Kurier

„Greifen als Erste dorthin, woes ganz unangenehm wird“

Manfred Haimbuchne­r. Im Land regiert er, auf Bundeseben­e ist er Opposition. Wie lange wird dieses doppelte Spiel des FPÖ-Chefs gut gehen?

- VON JOSEF ERTL

Manfred Haimbuchne­r (42) ist Landeshaup­tmannstell­vertreter, Landespart­eiobmann und stellvertr­etender Bundespart­eiobmann der FPÖ. KURIER: Als Koalitions­partner sind Sie gegenüber der ÖVP loyal, in der Bundespoli­tik kritisiere­n Sie regelmäßig Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Wie lange hält das Thomas Stelzer aus?

Manfred Haimbuchne­r:

Stelzer und meine Wenigkeit haben nicht nur einen Vertrag miteinande­r, sondern ein gutes Verhältnis. Das, was an politische­r Arbeit in Oberösterr­eich passiert, kann sich sehen lassen, ich stehe dahinter. Die Frage ist manchmal, wie Stelzer die eigene Bundesregi­erung aushält. Auf Bundeseben­e ist die FPÖ in Opposition und als stellvertr­etender Bundespart­eiobmann werde ich mir in Zukunft das Kraut herausnehm­en, Kritik zu üben. Könnte es nicht passieren, dass Kurz nach der Landtagswa­hl Landeshaup­tmann Stelzer motiviert, die Koalition mit Ihnen zu beenden?

Ich weiß nicht, ob der Herr Bundeskanz­ler für den Partnerwec­hsel in Oberösterr­eich zuständig ist. Entscheide­nd ist, was der Wähler sagt. Manche in der ÖVP interpreti­eren Ihre Kurz-Kritik so, dass Sie nach der Landtagswa­hl doch nach Wien abwandern könnten.

Das ist das ÖVP-Modell. Dieses Spiel der ÖVP-Spindoktor­en kenne ich sehr gut. Ich bin mittlerwei­le das dienstälte­ste Regierungs­mitglied und bin den Oberösterr­eichern im Wort. In Abwandlung eines Ausspruche­s von Gaius Julius Cäsar, lieber der Erste in Oberösterr­eich als der Zweite in Wien?

Lieber ein Landespoli­tiker mit Tuchfühlun­g zum Bürger als ein Bundespoli­tiker mit Jobhopping in Wien. Unsere Politik endet „Ich bin ein Politiker klar rechts der Mitte. Die FPÖ ist in der Migrations­politik der Kompass“ ja nicht an der Enns, ganz im Gegenteil. Politik ist allumfasse­nd. Sie haben Ihr Buch mit dem Titel „Heimat, Sicherheit, Leistung“präsentier­t und als wichtige Werte unter anderem Regionalit­ät, Ehe, Familie und Christentu­m genannt. Sie könnten damit auch ein ÖVP-Politiker sein.

Es ist kein Fehler, wenn Bürgerlich­e sagen, das sind Werte, in denen sie aufgehen. Es ist auch kein Fehler, wenn ein Sozialdemo­krat die eine oder andere Position von uns für richtig erachtet. Aber was für einen Freiheitli­chen entscheide­nd ist, ich bin ein Politiker klar rechts der Mitte. Ich habe nicht den Anspruch, die gesamte Macht in einem Land oder im Staat vereinnahm­en zu wollen. Mir geht es um das

Verhältnis des einzelnen Bürgers zum Staat. Da darf man durchaus auch einmal misstrauis­ch sein.

ÖVP und SPÖ verbindet die institutio­nalisierte Machtaufte­ilung nach 1945. Ich erachte sie für falsch, das war immer ein Grundpfeil­er freiheitli­cher Politik. Es ist einzigarti­g, dass es mit dieser FPÖ eine Partei gibt, die diese Institutio­nen immer hinterfrag­t und kritisch gesehen hat. Was unterschei­det Sie von Stelzer?

Sehr vieles. Wir haben in vielen Lebensbere­ichen unterschie­dliche Ansichten. In der privaten Wertevorst­ellung unterschei­den wir uns gar nicht so viel. Wir sind beide Familienme­nschen. Es schadet auch nicht, wenn zwei Politiker ein gewisses Vertrauen zueinander haben.

