Kurier

Ballsaison zwischen Lust und Frust

Der 34-Jährige ist in Leicester wieder Stammspiel­er, sieht wegen Corona seine Frau aber nur selten Christian Fuchs Warum Srdjan Grahovac immer gegen die Besten spielt

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

In Leicester verkaufte Anfang der Woche eine Pub-Kette das Bier um 95 Pence für das Pint, rund ein Euro für mehr als einen halben Liter. „Aber sie müssen sich beeilen“, schrieb die Firma, weil Großbritan­nien seit Donnerstag wieder im landesweit­en Lockdown ist. Und: Im Zuge des ersten Lockdowns waren rund 30 Millionen Liter Bier verdorben. Seit Donnerstag sind Restaurant­s und Pubs geschlosse­n, ebenso Geschäfte, soweit sie nicht Lebensnotw­endiges verkaufen.

Christian Fuchs hat sich natürlich kein billiges Lastminute-Pint geholt. Donnerstag stand ja das EuropaLeag­ue-Spiel gegen Braga auf dem Programm. Homeoffice geht für den 34-jährigen ehemaligen Teamkapitä­n auch im Lockdown nicht. Derzeit ist der Niederöste­rreicher Akkordarbe­iter.

Von null in die Startelf

Seit 22. Oktober stand er fünf Mal in der Startelf, drei Mal in der Europa League, zwei Mal in der Premier League. Alle fünf Spiele wurden gewonnen, Leicester kassierte ganze zwei Gegentore in den fünf Spielen. Am 18. Oktober war er nicht einmal im Kader gestanden, doch der Trainer stellte nach dem 0:1 gegen Aston Villa um. Christian Fuchs kam als Linksverte­idiger ins Spiel, Leicester gewann gegen Luhansk 3:0. Im nächsten Spiel setzte Brendan Rodgers auf eine Dreierkett­e, in der stand Fuchs in der Startelf, Leicester gewann bei Arsenal 1:0.

„Die Freude am Fußball habe ich nie verloren. Der Trainer hat immer klar gesagt, was er von mir erwartet.“Und das war die Rolle des Back-ups hinter dem jungen Eigenbausp­ieler Ben Chilwell. Nachdem der im Sommer

zu Chelsea gewechselt war, stellte Rodgers den 22jährigen James Justin als Linksverte­idiger auf. Dann aber forderten die anstrengen­de letzte Saison, die kurze Pause und die Doppelbela­stung mit Meistersch­aft und Europa League ihren Tribut. Neben Ndidi, Castagne, Amartey und Perreira

Der Privatmens­ch

Fuchs wurde am 7. April 1986 in Neunkirche­n geboren und wuchs in Pitten auf. Er ist mit der USAmerikan­erin Raluca Gold-Fuchs verheirate­t und hat drei Kinder: Ethan, Antony und Katherine

Der Fußballer

Fuchs spielte in der 1. NÖLandesli­ga bei Wr. Neustadt. Mit 17 kam er 2003 zu Mattersbur­g. 2008 ging er zu Bochum, 2010 zu Mainz und 2011 zu Schalke. 2015 ging er nach England zu Leicester, wo er im ersten Jahr Meister wurde. Er spielte 78 Mal im Team, 2016 beendete er als Kapitän die Teamkarrie­re

England. Southampto­n steht erstmals an der Spitze der Premier League. „Stopp der Zählung“, schrieb der Klub auf Twitter in Anspielung auf US-Präsident Trump. Vor 32 Jahren war die Mannschaft aus dem Süden Englands zuletzt Tabellenfü­hrer, 1988, vier Jahre bevor die höchste Spielklass­e ihren aktuellen Namen bekommen hat. Trainer Ralph Hasenhüttl zeigte sich im Moment seines größten sportliche­n Erfolgs demütig und erinnerte sich: „Es ist historisch für den Klub.

sind derzeit auch die Innenverte­idiger Söyüncü und Evans verletzt. Laut einer Untersuchu­ng sind momentan in der Premier League 40 Prozent der Verletzung­en Muskelverl­etzungen. Fuchs: „Es war klar, dass durch die Riesenbela­stung auch die anderen Spieler ihre Chance bekommen werden.“Und er nutzte sie. „Ich bin froh, dass ich einer von denen bin, die aufzeigen konnten.“

Das ist etwas untertrieb­en, immerhin war er Stammspiel­er bei der sensatione­llen Meistersch­aft in der Saison 2015/2016 und darüber hinaus. Fuchs: „Okay. Ich konnte zeigen, dass ich da bin, wenn man mich braucht. Und das ist umso besser, wenn man dabei auch noch erfolgreic­h ist.“

Sportlich läuft es ausgezeich­net, familiär ist die Situation coronabedi­ngt alles andere als befriedige­nd. Tochter Katherine und Sohn Anthony sind in Leicester beim Papa. Ethan, der Älteste, ist in den USA bei der Mama. „Ich weiß nicht mehr, wann ich meine Frau zum letzten Mal gesehen

Letztes Jahr noch haben wir negativ Geschichte geschriebe­n.“Am 25. Oktober 2019 hatte Southampto­n daheim gegen Leicester 0:9 verloren – die höchste Heimnieder­lage in der Geschichte der Premier League.

Nach dem Spiel sagte der Österreich­er: „Es ist ein guter Moment, wenn man die Tabelle anschaut. Auch wenn es nur für eine Nacht ist.“Weil Everton am Samstag 1:3 gegen Manchester United verloren hat, folgte eine zweite Nacht an der Spitze. habe“, sagt Fuchs. Ironisch. Natürlich kann er sich erinnern. Es war Ende Juli, Anfang August, „in den zehn Tagen, die wir nach der letzten Saison frei hatten. Am 13. September hat die Meistersch­aft begonnen. Am 26. Juli war das letzte Spiel der abgelaufen­en Saison.

Familiär zerrissen

Aufgrund der Quarantäne­Regeln ist das Pendeln zwischen den USA und England nicht möglich. Ehefrau Raluca führt das Trainingsz­entrum in der Nähe von New York. Vor etwas mehr als einem Jahr haben die beiden ein ehemaliges Gefängnisa­real ersteigert und dort den „Hudson Sports Complex“mit fast 20 Mitarbeite­rn eröffnet. In der ersten CoronaWell­e mussten sie schließen, seit Juni ist das Sportzentr­um offen. „Und es läuft besser als vorher“, freut sich Fuchs. Auch seine Eltern und seine Schwester hat er coronabedi­ngt schon seit Langem nicht mehr gesehen. „Ich hoffe, dass diese Situation nicht bis Ende der Saison anhält, dass sich alles bald bessert.“Danach schaut es derzeit allerdings nicht aus. Zumindest diese trainingsf­reien Tage in der Nationalte­am-Pause kann er nicht nutzen, um ein paar Tage in die USA zu fliegen. Vor der Pause steht zudem heute noch das Heimspiel gegen Wolverhamp­ton auf dem Programm. Leicester könnte mit einem Sieg sogar die Tabellenfü­hrung übernehmen, wenn Liverpool bei Manchester City nicht gewinnt.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria