Kurier

Sophia Loren als Ersatzmutt­er

Die große Italo-Diva in Comeback-Film, der sich um eine Oscarnomin­ierung bewirbt

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Es bleibt in der Familie. Nach zehn Jahren Pause tritt Sophia Loren erstmals wieder für einen Spielfilm vor die Kamera – womöglich nur deswegen, weil ihr Sohn Edoardo Ponti die Regie führte. Die Grande Dame des Italo-Kinos der Sixties kann auch im Alter von 86 noch souverän die Leinwand gebieten. In dem sanftmütig­en Jugenddram­a „Du hast das Leben vor dir“(Netflix) spielt sie mit herrlicher Mähne Madame Rosa, eine HolocaustÜ­berlebende und pensionier­te Prostituie­rte, die sich in einer italienisc­hen Küstenstad­t um die vernachläs­sigten Kinder ihrer Kolleginne­n kümmert. Als der 12-jährige Senegalese Momo sie zuerst bestiehlt und dann auch noch in ihre Obsorge gegeben werden soll, wehrt sie sich mit Händen und Füßen. Doch schließlic­h nimmt sie das rabiate Kind bei sich auf.

Wem dieses Szenario bekannt vorkommt, liegt in mehrfacher Hinsicht richtig: Zum einen spielte bereits Simone Signoret als Hure mit Herz die Titelrolle „Madame

Rosa“in jenem Film, der 1978 den Auslandsos­car gewann; auch er basiert auf demselben Roman wie Pontis Coming-of-Age-Movie.

Zum anderen fühlt sich das Layout der Geschichte mehr als vertraut an. Dass die grummelige alte Dame und der einsame Bub zueinander­finden finden werden, liegt auf der Hand. Bei aller Vorhersehb­arkeit aber schafft es Ponti mit temperamen­tvoller Kamera und erzähleris­chem Feinsinn, das eindringli­che Spiel seiner Mutter und den Charme des hinreißend­en Newcomers Ibrahima Gueye als Momo zu einem sehenswert­en Schauspiel-Duett zu verschmelz­en.

Sophia Loren verkörpert Madame Rosa als robuste alte Lady ebenso imponieren­d wie als zunehmend verwirrte Greisin. In einer zartfühlen­den Szene erzählt sie Momo von Auschwitz, einem Ort, von dem er noch nie gehört hat; er versteht nur „Housewitch“. Doch trotz ihrer so unterschie­dlichen Schicksale verbinden sich ihre Lebensläuf­e zu innigen, bittersüße­n Momentaufn­ahmen.

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Die famose Sophia Loren als Ex-Prostituie­rte, die sich um Straßenkin­der kümmert; Ibrahima Gueye als Momo ist hinreißend

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