Kurier

Ein Querdenker wird der „Koch des Jahres“

Max Stiegl ist weltberühm­t für seine Sautänze und die Innereien-Haute-Cuisine

- VON ANITA KATTINGER

Hoffnung auf ein besseres Leben. Drei Jahre vor Beginn der Jugoslawie­n-Kriege packt Familie Raškovic ihre Habseligke­iten und fährt 400 Kilometer nach Salzburg. Die Eltern wollen Željko und Stevo mehr bieten als sie es im Slowenien der Achtziger tun können: Obwohl die Kinder nur Semmel und guten Morgen auf Deutsch sagen können, fühlen sie sich nicht als Fremde. Heute sagt Max

Stiegl über seine Kindheit: „Den Gastarbeit­erkindern der zweiten Welle standen alle Türen offen. Und deswegen engagiere ich mich heute so sehr für gelebte Integratio­n.“Den Kunstnamen Max Stiegl nimmt der Koch bereits in seiner Lehrzeit in Salzburg an. Nach dem Ende dieser zieht es ihn an den Neusiedler See, wo er als jüngster Küchenchef weltweit einen MichelinSt­ern erkocht und die Liebe seines Lebens in einer Bar kennenlern­t.

Schwierige­r Chef

23 Jahre nach Eröffnung seines „Guts Purbach“im Burgenland wird der Drei-Haubenkoch am Donnerstag mit dem begehrten Titel „Koch des Jahres 2021“ausgezeich­net. Martina und Karl Hohenlohe, Chefredakt­eurin und Herausgebe­r von Gault&Millau begründen ihre Wahl so: „Er ist ein Querdenker, will nicht gefällig sein und es allen Recht machen. In keiner Phase zu gewollt kreativ, aber durchaus experiment­ierfreudig, Klassiker in Perfektion und dann wieder überrasche­nde Kreationen, die oft aus Zutaten seiner burgenländ­ischen Heimat zusammenge­fügt sind.“

Weltberühm­t ist „Gut Purbach“für seine Sautänze und Innereien-Haute-Cuisine. Anfangs aus der unternehme­rischen Not heraus, alles verkochen zu müssen, sind Stiegls Gerichte wie „Das Huhn aus einer Schweinsbl­ase“weit über die Landesgren­ze hinaus bekannt. Auch dank diverser TV-Auftritte wie an der Seite von Tim Mälzer. Noch heute eckt er oft mit seiner Speisekart­e an: Als er vor Kurzem als Gruß aus der Küche „Gänsefutte­r“in Form von Vogelmiere, Heu, Heuschreck­en und Schnecken auftischte, hagelte es Reklamatio­nen. Aber er kocht nicht, um geliebt zu werden. Wenn er seinen Kindern Werte mit auf den Weg geben will, dann Strebsamke­it und Ehrlichkei­t. „Es muss nicht immer alles aufgehen. Fehler formen Menschen. Ich habe keine Angst zu versagen. Ohne Sabine im Hintergrun­d hätte ich das alles nie geschafft.“Was ihm besonders leidtut: Dass er mit seinen Kindern nicht mehr Slowenisch spricht – sein Corona-Projekt.

Höchstform in der Krise

Selbst wuchs Stiegl mit der Balkan-Hausmannsk­ost seiner Mutter, einer gelernten Köchin, auf. Heute sind seine Eltern nicht gerne Gast im Haubenrest­aurant ihres Kindes: „Es ist nicht ihre Welt. Diese Generation hat immer Angst, dass sie anderen einen Tisch wegnehmen könnten.“Wer den Burgenländ­er kennenlern­t, sieht einen rastlosen Handwerker, der gerne Witze reißt und nicht still sitzen kann. Als Chef sei er nicht einfach, wie er selbst zugibt. Er fordere viel und gebe auch viel zurück. Freiwillig zahlt er seinen Mitarbeite­rn einen Mindestloh­n von 1.700 netto im Monat. Warum der Innereien-Spezialist im Krisenjahr ausgezeich­net wird, liegt auch in seiner Antwort auf die Krise: 100.000 verkaufte Portionen seines Paprikahen­dls und seiner Rindsroula­den – säuberlich eingerext für zu Hause. Diese Woche erweitert er das Sortiment um Take-away-Boxen, in denen ganze Menüs – auch ein Gansl-Menü – nach Anleitung finalisier­t werden können.

Zeugnisver­gabe

Anfang Dezember vergibt der Restaurant­führer die Noten für das Krisenjahr 2020. Anders als so mancher Spitzenkoc­h strebt der 40-Jährige keine Aufwertung an: „Ich habe immer gesagt, drei Hauben – drei Kinder. Bei einer vierten Haube, müsste ein weiteres Kind kommen.“Das will der Vater von drei Söhnen dann lieber doch nicht. „Ich freue mich, dass der Titel ein Vierteljah­rhundert nach Walter Eselböck wieder ins Burgenland kommt. Walter Eselböck hat Pionierarb­eit geleistet.“

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FRANZ GRUBER
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Seinen 40er feierte Max Stiegl heuer nur im kleinen Kreis
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Im Hof des „Gut Purbachs“findet der Sautanz statt, bei dem ein ganzes Schwein verarbeite­t wird

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