Corona: Vor neuen Maßnahmen
Kommende Woche ist entscheidend. Der Gesundheitsminister deutete neue Maßnahmen an
Rekord. 8.241 Neuinfektionen binnen 24 Stunden: Gesundheitsminister Anschober deutet weitere Maßnahmen an.
8.241 positive Corona-Testergebnisse – das ist ein neuer Rekord. Eingemeldet wurde er von Freitag auf Samstag. Auch die Zahl der aktiv Erkrankten ist weiter gestiegen – 57.570 sind in Österreich momentan (Stand Samstag, 14 Uhr) infiziert. Das sind mehr als beispielsweise St. Pölten Einwohner hat. Rund 28 Prozent aller durchgeführten Corona-Tests fallen also positiv aus.
Erstmals werden seit Beginn der Pandemie österreichweit mehr als 3.000 Covid-19Patienten im Spital behandelt. Davon benötigten 432 Menschen intensivmedizinische Versorgung. Die Zahl der Toten stieg um 37 auf 1.377 an.
Die zweite Welle hat damit einen neuen Höhepunkt erreicht – und es dürften weitere Rekorde folgen, da sind sich die meisten Experten einig. Gleich vier Bundesländer meldeten am Samstag mehr als 1.000 Neuinfektionen: in Oberösterreich gab es gar 2.279, in Niederösterreich 1.099, gefolgt von der Steiermark (1.021) und Wien (1.107). Im Schnitt stiegen die Infektionen in den vergangenen Tagen vor allem in Vorarlberg, Oberösterreich, Tirol und Salzburg rasant an.
In Vorarlberg etwa sind die Intensivbetten in zwei Spitälern in Dornbirn und Hohenems schon belegt. Auch in Wien meldete der Gesundheitsverbund eine „durchaus kritische“Situation. 531 Covid-19-Patienten sind in Wien derzeit in Spitalsbehandlung, davon 115 auf Intensivstationen.
35 Intensivbetten waren damit am Samstag in Wien noch frei verfügbar. Im Schnitt kommen täglich zwei bis vier neue Patienten dazu. Am Freitag wurde – wie in Teilen des KURIER berichtet – eine neue Covid-Station in einem Wiener Ordensspital eingerichtet. Bei den Normalbetten aber werden nun die Kapazitäten von ursprünglich 400 vorhandenen Betten laufend auf 600 erhöht, sofern sich dafür Bedarf abzeichnet.
Verschärfungen möglich
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte angesichts dieser Entwicklungen am Samstag, dass die nächste Woche weichenstellend sein wird. Im Ö1-Morgenjournal deutete er sogar mögliche weitere Verschärfungen an: Solche stehen demnach im Raum: Es stehen neue Maßnahmen im Raum
„wenn das reale Risiko besteht, dass diese Anzahl von IntensivpatientInnen überschritten wird“, sagte Anschober. Dass die Schulen geschlossen werden könnten, dementierte er. Neue Verschärfungen könnten demnach den Handel treffen. Der Minister erneuerte seinen Appell, Kontakte drastisch zu verringern, Abstand zu halten und einen Mund- Nasenschutz zu tragen.
Auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz sagt, dass die kommende Woche entscheidend sein wird. Die starken Anstiege seien aber erwartbar gewesen: „Diese Infektionen sind sieben bis zehn
Tage alt, da hatten wir die neuen Maßnahmen noch nicht“, sagt sie. Allerdings rechnet sie damit, dass die Intensivstationen kommende Woche an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen könnten.
Kritik an zu spät ergriffenen Maßnahmen übt Monika Redlberger-Fritz nicht: „Man wusste, dass eine zweite Welle kommt, aber nicht wann“, sagt sie. Hätte man die Maßnahmen schon bei niedrigen Zahlen gesetzt, hätten Wirtschaft und Bevölkerung nicht mitgespielt. Gebot der Stunde laut der Virologin: Genaue Analyse, wo es zu den Infektionen kommt und „genau dort nachschärfen.“
Forschung. Bildungsminister Heinz Faßmann als auch die Grünen wehren sich vehement gegen Schulschließungen – trotz der Ausbreitung der Pandemie.
Allerdings scheint der Anteil der Kinder am Infektionsgeschehen zu sinken, darauf deuten jedenfalls Daten aus Wien hin – erstaunlich daran: Er sank vor allem seit Schulbeginn.
Doch sollten die Infektionszahlen weiter besorgniserregend steigen, bleibt der Politik früher oder später kaum etwas anders übrig. Eine neues WIFO-Positionspapier, das aktuelle Studien analysiert hat, könnte aber genau davor kaum deutlicher warnen. Konkret heißt es dort:
• Auswirkung auf Kinder beinhalten Lerneinbußen, die Reduktion von Kompetenzen mit kurz- und langfristigen ökonomischen Konsequenzen, fehlende soziale Kontakte, weniger Bewegung und dadurch schlechtere Gesundheit, verringerte motorische Fähigkeiten und ein verringertes Wohlbefinden.
• Auswirkung auf Eltern betreffen Probleme bei der Vereinbarkeit von Homeoffice und „distance leanring“und damit eine geringere Arbeitsproduktivität, geringeres Einkommen und eine Erhöhung der Lohnungleichheiten zwischen Frauen und Männern
• Auswirkung auf Unternehmen zeigen negative Effekte auf Schullieferanten (z. B. Kantine, Beförderungsunternehmen),
eine Reduktion der Kompetenzen künftiger Mitarbeiter und eine zusätzliche Verschärfung des Fachkräftemangels.
• Auswirkung auf Gesellschaft beinhalten eine Reduktion des langfristigen Wachstums, einen geringeren Aufbau von sozialen Kompetenzen und eine Verstärkung von Ungleichheit durch höhere Betroffenheit benachteiligter bzw. lernschwacher Kinder.
„Aus ökonomischer Sicht ziehen Schulschließungen hohe individuelle und gesellschaftliche Kosten nach sich und sollten nur bei ausreichender gesundheitlicher Begründung in Betracht gezogen werden. Diese liegt bislang nicht vor, deshalb ist aus ökonomischer Sicht von Schulschließungen – vor allem für junge Kinder – dringend abzuraten.“, heißt es am Ende des Positionspapiers. „Wir kommen nicht zum Schluss, dass man die Schulen nicht schließen darf. Ich will nur, dass die ökonomische Sicht immer mitberücksichtigt wird“, erklärt WIFO-Chef Christoph Badelt. Denn ein Schullockdown, wie das im Frühjahr der Fall war, ergebe für ihn nur dann Sinn, „wenn man gesundheitspolitisch sicher ist, dass man es nicht mehr anders schafft. Und dann gilt für mich der Grundsatz: Lieber früher und kürzer als später und länger. Weil je länger er dauert, desto größer auch die ökonomischen Schäden.“