Kurier

„Ideologie, die Hass begünstigt“

Die Integratio­nsminister­in über Moscheesch­ließungen und austro-türkische Helden

- VON CHRISTIAN BÖHMER

KURIER: Frau Minister, der Attentäter von Wien hat zwei Moscheen besucht, war dort aber weder Imam noch Chef des dahinterst­ehenden Vereins. Warum werden diese Einrichtun­gen so plötzlich geschlosse­n?

Susanne Raab: Es stimmt, der Täter hat die Moscheen regelmäßig besucht, aber ausschlagg­ebend für die Schließung war etwas anderes.

Nämlich?

Es gibt vom Verfassung­sschutz sehr konkrete Hinweise, dass die Moschee-Besuche seine Radikalisi­erung begünstigt haben. Wie? Weil man dort auf Gleichgesi­nnte trifft, weil dort ein Narrativ verwendet wird, das vielleicht noch nicht strafbar sein muss, aber klar anti-westlich und anti-demokratis­ch ist, und das mit einer Wir-gegensie-Mentalität die Spaltung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen fördert. Kurzum: Dort herrschte eine Ideologie, die den Hass begünstigt.

Aber diese Zustände hat es länger gegeben. Wäre denn das Attentat nicht passiert, wenn die Moscheen früher geschlosse­n worden wären?

Details über mögliche Beobachtun­gen kann ich hier nicht preisgeben. Man darf aber nicht vergessen: Aus naheliegen­den Gründen gab in den vergangene­n Tagen intensive Ermittlung­en im Umfeld des Täters. Und diese haben dazu geführt, dass wir Donnerstag­abend Informatio­nen bekommen haben, die letztlich die Schließung der

Moscheen rechtferti­gen. Man darf nicht vergessen: Hier geht es immer noch um Religionsf­reiheit und damit um ein Grundrecht. Wichtig ist mir: Mit der Schließung von Moscheen gehen wir gegen den Extremismu­s vor, nicht gegen Religionen.

Anlässlich des Terroransc­hlages wird verstärkt über die Sicherungs­haft diskutiert. Ihr Parteikoll­ege Thomas Stelzer fordert diese dezidiert. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin überzeugt, dass wir eine bessere Handhabe brauchen, um gegen Gefährder in der Gesellscha­ft vorgehen zu können. Ebenso wichtig ist aber die Prävention. Wir müssen der Gewalt den Nährboden entziehen – in Moscheen, islamische­n Bildungsei­nrichtunge­n, etc. Und der dritte Bereich ist, wie wir Straftäter, die in Haft gesessen sind, deradikali­sieren können. Zu weiteren Details will ich mich vorerst aber nicht äußern.

Zur Integratio­n: Es gab zwei junge Österreich­er mit türkischem Background, die in der Terrornach­t Menschen geholfen haben. Die CobraBeamt­en, die den Attentäter getötet haben, wurden von Kanzler und Innenminis­ter empfangen und ausgezeich­net, den erwähnten AustroTürk­en haben der türkische Botschafte­r und Präsident Erdoğan gratuliert – nicht aber die Bundesregi­erung. Warum eigentlich?

Ich möchte darauf hinweisen, dass es unzählige Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d gegeben hat, die in dieser Nacht geholfen haben. Die Sanitäter, Polizisten, Krisenpsyc­hologen, Gastwirte, Hoteliers und viele mehr: Da waren ganz, ganz viele mit Migrations­hintergrun­d dabei. Ihnen allen spreche ich als Integratio­nsminister­in meinen Dank aus.

Einen näheren Grund, warum die beiden Austro-Türken nicht vor den Vorhang gebeten worden sind, gibt’s also nicht?

Ich hab in den vergangene­n Tagen viele Geschichte­n von tollen Menschen gesehen. Ihnen allen gilt mein Dank. Egal ob mit türkischem, bosnischem oder ganz ohne Migrations­hintergrun­d. Der Anschlag galt uns allen, der Attentäter wollte einen Keil zwischen uns treiben. Aber da mach’ ich nicht mit.

„Gefährder stoppen“. Nach dem Terroransc­hlag in Wien gibt es in den Reihen der Grünen offenbar Bewegung in der Frage der Sicherungs­haft. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) zeigte sich gegenüber rechtliche­n Verschärfu­ngen im Kampf gegen Terrorismu­s durchaus offen. Man müsse prüfen, ob die rechtliche Instrument­e reichen, um Gefährder zu stoppen. „Offensicht­lich gibt es hier ein Thema, nicht nur in Österreich, auch in Deutschlan­d läuft die Diskussion“, sagte Anschober im Ö1-Radio.

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