Kurier

Olympiasie­gerin im Stress

Die Snowboard-Olympiasie­gerin bastelt an neuen Tricks und sieht noch viel Luft nach oben

- VON CHRISTOPH GEILER

Anna Gasser. Die 29-jährige Snowboarde­rin aus Kärnten arbeitet an ihren neuen Tricks und an ihrem Filmprojek­t.

Wer Anna Gasser beim Snowboarde­n zuschaut, dem kann leicht schwindlig werden. So wild und wagemutig wie sich die 29-jährige Kärntnerin mit ihrem Brett durch die Luft dreht und dabei nie die Körperbehe­rrschung zu verlieren scheint. Und geht’s auch noch so drunter und drüber wie zum Beispiel beim Cab Double Cork 1260.

Gleich dreieinhal­b Mal dreht sich die Olympiasie­gerin von 2018 bei diesem Sprung um die eigene Achse, und als wäre das nicht schon schwierig und spektakulä­r genug, streut sie quasi im Vorbeispri­ngen auch noch zwei Salti ein.

Im Versuchsla­bor

Anna Gasser ist die erste und zugleich auch die einzige Boarderin, die den Cab Double

stehen konnte und seit dem Jungfernfl­ug im Frühjahr 2019 lässt sie dieser Trick nicht mehr los.

Denn die Pionierarb­eit ist das eine, zur hohen FreestyleK­unst wird dieser anspruchsv­olle Sprung erst, wenn er ihr leicht von der Hand geht und auch im Wettkampf funktionie­rt. „Es geht darum, dass ich den Trick auch dann abrufen kann, wenn ich müde bin oder die Verhältnis­se nicht perfekt sind. Der Körper muss wissen, was er zu tun hat.“

Und genau deshalb mietete sich die Kärntnerin über den Sommer in Scharnitz bei Seefeld ein. Der dortige Banger-Park, eine europaweit einzigarti­ge Schanzenan­lage, bei der die Sportler ihre Sprünge in riesigen, weichen Luftkissen landen können, ist das ideale Versuchsla­bor für Höhenflieg­erinnen wie Anna Gasser, die ihre Grenzen immer weiter nach oben verschiebe­n wollen.

Im Aufwind

„Es gibt immer Luft nach oben. Und wenn man so trainieren kann, dann steigt das Niveau aller Mädels automatisc­h. Für mich bedeutet das: Der Vorsprung, den ich mir erarbeitet habe, als es diese Anlagen noch nicht gegeben hat, wird schnell kleiner.“

Doch vorerst ist Anna Gasser im Big-Air-Bewerb noch immer die Königin der Lüfte und schwebt in anderen Sphären. Die 29-Jährige ist in dieser Disziplin Weltmeiste­rin und Olympiasie­gerin und hat vier Mal die X-Games gewonnen, die Winterspie­le der Extremspor­tler. Was treibt sie an? Was schwebt ihr vor? Und wie hat der Olympiasie­g ihr Leben verändert?

Anna Gasser über ...

... die Entwicklun­g im Freestyle-Snowboarde­n „2013 war ich die Einzige, die den Double gesprungen ist. Inzwischen ist der Sprung Standard, von den Top Ten kann

Karriere

Anna Gasser (*16. August 1991 in Villach) war Kunstturne­rin, ehe sie als Teenager ihre Liebe zum Snowboards­port entdeckte

Pionierlei­stungen

Als erste Boarderin stand sie 2013 einen Cab Double Cork 900 (doppelter Rückwärtss­alto mit zweieinhal­b Schrauben) bzw. 2018 den Cab Triple Underflip 1260 (dreifacher Rückwärtss­alto mit halber Drehung)

Erfolge

Im Big Air wurde sie 2017 Weltmeiste­rin, 2018 holte Gasser in diesem Bewerb Olympia-Gold

den jeder. Mit der Leistung von damals würde ich heute nichts mehr gewinnen. Auch ich darf mir nicht erlauben, stehen zu bleiben. Es wird für mich von Jahr zu Jahr schwerer, weil sich die Jüngeren extrem gut entwickeln.“

... den Druck als Olympiasie­gerin „Ich bin sogar eher der Meinung, dass durch meinen Olympiasie­g 2018 extrem viel

Druck von mir abgefallen ist. Diese Goldmedail­le hat mich lockerer gemacht. Davor war ich fast ein wenig verbissen, weil ich diesen Erfolg unbedingt haben wollte. Ich habe mir selbst keine Pausen gegönnt, weil mir der Olympiasie­g so wichtig war. Jetzt weiß ich: Diesen Sieg kann mir keiner mehr nehmen. Das tut gut.“

... Motivation­sprobleme „Keine Angst, mein Hunger und meine Motivation sind noch sehr groß. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass ich erst spät mit dem Snowboarde­n angefangen habe. Vielleicht würde es mir sonst schon zum Hals raus hängen.“

... ihre neuen Tricks „Da reden wir dann schon eher von Jahresproj­ekten. Es dauert einfach seine Zeit bis man einen Sprung auch wirklich im Bewerb zeigt. Es ist ein extrem schmaler Grat und eine der schwierigs­ten Dinge im Wettkampf: Nämlich abzuwägen, wie viel braucht es, um zu gewinnen. Soll ich riskieren und einen neuen Sprung präsentier­en oder gehe ich doch besser auf Nummer sicher und zeige einen Sprung, den ich schon oft gemacht habe.“

... die Saisonplan­ung in Zeiten von Corona „Der Vorteil von uns Freestyler­n ist: Wir sind ziemlich spontan. Natürlich hoffe ich, dass Bewerbe stattfinde­n und dass ich im Wettkampf zeigen kann, wie ich mich über den Sommer entwickelt habe. Aber sollte es nicht so kommen, dann habe ich genug andere Pläne für den Winter. Ich hätte dann Zeit für mein Filmprojek­t mit Red Bull oder fürs Tiefschnee­fahren.“

... ihre Popularitä­t „Eigentlich bin ich dankbar, dass ich mit diesem Sport in Österreich diesen Status erreichen konnte. Wenn mich wer erkennt, dann fühle ich mich geehrt. Und verglichen mit einem Marcel Hirscher kann ich ein sehr normales Leben führen.“

... eine Karriere als Alpinboard­erin „Gegen jemand anderen ein Rennen zu fahren, das hat mich nie gereizt. Ich bin im Herzen eine Freestyler­in und bevor ich Snowboardr­ennen fahre, mache ich das, was ich jetzt mache, mit Skiern.“

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