Andererseits
Von der Weinstraße hat jeder ein Bild im Kopf. Es ist Zeit für ein neues: Die nördliche Seite von Gamlitz zeigt das bodenständige Gesicht der Ein Überblick für entspanntere Zeiten
Da muss ich erst schauen. Besser morgen. Leider kein Platz frei.“Solche Sätze hört der brettljausen- und muskatellersüchtige Besucher oft, wenn er beim Tinnauer anruft. Zählt doch die Buschenschank am Labitschberg offensichtlich zu den Lieblingslokalen der Gäste. Und der Einheimischen.
Was kein Wunder ist: Der Blick vom Labitschberg auf die umliegenden Hügel und Weinberge ist ein Cinemascope-Blick, das Essen hervorragend (probieren Sie unbedingt die Kürbiskernknödel!) und das Personal zuvorkommend. Bei schönem Wetter kann man es sich bis in den späten Herbst auf der Terrasse gemütlich machen, die wie ein Adlerhorst über dem Tal zu schweben scheint. Oder durch den idyllischen Garten hinter den Gästezimmern streunen. Also, wenn nicht gerade Lockdown ist.
Der Tinnauer befindet sich auf der „anderen“Seite von Gamlitz. Dem Ort, in dem das Herz des südsteirischen Weinlands schlägt. Dem Epizentrum des steirischen Weintourismus. Immer wieder zieht es Aficionados dorthin, auch mich. Ich genoss hier alle Arten von Urlaub: ein Haus gemietet in der Nähe vom Sabathi, als unser Kind noch ganz klein war; in den Winzerzimmern beim Söll ein paar gemütliche Tage verbracht und die selbst gemachten Schmankerln Maria Sölls genossen; am Sattlerhof in einem Zimmer über dem jetzigen Gourmettempel genächtigt, als der Sattler noch keinen modernen Zubau hatte und noch nicht so gnadenlos schick war wie jetzt; im Luxushotel Loisium einen Ort weiter, am Rande von Ehrenhausen, ein Wochenende verbracht; beim Wratschko mitten im Ort nicht nur gegessen, sondern auch Quartier bezogen.
Was mir bislang verborgen blieb, war die nördliche Seite von Gamlitz. Jener Teil, zu dem man nach der Raiffeisenbank rechts abbiegt, vorbei am Sportplatz und am Friedhof, der hinauf nach Grubtal und ins Sausal führt. Dort herrscht eine ganz andere Atmosphäre als auf der Südsteirischen Weinstraße. Eine ruhigere, geerdetere, bodenständigere.
Nach etwa fünf Minuten Autofahrt aus Gamlitz heraus eröffnen sich auf der Anhöhe zwei wunderbare Möglichkeiten, Quartier aufzuschlagen: einerseits das weitläufige Anwesen der Familie Soravia und vis-à-vis das Logis125 von Barbara Hoffmann. Elfie Soravia, die gute Seele des Hauses, vermietet mit ihrem Mann drei Ferienwohnungen: eine im Dachgeschoß mit Panoramablick auf Wald, Wiese, Nachbarhäuser und allerlei Getier im Garten. Eine ebenerdige Wohnung mit Terrasse und Zugang zum riesigen Garten und ein Knusperhäuschen etwas abseits im Grünen, in dem Feriengäste ihre heilige Ruhe haben. Der Hausgast wird vom Gastgeberehepaar liebevoll umsorgt und findet mitunter auch frische Obst- und Gemüsegaben aus dem Garten auf dem Terrassentisch vor. Kurz: Die Herzlichkeit der beiden Patrons macht das in die Jahre gekommene Mobiliar der Wohnungen mehr als wett.
Wer es cooler und moderner mag, ist gleich gegenüber im Logis125 gut aufgehoben. In dem von den Schärdinger Architekten Köberl-Döringer gestalteten Gästehaus mit seinen hellen, transparenten Innenräumen und – kontrastierend dazu – den pechschwarzen Eternittafeln an der Außenfassade kümmert sich Barbara Hofmann persönlich darum, dass sich ihre Gäste wohlfühlen. Hotelkomfort in privater Atmosphäre will sie bieten – mit nur zehn Zimmern und Rücksicht auf individuelle Wünsche schafft sie das problemlos. Auf der Terrasse vor dem Haus lässt es sich gemütlich sitzen und plaudern, im Hofladen hinter dem Haus kann man sich vor der Abreise noch mit Marmeladen, Säften, Chutneys, Bränden und Wein eindecken.
Jedem seine Buschenschank
In Gehweite zu den beiden Häusern liegen ein paar Buschenschanken, deren Besuch sich allemal lohnt. Da wäre einmal der Gnaser, für den man sich auf einen recht steilen Hügel hinaufquälen muss. Doch einmal dort angekommen und ausgeschnauft ist man sofort versöhnt. Die Tische sind Logen der Kategorie erste Reihe fußfrei, alle Speisen werden frisch zubereitet, die Aufstriche und Bratl’n, die Käferbohnensalate und die Kuchen. Der gesamte Hof und die Terrasse wurden in den vergangenen Jahren liebevoll renoviert. Bei dieser Gelegenheit richteten die Gnasers auch – im ehemaligen Schweinestall – Gästezimmer ein. Alles aus hellem Holz, vorne der Blick aufs Hügelland, hinten auf den Garten. Auch im Herbst und Winter umfangen einen die Ruhe und die Schönheit.
Wandert man noch ein Stück weiter, etwa eine halbe Stunde, so gelangt man zum Tinnauer, der über die steirischen Landesgrenzen hinaus vor allem