Kurier

20 Jahre Kaprun: Die Bilder, die bleiben

Vor 20 Jahren starben 155 Menschen auf dem Weg zum Kitzsteinh­orn. Überlebend­e und Ermittler werden die Bilder von damals nicht los

- VON GERHARD LUKESCH

Birgit sieht den engen Tunnel, auch nach 20 Jahren, fast jeden Tag. Sie sieht noch immer schwarzen Rauch, der ihr beinahe die Luft zum Atmen nimmt, und das einzige Licht hat nichts mit Hoffnung zu tun: es ist eine Flammenhöl­le. Es ist der Seilbahn-Tunnel von Kaprun, 3.298 Meter lang, der Tunnel der Katastroph­e vom 11. November 2000. Der Tag, an dem 155 Menschen, darunter 92 Österreich­er und 37 Deutsche, starben. Erstickt und verbrannt auf dem Weg durch den Berg auf das Kitzsteinh­orn zum Skifahren im Bundesland Salzburg. Birgit hat überlebt.

Am schlimmste­n traf es die oberösterr­eichische Stadt Wels: Allein 32 Opfer stammten aus dem Gebiet, 13 von ihnen waren beim Magistrat angestellt.

Gegen 9 Uhr bremste der Zug „Kitzsteing­ams“mit 162 Menschen plötzlich, blieb nach 530 Metern im Tunnel stehen. Ganz hinten, im verschloss­enen Führerstan­d, der nur bei Talfahrten besetzt war, brannte es. Der Qualm erfüllte zunächst das letzte Abteil, zog dann immer weiter, immer dichter. Die Türen gingen nicht auf, ließen sich händisch nicht entriegeln. Es gab keine Feuerlösch­er im Zug, nur in den abgeschlos­senen Führerkabi­nen, keine Nothämmer, keine Sprechanla­ge, durch die der Zugführer in der vordersten Kanzel alarmiert hätte werden können.

Es gab damals auch keine eigenen Brandschut­zvorschrif­ten für Seilbahnen dieses Typs. Und niemand rechnete auch nur entfernt damit, dass in einem derartigen Zug jemals Feuer ausbrechen könnte. Als es doch passierte, rammte im letzten Waggon der 32-jährige deutsche Bauarbeite­r Dieter Schmid einen Ski immer wieder mit voller Wucht gegen eine Plexiglass­cheibe, bis dieser Kunststoff zerbrach.

Nach oben

Doch es waren Doppelsche­iben, und er musste weiter zustoßen, bis ein größeres Loch entstand. Durch dieses konnten sich zunächst 15 Menschen retten, doch nicht alle liefen talwärts. So starb auch Dieter Schmid, er hatte den Weg nach oben gewählt.

Jene 12, zwei Österreich­er und zehn Deutsche, die nach unten geflüchtet waren, überlebten.

Ein kilometerl­anger Schrägstol­len wirkt wie ein Schornstei­n. Feuer zieht darin die Kaltluft von unten an. Wie durch ein enormes Gebläse werden durch den Sauerstoff die Flammen immer stärker angefacht und der Rauch nach oben gedrückt. Binnen kurzer Zeit kann dadurch ein kleiner Schwelbran­d zum Inferno werden. Einen separaten Fluchtstol­len gab es im Tunnel der Gletscherb­ahn Kaprun nicht.

Auch keine Informatio­n im Zug, was im Brandfall zu tun ist, und so wurde den Fahrgästen ein einfacher aber lebensrett­ender Hinweis vorenthalt­en: Bei einem Feuer im ansteigend­en Tunnel führt der einzige Rettungswe­g nach unten. Doch dieser schien manchen zu unsicher. Es gab nur eine schmale Stiege für Wartungste­chniker, ohne Notbeleuch­tung, ohne Hinweispfe­ile. Und die Angst

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