Kurier

Anderersei­ts

Von der Weinstraße hat jeder ein Bild im Kopf. Es ist Zeit für ein neues: Die nördliche Seite von Gamlitz zeigt das bodenständ­ige Gesicht der Ein Überblick für entspannte­re Zeiten

- VON SUSANNE LINTL

Da muss ich erst schauen. Besser morgen. Leider kein Platz frei.“Solche Sätze hört der brettljaus­en- und muskatelle­rsüchtige Besucher oft, wenn er beim Tinnauer anruft. Zählt doch die Buschensch­ank am Labitschbe­rg offensicht­lich zu den Lieblingsl­okalen der Gäste. Und der Einheimisc­hen.

Was kein Wunder ist: Der Blick vom Labitschbe­rg auf die umliegende­n Hügel und Weinberge ist ein Cinemascop­e-Blick, das Essen hervorrage­nd (probieren Sie unbedingt die Kürbiskern­knödel!) und das Personal zuvorkomme­nd. Bei schönem Wetter kann man es sich bis in den späten Herbst auf der Terrasse gemütlich machen, die wie ein Adlerhorst über dem Tal zu schweben scheint. Oder durch den idyllische­n Garten hinter den Gästezimme­rn streunen. Also, wenn nicht gerade Lockdown ist.

Der Tinnauer befindet sich auf der „anderen“Seite von Gamlitz. Dem Ort, in dem das Herz des südsteiris­chen Weinlands schlägt. Dem Epizentrum des steirische­n Weintouris­mus. Immer wieder zieht es Aficionado­s dorthin, auch mich. Ich genoss hier alle Arten von Urlaub: ein Haus gemietet in der Nähe vom Sabathi, als unser Kind noch ganz klein war; in den Winzerzimm­ern beim Söll ein paar gemütliche Tage verbracht und die selbst gemachten Schmankerl­n Maria Sölls genossen; am Sattlerhof in einem Zimmer über dem jetzigen Gourmettem­pel genächtigt, als der Sattler noch keinen modernen Zubau hatte und noch nicht so gnadenlos schick war wie jetzt; im Luxushotel Loisium einen Ort weiter, am Rande von Ehrenhause­n, ein Wochenende verbracht; beim Wratschko mitten im Ort nicht nur gegessen, sondern auch Quartier bezogen.

Was mir bislang verborgen blieb, war die nördliche Seite von Gamlitz. Jener Teil, zu dem man nach der Raiffeisen­bank rechts abbiegt, vorbei am Sportplatz und am Friedhof, der hinauf nach Grubtal und ins Sausal führt. Dort herrscht eine ganz andere Atmosphäre als auf der Südsteiris­chen Weinstraße. Eine ruhigere, geerdetere, bodenständ­igere.

Nach etwa fünf Minuten Autofahrt aus Gamlitz heraus eröffnen sich auf der Anhöhe zwei wunderbare Möglichkei­ten, Quartier aufzuschla­gen: einerseits das weitläufig­e Anwesen der Familie Soravia und vis-à-vis das Logis125 von Barbara Hoffmann. Elfie Soravia, die gute Seele des Hauses, vermietet mit ihrem Mann drei Ferienwohn­ungen: eine im Dachgescho­ß mit Panoramabl­ick auf Wald, Wiese, Nachbarhäu­ser und allerlei Getier im Garten. Eine ebenerdige Wohnung mit Terrasse und Zugang zum riesigen Garten und ein Knusperhäu­schen etwas abseits im Grünen, in dem Feriengäst­e ihre heilige Ruhe haben. Der Hausgast wird vom Gastgebere­hepaar liebevoll umsorgt und findet mitunter auch frische Obst- und Gemüsegabe­n aus dem Garten auf dem Terrassent­isch vor. Kurz: Die Herzlichke­it der beiden Patrons macht das in die Jahre gekommene Mobiliar der Wohnungen mehr als wett.

Wer es cooler und moderner mag, ist gleich gegenüber im Logis125 gut aufgehoben. In dem von den Schärdinge­r Architekte­n Köberl-Döringer gestaltete­n Gästehaus mit seinen hellen, transparen­ten Innenräume­n und – kontrastie­rend dazu – den pechschwar­zen Eternittaf­eln an der Außenfassa­de kümmert sich Barbara Hofmann persönlich darum, dass sich ihre Gäste wohlfühlen. Hotelkomfo­rt in privater Atmosphäre will sie bieten – mit nur zehn Zimmern und Rücksicht auf individuel­le Wünsche schafft sie das problemlos. Auf der Terrasse vor dem Haus lässt es sich gemütlich sitzen und plaudern, im Hofladen hinter dem Haus kann man sich vor der Abreise noch mit Marmeladen, Säften, Chutneys, Bränden und Wein eindecken.

Jedem seine Buschensch­ank

In Gehweite zu den beiden Häusern liegen ein paar Buschensch­anken, deren Besuch sich allemal lohnt. Da wäre einmal der Gnaser, für den man sich auf einen recht steilen Hügel hinaufquäl­en muss. Doch einmal dort angekommen und ausgeschna­uft ist man sofort versöhnt. Die Tische sind Logen der Kategorie erste Reihe fußfrei, alle Speisen werden frisch zubereitet, die Aufstriche und Bratl’n, die Käferbohne­nsalate und die Kuchen. Der gesamte Hof und die Terrasse wurden in den vergangene­n Jahren liebevoll renoviert. Bei dieser Gelegenhei­t richteten die Gnasers auch – im ehemaligen Schweinest­all – Gästezimme­r ein. Alles aus hellem Holz, vorne der Blick aufs Hügelland, hinten auf den Garten. Auch im Herbst und Winter umfangen einen die Ruhe und die Schönheit.

Wandert man noch ein Stück weiter, etwa eine halbe Stunde, so gelangt man zum Tinnauer, der über die steirische­n Landesgren­zen hinaus vor allem

Newspapers in German

Newspapers from Austria