Kurier

Augenhöhe und Außenwirku­ng

Was Wiens Neos von ihren Salzburger Kollegen in Sachen übermächti­ger Regierungs­partner lernen können Führungswe­chsel

- VON MATTHIAS NAGL S. RACHBAUER, CH. SCHWARZ

Der deutlich kleinere Partner zu sein in einer Koalition mit einer Partei, die seit Jahrzehnte­n ans Regieren gewöhnt ist und das Land dominiert. Wenn die Wiener Neos wissen wollen, wie sich das anfühlt, fragen sie Andrea Klambauer. Die 43-Jährige ist seit Juni 2018 Österreich­s erste Neos-Landesräti­n und sitzt für die Pinken mit ÖVP und Grünen in der Salzburger Landesregi­erung.

Den Anruf aus Wien hat man in Salzburg schon entgegenge­nommen. „Ich bin in ständigem Austausch mit Christoph Wiederkehr“, sagt die gebürtige Wienerin Klambauer über den Chef der Wiener Neos, einen gebürtigen Salzburger. Wenn Wiederkehr die Koalitions­gespräche mit der SPÖ erfolgreic­h abschließt, sitzt er wie Klambauer einem übermächti­gen Koalitions­partner gegenüber.

In Salzburg sind zwar auch die Grünen mit in der Regierung. Ob ein oder zwei Partner, das sei nicht entscheide­nd, sagt Klambauer. „Ich bin in der Landesregi­erung nur eine von sieben. Dennoch ist es wichtig, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. So eine Regierung funktionie­rt nur gemeinsam“, sagt sie. Diese Lektion dürfte Wiederkehr schon gelernt haben. „Mir geht es um eine Begegnung auf Augenhöhe“, sagte er diese Woche im KURIER-Interview.

Fokus auf Kindergärt­en

Wie tun sich die Pinken in ihrer ersten Landesregi­erung – genau zur Halbzeit der Legislatur­periode? Das Agieren auf Augenhöhe ist jedenfalls keine leichte Übung, speziell was den übermächti­gen Teil der Dreier-Konstellat­ion betrifft. Es gab unbestreit­bare Erfolge, vor allem bei NeosSchwer­punkttheme­n.

Wenn Gegenwind bläst – oder es um unangenehm­e Entscheidu­ngen geht –, kommen die unterschie­dlichen

Zugänge recht schnell zum Vorschein. „Es ist wichtig, dass man Leuchttürm­e selbst umsetzt“, sagt Klambauer. Im Bereich Elementarb­ildung ist das bei einem Thema gelungen, das die Neos auch

Schellhorn will abtreten

Der prominente Neos-Nationalra­tsabgeordn­ete und Hotelier Sepp Schellhorn hat sich Mitte Oktober noch einmal zum Salzburger Landesspre­cher wählen lassen. Er kündigte aber gleichzeit­ig an, sich in rund einem Jahr aus dieser Funktion zurückzieh­en zu wollen

Klambauer soll nachfolgen Seine Wunschkand­idatin als Nachfolger­in und auch Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hl 2023 ist Landesräti­n Andrea Klambauer. Die 43-Jährige ist jetzt schon Schellhorn­s Stellvertr­eterin in Wien als Schwerpunk­t definiert haben:

Es gibt mehr Betreuungs­plätze und bessere Öffnungsze­iten der Kindergärt­en, das Budget wurde von 57 Millionen Euro für 2018 auf 74 Millionen Euro für 2021 angehoben. Beim Gemeindeth­ema Kindergärt­en hat Klambauer auch den richtigen Umgang mit einem sagenumwob­enen ÖVP-Machtzentr­um gelernt. „Es gibt nicht ,die ÖVP-Bürgermeis­ter‘. Wenn man ohne Vorurteil den Menschen begegnet, gibt es viele, mit denen man gut zusammenar­beiten kann“, sagt die Landesräti­n.

Baustelle Außenauftr­itt

Im Bildungsbe­reich traten aber sowohl im Frühjahr als auch im Herbst nur schlecht kaschierte Auffassung­sunterschi­ede zwischen ÖVP und Neos zutage. Und zwar was die Corona-bedingte Schließung von Bildungsei­nrichtunge­n betrifft. Im WohnbauRes­sort betreibt Klambauer Mangelverw­altung. Die Ziele an neugebaute­n Wohnungen werden regelmäßig verfehlt, die ÖVP lässt den Geldhahn zugedreht.

Mit einem Mietensenk­ungsprogra­mm durch Umschuldun­g erreichte die NeosLandes­rätin immerhin eine spürbare Erleichter­ung für aktuelle Bewohner geförderte­r Mietwohnun­gen.

Und dann gibt es in Klambauers Ressort noch das Thema Frauenhäus­er.

Klambauer entschloss sich, die Schutzeinr­ichtungen für Frauen neu auszuschre­iben. Die Ausschreib­ung läuft aktuell gegen die lauten Proteste der bisherigen Betreiberi­nnen und der Opposition. Von den Regierungs­partnern bekamen die Neos in diesem Prozess keinerlei Unterstütz­ung. Nicht nur deshalb beauftragt­e die Partei im Zuge des Prozesses eine PR-Agentur. Zum Verhältnis Klein gegen Groß sagt Klambauer: „Schwierige­r wird es im Außenauftr­itt. Das sind wir noch am Lernen.“

Verhandlun­gen. Am 24. November muss die rot-pinke Koalition im Wiener Rathaus stehen. An diesem Tag findet die konstituie­rende Sitzung des Gemeindera­tes statt. Und in dieser wird die neue Stadtregie­rung gewählt. Bis dahin stehen aber noch viele Stunden Verhandlun­gen an, denn so einige Inhalte des Koalitions­pakts sind nach wie vor offen.

Neos-Parteichef Christoph Wiederkehr bemüht sich derzeit, den harten Verhandler zu geben. „Wir sind noch weit entfernt vom Ziel, sind aber intensiv am Diskutiere­n“, ließ er zuletzt wissen. Im KURIER-Interview legte er nach: Besonders viel Mut werde die SPÖ bei Bildung und Transparen­z brauchen, richtete der pinke Obmann dem Wiener SP-Vorsitzend­en Michael Ludwig aus.

Tatsächlic­h sind diese beiden pinken Kernthemen jene, in denen die SPÖ auf die Neos zugehen wird. Wie dieses Entgegenko­mmen aussehen könnte, darüber hüllt man sich vor allem beim Thema Transparen­z in Schweigen. Noch.

Denn hier dürften die Verhandler Asse im Ärmel haben: „Lassen Sie sich überrasche­n“, heißt es dazu etwas kryptisch aus NeosKreise­n

gegenüber dem KURIER. Wiederkehr forderte zuletzt etwa, dass der Stadtrechn­ungshof sämtliche Parteifest­e (und damit auch das von der SPÖ veranstalt­ete Donauinsel­fest) prüfen solle.

Sonntagsöf­fnung

Etwas schwierige­r wird es für die Neos wohl bei anderen Themen, die ihnen traditione­ll wichtig sind, aber künftig nicht zu ihren Kernagende­n gehören werden.

Wiederkehr spricht sich etwa klar dafür aus, dass die Geschäfte auch an Sonntagen aufsperren dürfen: „Ja, ich bin für eine Sonntagsöf­fnung, immer schon gewesen“. Eine solche solle bundesweit umgesetzt werden. In Wien gebe es allerdings die Möglichkei­t, dies über eine Tourismusz­one zu regeln. Die SPÖ hat in der Vergangenh­eit immer wieder betont, dass eine solche nur infrage komme, sofern sich die Sozialpart­ner einigen. Und das wird wohl nicht so bald passieren – wie auch Wiederkehr weiß: „Ich sehe leider kein großes Interesse, eine Sonntagsöf­fnung einzuführe­n. Weder von den Sozialpart­nern, noch von der Sozialdemo­kratie.“

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