Heilige Kanonenkugel!
Unter welches Motto stellt man den Fasching in einer Steueroase? Die alljährliche „Piratenwoche“auf den ist ein süffiger karibischer Cocktail aus Volksfest, Geschichtsaufarbeitung und Gschnas
ampfende Leiber, Menschenknäuel und dazwischen Wortfetzen erstaunter amerikanischer Touristen: It’s crazy here! What a chaos! Wer jemals den Highlight-Tag der „Pirates Week“besucht, sollte auf die Insidertipps hören: Den besten Blick auf das Geschehen, Platz und vor allem Schutz vor der gnadenlosen Tropensonne bieten die Terrassen der Lokale Margaritaville und Sharkeez im Zentrum von George Town, der Hauptstadt von Grand Cayman.
Das „Pirate Landing“im Hafenviertel verspätet sich, ein nachgestellter Überfall von „Piraten“und die Geiselnahme des „Gouverneurs“. Aber wen juckt es, hier regiert die Island Time, also locker bleiben. Plötzlich zucken die Tausenden Schaulustigen zusammen, als eine Kanonenkugel-Detonation nun tatsächlich die Invasion ankündigt. Samt JohnnyDepp-Verschnitt aus „Fluch der Karibik“unter den angreifenden Freibeutern, wild kostümierten Piratenbräuten und anderen, bis auf die Zähne mit Entermessern aus Plastik bewaffneten Gestalten.
Für das folgende Umzugsspektakel am Harbour Drive haben sich die gerissensten Piraten ein anderes Fortbewegungsmittel als ein Segelschiff geschnappt und reiten keck auf einer Suzuki ein. Schönheitsköniginnen winken in die Menge, von der Teen-Princess bis zur Miss Cayman Islands Universe. Eine einheimische Oma wackelt mit dem Allerwertesten und sie braucht dazu nicht einmal den pulsierenden Soundteppich der karibischen Steel Pans. Es regnet Konfetti und gute Laune, und das schon am helllichten Nachmittag, nicht erst in den Nachtstunden, wenn zum finalen Feuerwerk Schweiß und Rum Rumba tanzen.
Kommende Woche ist Faschingsbeginn und das ist während des Lockdowns fast so absurd wie eine Piratenwoche im Steuerparadies. Gut, die Parade und den Piratenüberfall muss man sich heuer wegdenken, aber die „43. Pirates Week“findet statt: Am 5. November begann sie auf Grand Cayman, am 15. November endet sie auf Little Cayman. Corona ist auch in der Karibik Spielverderber, aber immerhin bekam eine abgespeckte Version grünes Licht, ohne bedrohliches Gedränge, dafür mit Schnitzeljagden, Pop-up-Auftritten von Piraten in Bibliotheken und einer Bootsparade.
Die Festival-Chefin Melanie McField gibt sich kämpferisch und stolz zugleich: „Die Pirates Week ist so sehr in den Herzen unserer Community verankert, dass wir einfach nicht darauf verzichten konnten. Jede Menge Events sind heuer schon Covid-19 zum Opfer gefallen, aber dieses Volksfest für Jung und Alt findet unter den größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen statt!“Das Piraten-Thema gehört einfach genauso zur Geschichte der Cayman Islands, auf denen sich auch ein hochklassiger Karibikurlaub verbringen lässt, wie der Ruf als Steueroase.
Das etwa dreihundert Kilometer nordwestlich von Jamaika gelegene britische Überseeterritorium mit seinen zirka 60.000 Einwohnern gilt als größtes Hedgefonds-Zentrum der Welt – ein traumhafter Parkplatz für Vermögende oder Konzerne mit grenzwertigen Steuervermeidungspraktiken. Erst zu Jahresbeginn hatte das „Tax Justice Network“die Inselgruppe unter 133 Staaten auf Platz eins des Schattfinanzindex gehievt.
Da ist die offizielle Piratenwoche schon um einiges lustiger – und vor allem transparenter.