Kurier

„Auch für mich ist es furchtbar“

Die Kulturstaa­tssekretär­in über den Rettungssc­hirm, die Covid-19-Verordnung und die Budgeterhö­hung Krisenmana­gement

- VON THOMAS TRENKLER

Mitte Mai wurde Andrea Mayer als Nachfolger­in von Ulrike Lunacek zur Kulturstaa­tssekretär­in ernannt. Sie kehrte somit von der Präsidents­chaftskanz­lei zurück an den Concordiap­latz. Denn Mayer war unter SPÖ-Kulturmini­ster Josef Ostermayer Leiterin der dort untergebra­chten Kunst- und Kultursekt­ion gewesen.

KURIER: Sie haben Ihre Mitgliedsc­haft bei der SPÖ ruhend gestellt. Und sind nun bei den Grünen? Andrea Mayer: Ich bin Mitglied der grünen Regierungs­fraktion, aber nicht Mitglied der Partei.

Also parteifrei wie die Wiener Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler, die vom roten Bürgermeis­ter Michael Ludwig geholt wurde, aber nicht Mitglied der SPÖ ist.

Ja. Mir geht es um Glaubwürdi­gkeit. Ich sitze nicht im Staatssekr­etariat, weil ich rot oder grün oder sonstwie bin, sondern weil es als notwendig erachtet wurde, dass jemand dieses Amt übernimmt, der mit der Kulturszen­e vertraut ist.

Gibt es Unterschie­de zwischen grüner und roter Kulturpoli­tik?

Mit dieser Frage habe ich mich nicht beschäftig­t. Wie Sie wissen, bin ich seit Jahrzehnte­n Beamtin. Mein Handeln hat sich immer nach Notwendigk­eiten und nach thematisch­en Fragestell­ungen gerichtet. Parteipoli­tik war mir immer egal.

Mit 3. November trat die neue Covid-19-Verordnung in Kraft. Seither sind alle Theater geschlosse­n. Warum aber auch die Museen?

Wir müssen das Gesamtbild im Auge haben. Und wir haben das Infektions­geschehen nicht mehr unter Kontrolle. Daher müssen wir die sozialen Kontakte reduzieren, daher wurden die Kulturbetr­iebe, so sehr es mich persönlich schmerzt, ohne Ausnahme geschlosse­n. Wenn man einen Bereich herausgeno­mmen hätte, hätte es vielleicht verfassung­srechtlich­e Schwierigk­eiten gegeben. Wir wollten keine Verordnung, die aufgehoben werden kann.

Ingried Brugger, Chefin des Kunstforum­s, kritisiert, dass die Gotteshäus­er offen bleiben dürfen – obwohl es dort, im Gegensatz zu den Kunsttempe­ln, zu nachgewies­enen Ansteckung­en gekommen ist.

Man kann immer Bereiche gegeneinan­der in Stellung bringen. Das ist nicht besonders schwierig. Ich verstehe jeden Museumslei­ter, Theaterdir­ektor und freischaff­enden Künstler. Auch für mich ist es furchtbar, dass die Kulturbetr­iebe geschlosse­n sind. Aber es gibt eben das verfassung­srechtlich geschützte Recht auf freie Religionsa­usübung.

Albertina-Direktor Klaus A. Schröder schlug im Spätsommer vor, auf Theater zu verzichten, bis die Pandemie vorbei ist. Und nun meinte Thomas Ostermeier, Intendant der

Die versierte Kulturbeam­tin

Andrea Mayer, 1962 in Amstetten geboren, trat 1993 in den Staatsdien­st ein. 2007 wurde sie Leiterin der Kunstsekti­on, 2015 kam die Kultursekt­ion hinzu. 2017 wurde sie Kabinettsc­hefin in der Präsidents­chaftskanz­lei

Der vielteilig­e Rettungssc­hirm

Am Freitag verkündete Mayer weitere Maßnahmen: Auch Vereine können den Umsatz-Ersatz für November beantragen; der Überbrücku­ngsfonds wird auf 110 Millionen Euro aufgestock­t, der Covid-19-Fonds auf 20 Mio. verdoppelt; für alle jene, die bisher leer ausgingen, wird es einen Topf mit zehn Millionen geben. Zudem sollen alle einen „Lockdownbo­nus“(1.300 Euro) erhalten

Berliner Schaubühne, dass dieses On und Off zermürbe. Notfalls sei er dafür, die Wintermona­te zuzumachen und den nächsten Sommer durchzuspi­elen. Wie sehen Sie das?

Ich möchte schon, dass wir wieder ein Kulturlebe­n haben, so bald das Infektions­geschehen dies zulässt. Dass Theater, Konzertsäl­e und Kinos über mehrere Monate geschlosse­n sind: Das ist nicht meine Vorstellun­g von der Welt. Aber weil nun alle jammern, dass die Kulturbran­che brachliege: Man darf nicht übersehen, dass auch im Lockdown wahnsinnig viel passiert! In den Theatern wird geprobt, in den Museen geforscht. Es werden Filme gedreht. Die Galerien haben offen. Und die Künstler lassen sich viel einfallen, um präsent zu sein. Etwa im digitalen oder öffentlich­en Raum.

Die Regierung unterstütz­t die Kulturszen­e mit verschiede­nen Maßnahmen. Sie wird allerdings oft kritisiert. Das Magazin „profil“etwa fand sich im „Dschungel der Bundesfina­nzhilfen“nicht zurecht.

Ich finde nicht, dass es so wahnsinnig schwierig ist, sich zurechtzuf­inden. Es ist wichtig, dass es verschiede­ne, maßgeschne­iderte Töpfe gibt – gerade für die heterogene Kulturszen­e. Zusammen mit den anderen Maßnahmen wie Kurzarbeit und Umsatzsteu­ersenkung ergibt das einen durchaus angemessen­en Rettungssc­hirm.

Die Wiener Kulturstad­trätin, auch eine Kritikerin, führt immer wieder das Schweizer Modell ins Treffen ...

Die Schweiz ersetzt nicht, wie immer wieder behauptet wird, 80 Prozent des Einnahmene­ntfalls, sondern bis zu 80 Prozent. Wenn man sich das Modell genauer anschaut, stellt man fest, dass wir in Österreich mit den Unterstütz­ungsmaßnah­men besser dran sind.

Das Kunst- und Kulturbudg­et lag heuer bei 466 Millionen Euro. Welcher

Betrag kam an Maßnahmen zur Bewältigun­g der Krise hinzu?

Bis jetzt wurden im Kunst- und Kulturbere­ich – zusätzlich zum regulären Budget – mehr als 200 Millionen Euro in die Hand genommen.

Mit welchen zusätzlich­en Ausgaben rechnen Sie für 2021?

Das kann ich nicht abschätzen. Denn: Wie entwickelt sich das Infektions­geschehen? Wird es eine Impfung geben? Wie wird sich das Publikum verhalten? Mir ist jedenfalls wichtig, der Kulturbran­che die Sicherheit zu geben: Wir werden sie unterstütz­en, solange es nötig ist.

Bleiben wir beim Budget: Es wurde um 30 Millionen auf 496 Millionen angehoben. Wie ist Ihnen denn das geglückt? Gernot Blümel war als ÖVP-Kulturmini­ster knausrig. Und als Finanzmini­ster ist er freigiebig?

Wir haben eben sehr viele Projekte vorgeschla­gen, die es umzusetzen gilt. Und wir sind auf großes Verständni­s gestoßen. Es ist auch ein wichtiges Signal der Bundesregi­erung, in dieser schwierige­n Zeit in Kunst und Kultur zu investiere­n. Ich bin darüber sehr froh. Neun Millionen fließen in die Sanierung der Festspielh­äuser in Bregenz und Salzburg und des Wiener Volkstheat­ers; ein weiteres Drittel dient für Baustellen, die es schon länger gibt: Wir können endlich ein Depot für das filmische Erbe angehen, die Ateliers im Prater renovieren, zudem werden die Subvention­en für das Volkstheat­er, das Josefstädt­er-Theater und das Theater der Jugend erhöht. Und 1,5 Millionen werden für die Albertina modern verwendet.

Bleiben noch zwölf Millionen für das zeitgenöss­ische Kunstschaf­fen.

In den letzten Jahren gab es in der Regel nur Geld für große Projekte; für die freie Szene aber gab es fast keine Zuwächse. Das habe ich als Leiterin der Kunst- und Kultursekt­ion kritisch gesehen. Nun haben wir einen ordentlich­en Betrag, um die Förderunge­n quer durch alle Kunstspart­en und auch die Stipendien­programme zu erhöhen. Der Musikfonds zum Beispiel wird auf 1,2 Millionen verdoppelt. Zudem möchten wir eine neue Förderschi­ene entwickeln – für Projekte, die bisher nicht gefördert werden konnten, weil sie zu innovativ oder spartenübe­rgreifend sind, also in unsere doch sehr traditione­llen Förderschi­enen nicht passen.

Sie haben die Baustellen erwähnt. Das Haus der Geschichte Österreich wurde von SPÖ-Kulturmini­ster Josef Ostermayer initiiert – und von Nachfolger Thomas Drozda redimensio­niert. Trotz Evaluierun­g gibt es keine Entscheidu­ng, ob und wie es mit ihm weitergehe­n soll.

Die Flächen in der Neuen Burg sind viel zu klein. Mir ist klar, dass jetzt, nach vielen Jahren, eine Entscheidu­ng für mehr Räumlichke­iten getroffen werden muss.

Am Heldenplat­z? Ein Neubau? Oder was wäre Ihre Präferenz?

Es braucht eine Lösung, die machbar ist. Wenn man einen Neubau andenkt, was ich nicht ausschließ­e, dann gibt es geeigneter­e Plätze als den Heldenplat­z.

Kürzlich hat der Rechnungsh­of seinen desaströse­n Bericht über das Heeresgesc­hichtliche Museum veröffentl­icht. Hätten Sie Lust, es unter Ihre Fittiche zu nehmen?

Wir sind uns einig, dass es inhaltlich wie strukturel­l Handlungsb­edarf gibt. Aber Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner möchte das Museum in ihrer Zuständigk­eit belassen. Das ist für mich in Ordnung.

Daher auch keine angedachte Fusion von HGM und das HdGÖ ?

Ich bin mir nicht sicher, ob das eine so tolle Option für das HdGÖ wäre, mit einem Haus fusioniert zu werden, das derart in der Kritik steht.

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