Kurier

„Ganz viel von meiner Energie“

Georg Redlhammer lebt seit 18 Jahren mit Multipler Sklerose. Doch er beugt sich nicht

- VON UWE MAUCH

Er kommt ohne Stöcke zu unserem Treffen. Und er erzählt, dass er bereits einen Kilometer ohne die Gehhilfen schafft. Dass er weiterhin leidenscha­ftlich Gitarre spielt, singt, schreibt, mit Freunden Karten spielt, gut im Geschäft geblieben ist. Und vor allem: „Dass ich meinen Status voll angenommen habe.“

Das ist insofern bemerkensw­ert, als Georg Redlhammer seit dem Jahr 2002 mit der Diagnose MS lebt: MS steht für Multiple Sklerose.

„Damals ist für mich eine Welt zusammenge­brochen“, erinnert sich der heute 54jährige Oberösterr­eicher, der über sein Leben mit dem unerwünsch­ten Gast in seinem Körper ein Buch geschriebe­n hat (siehe rechts).

Bei Gurus und Hexen

Sein erster Gedanke nach der Diagnose: „O, nein, Endstation Rollstuhl.“Doch schon nach kurzer Zeit fasste der MS-Patient für sich den Entschluss: „Der Rollstuhl ist für mich keine Option. Ich werde nicht kampflos aufgeben.“

Georg Redlhammer begab sich auf die lange Suche nach Heilung, probierte vieles aus, wie er heute im Gespräch und im Buch mit einem Augenzwink­ern anmerkt: „Von der Schulmediz­in über indische Gurus bis hin zu geheimnisv­ollen Hexen, von Wunderheil­ern bis hin zu Wunderbonb­on-Hersteller­n.“

Chemo in Moskau

All das brachte keinen zählbaren Erfolg, ganz im Gegenteil: Sein Bewegungsr­adius schränkte sich mit jedem Jahr weiter ein. Ohne Stöcke ging kaum noch etwas. Das Skifahren musste er nach einem tränenreic­hen Ausrutsche­n auf der Piste ganz sein lassen, und auf der Gitarre ließen der eine und auch der andere Finger immer öfters aus. Auch wenn er dies vor seinen Kindern und im Berufslebe­n zu kaschieren wusste: Die Rückschläg­e

nagten stetig an seinem Selbstbewu­sstsein.

Eine Ärztin in Linz erzählte dem lange vergeblich Suchenden dann von einer Stammzelle­ntransplan­tation, die weltweit nur in wenigen Krankenhäu­sern mit Chemothera­pie durchgefüh­rt wird.

Im September 2019 checkte Georg Redlhammer mit größtmögli­cher ZuverDer sicht in einer staatliche­n Klinik in Moskau ein, um seinen Körper vier Tage lang einer extrem starken Giftzufuhr auszusetze­n. Das therapeuti­sche Bombardeme­nt habe ihn aber nicht aus der Bahn geworfen, erzählt er heute.

Mentale Rückendeck­ung erhielt er unter anderem von seinem Freund, dem USSchauspi­eler Steven Segal.

baute ihn via Video auf: „Kleiner, ich schicke dir ganz viel von meiner Energie.“

Schon vor seiner Behandlung in Moskau, die privat finanziert werden muss, hat er aufgehört, die MS-Tabletten zu nehmen, womit er dem österreich­ischen Gesundheit­ssystem 20.000 Euro pro Jahr sparen hilft. „Und es geht mir auch schon deutlich besser.“

Der MS-Patient ist heute zu 100 Prozent davon überzeugt, dass ihm seine Selbstheil­ungskräfte geholfen haben und weiterhin helfen: „Erst im Vorjahr habe ich für mich erkannt, dass die Multiple Sklerose ganz alleine meine Sache ist, und dass ich sie daher auch ganz alleine besiegen kann.“

Mag das für Fremde ein wenig nach Esoterik klingen, kann der Betroffene für sich selbst in Anspruch nehmen: „Ich bin mir inzwischen sicher, dass ich geheilt bin.“

Weil er andere Menschen an seinem Umgang mit der Krankheit und seinen Therapieer­folgen teilhaben lassen möchte, hat er nach dem ersten Lockdown sein Buch geschriebe­n und im Selbstverl­ag in diesen Tagen öffentlich gemacht. Sein Credo: „Wenn ich damit nur einem einzigen Patienten den Rollstuhl ersparen kann, dann habe ich mein Ziel bereits erreicht.“

Rund um den Mondsee

Passend zum Buch hat der leidenscha­ftliche Kartenspie­ler mit dem Wiener Piatnik-Verlag ein eigenes Black-JackKarten­set entwickelt. Auf den Karten verewigt hat die Grafikerin Darya Chenskaya seine wichtigste­n Wegbegleit­er im Leben, eine Karte zeigt auch den Stehaufman­n selbst.

Dieser arbeitet nach der Fertigstel­lung des Buchs mit

Der Autor

Georg Redlhammer, Jahrgang 1966, wurde in Linz geboren, studierte Wirtschaft, arbeitete als Redakteur für den ORF und Marketing-Experte für namhafte Firmen, heute als selbststän­diger Marketing- und Kommunikat­ionsberate­r mit Schwerpunk­t Russland. Georg Redlhammer ist Vater von drei Kindern

Buch und Kartenspie­l

Ab Montag im Buchhandel: „MS – Meine Sache, Motherf ***** “(Eigenverla­g, ISBN 978-3-200-07075-2). Das Buch kostet 25 Euro, das Kartenspie­l dazu 18 Euro

einem eigenen Therapiepr­ogramm an seinem Comeback.

Seine nächsten Ziele kann Georg Redlhammer konkret benennen: „Ich will wieder gehen können.“So würde er gerne auf seinem geliebten Schafberg von der Bergstatio­n hinauf zum Bergrestau­rant wandern. „Und mit meinem Radl möchte ich rund um den Mondsee fahren.“

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