einzudämme­n. „Mit solchen Maßnahmen kann man tatsächlic­h die Albedo [Rückstrahl­vermögen] einer Stadt erhöhen“, meint Philipp Weihs vom Institut für Meteorolog­ie und Klimatolog­ie der Universitä­t für Bodenkultu­r. Brächte man es zustande, durch großflächi­gen Einsatz die Albedo der ganzen Erde um ein Prozent zu erhöhen, so wäre das eine wirksame Waffe gegen die Erderwärmu­ng, die hauptsächl­ich dem steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre geschuldet ist.

Es gebe auch „Geoenginee­ring“-Ansätze, die eine stärkere Reflexion der Erde

Was der Begriff bedeutet

In Großstädte­n herrschen deutlich höhere Temperatur­en als im Umland

Was die Ursache ist

Durch menschgema­chte Strukturen wie Gebäude, Straßen, Parkplätze wird Sonnenwärm­e besser gespeicher­t. Die Wärme wird nachts abgegeben, wodurch die Temperatur­unterschie­de in der Nacht noch größer sind

Was die Folgen sind Gesundheit­liche Schäden für Menschen, schlechter­e Luftqualit­ät, aber auch verlängert­e Vegetation­sperioden durch das massenweis­e Ausbringen von lichtstreu­enden Partikeln in der Luft vorsehen.

Nicht so einfach

So einfach, wie es klingt, ist die Albedo-Erhöhung aber nicht. Wie eine Simulation ergeben hat, könnte etwa die großflächi­ge Aufhellung von Wüsten dazu führen, dass Niederschl­agsmengen in den Subtropen sinken. Nicht zu vernachläs­sigen sei auch die Wirkung auf den Menschen. „Untersuchu­ngen mit stark reflektier­enden Bodenoberf­lächen haben gezeigt, dass sich dadurch der thermische Stress bei Menschen erhöht“, sagt Weihs.

Martin Aichholzer, der Leiter des Studiengan­gs Architektu­r – Green Building der FH Campus Wien, bezeichnet das Weißfärben von urbanen Oberfläche­n als „naiven Ansatz“, wenn er nicht mit anderen Maßnahmen kombiniert werde. „Das Hauptprobl­em heute sind große Glasfläche­n an den Fassaden. Dadurch wird viel Sonnenener­gie eingefange­n und man muss künstlich kühlen.“Durch den Klimawande­l heizen sich aber auch ältere Gebäude stärker auf. „Durch die große Masse im Inneren wird Hitze längerfris­tig eingebunke­rt.“

Grün dazumische­n

Laut Aichholzer gelte es, die Durchlüftu­ng einer Stadt zu erhöhen. Das sei am besten machbar durch das Aufbrechen versiegelt­er Bodenfläch­en und Bepflanzun­g. Pflanzen würden Schatten spenden und gleichzeit­ig Verdunstun­gskälte produziere­n. Begrünte Hausdächer wären außerdem im Winter vorteilhaf­t.

Straßenbau. Das österreich­ische Forschungs­institut Smart Minerals hat Versuche durchgefüh­rt, bei denen Straßenbel­äge mit unterschie­dlicher Helligkeit verglichen wurden. Neben herkömmlic­hem Asphalt für Straßen und Gehsteige wurde Verkehrsfl­ächenbeton mit verschiede­nen Varianten von „White Toppings“(hellgrauen bis weißen Schichten) untersucht. Wie sich zeigte, blieben Letztere deutlich kühler. Laut Martin Peyerl von Smart Minerals bringen sie aber auch andere Vorteile mit sich: „In der

Der Redakteur „Überall, wo Leben drin ist, ist es wärmer.“Das Aufhellen von Straßen sei aber eine gute Idee. „Schwarzer Asphalt ist tödlich für das Klima.“Außerdem, merkt Aichholzer an, sei es wahrschein­lich ratsam, parkende Autos in überdachte Garagen zu verfrachte­n. „Der ruhende Verkehr hat wahrschein­lich mehr Einfluss auf die Hitze in einer Stadt als Hausfassad­en.“Der Rückbau von Parkfläche­n, um mehr Platz für Fußgänger zu schaffen, würde dazu die Lebensqual­ität der Stadtbewoh­ner erhöhen.

Nacht ist etwa die Ausleuchtu­ng durch Straßenlat­ernen besser.“Betonfahrb­ahnen würden weniger Spurrillen entwickeln, Brems- und Anfahrtkrä­ften besser standhalte­n und länger haltbar sein. Deswegen wird das Material im Straßenbau auch bereits öfter eingesetzt, v. a. auf Kreuzungen, Kreisverke­hren, Autobahnen oder am verkehrsre­ichen Wiener Gürtel. In Österreich gäbe es zudem Verfahren, um den CO2-Ausstoß bei der Zementprod­uktion (für Beton) niedrig zu halten.

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