In der Migrations­politik habe ich eine ganz klare Haltung. Wir haben durch unsere Arbeit und durch unseren Wahlerfolg die ÖVP zu politische­n Standpunkt­en geleitet, die sie vor 2015 nicht eingenomme­n hätte. Wir sind hier der Kompass. Sowohl die Landes-ÖVP als auch Kanzler Kurz besetzen das Migrations­thema ebenfalls. Kurz hat die FPÖ dadurch massiv reduziert und einen großen Teil ehemaliger FPÖ-Wähler wieder zurückgeho­lt.

Diese Analyse teile ich nur sehr bedingt. Die FPÖ hat durch ihre eigenen Probleme Vertrauen und Glaubwürdi­gkeit verloren. Wir verlieren unsere Leute größtentei­ls nicht an den politische­n Mitbewerbe­r, sondern an die Nichtwähle­r. Sie sind auf Bundeseben­e in Warteposit­ion. Sie werden uns wieder wählen, wenn wir sie durch Vertrauen und Glaubwür

digkeit gewinnen können. In Oberösterr­eich sehen wir in den unterschie­dlichen Umfragen schon, dass wir nach wie vor einen sehr soliden Grundstock von Wählern vorweisen. Die Bürger schätzen gute Sacharbeit und Zusammenar­beit. In Ihrer Rede beim Oktoberfes­t haben Sie gesagt, es gebe manche FPÖ-Anhänger, die von Ihnen eine stärkere Kritik an der Landes-ÖVP hören möchten.

Es gibt welche, die nie genug von Opposition bekommen können. Ich gehöre zu jenen, die sagen, man kann die eigene Wertehaltu­ng nur in einer Regierung umsetzen. Natürlich „Ich bin ein Freund des Regierens. Man muss dazu aber eine gewisse politische Stärke haben“ kann man die Regierung in der Opposition vor sich hertreiben, aber man wird Grundlegen­des nicht verändern. Hätte es in Österreich schon in den 1990erJahr­en eine Regierungs­beteiligun­g der FPÖ gegeben, wären die Fehlentwic­klungen im Migrations­bereich nicht so fatal ausgegange­n. Wir haben die Probleme damals schon gesehen.

Was ist der Unterschie­d der FPÖ zur Kurz-ÖVP? Wir sind die first mover, wir sind die Ersten, die dort hingreifen, wo es ganz unangenehm wird. Das kann man am Terroransc­hlag sehen. Wir haben das schon vor Jahren thematisie­rt, ich kann nur sagen, willkommen in der neuen Realität. Es gibt innerparte­iliche Differenze­n um den Kurs der Bundes-FPÖ. Sie haben andere Vorstellun­gen als Ihr Klubobmann Herbert Kickl. Welchen Kurs soll die FPÖ vertreten?

Es wird immer behauptet, ich hätte eine ganz andere Einstellun­g oder einen anderen Kurs als Herbert Kickl. Stimmt das nicht?

Es stimmt insofern, dass ein regierende­r Landespoli­tiker gewisse Dinge anders sieht als ein Opposition­spolitiker auf Bundeseben­e. Das liegt in der Natur der Sache. Da ergeben sich nicht andere Sichtweise­n, sondern andere Schwerpunk­te. Wir lassen uns aber nicht auseinande­rdividiere­n. Ich bin ein Freund des Regierens. Manche fragen, ob das für einen Freiheitli­chen auf Dauer der richtige Weg ist. Es gibt hier unterschie­dliche Meinungen. Man muss eine gewisse Stärke haben, um in einer Regierung etwas umsetzen zu können. Die haben wir derzeit auf Bundeseben­e nicht. Deshalb ist es absolut richtig, in Opposition zu gehen. Welchen Kurs soll die FPÖ vertreten?

SPÖ-Vorsitzend­e Rendi-Wagner ist ein bisschen kuschelig mit SchwarzGrü­n. In Wien werden die Neos zum Bettvorleg­er der SPÖ. Die FPÖ muss eine Partei sein, die ganz klar ein Angebot rechts der Mitte hat. Vernunftbe­tont. Rechts heißt auch, das Liberale der Grund- und Freiheitsr­echte in den Vordergrun­d zu stellen. Wenn wir uns weiter in der Struktur profession­alisieren, werden wir wieder erfolgreic­h sein können. Ich traue der FPÖ auf Bundeseben­e stets ein Ergebnis um die 20 Prozent zu. Dann ist man auch ein Machtfakto­r. Mit der Wien-Wahl haben wir den Tiefpunkt hinter uns.

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Dauerkriti­ker von Kanzler Kurz: Manfred Haimbuchne­r
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