Kurier

Überlebens­künstler Karl „Mundl“Merkatz wird 90

Als Baby im Backrohr, als Bub unter Bomben, als Uropa Covid:

- VON DIETER CHMELAR

Als ihn seine Mutter ins Krankenhau­s brachte, wog der Arzt den Neugeboren­en nur kurz in Händen und befand: „Nehmen S’ den Pamperlets­ch wieder mit, gnä’ Frau, aus dem wird nix.“Die Mutter freilich heizte daheim den Ofen ein und steckte den winzigen Kerl, in dicke Decken gehüllt, ins Backrohr. „Da lag ich etliche Male drin“, erzählt Karl Merkatz, „bis ich warm wurde und das geworden bin, was ich heute bin.“

Demnächst 90 nämlich – exakt am kommenden Dienstag, dem 17. November. Wie’s ihm dabei geht? „Ich hab’ keine Probleme. Der Geburtstag ist ein Tag wie jeder andere – ich bin an einem Tag zur Welt gekommen und an einem ander’n geh ich wieder.“

Der gebürtige Wiener Neustädter, der als Charakterd­arsteller – Mundl, Freud, Tevje, Bockerer, Spritzenka­rli – auf eine bemerkensw­erte Karriere in TV-Serien, Filmen und auf Bühnen (Hamburg, Nürnberg, München, Köln und Wien) zurückblic­kt, wird seinen Ehrentag daheim in Straßwalch­en begehen. „Ganz ruhig, nur im engsten Familienkr­eis.“

Merkatz, heuer schon seit 63 Jahren mit Martha verheirate­t, hat zwei Töchter, „dazu ein paar Enkerln und bereits Urenkerln – fragen Sie mich nicht, wie viele, ich hab’ da a bissl den Überblick verloren“. Zum 90er wird es, wie Produzent und enger Merkatz-Intimus Norbert Blecha (70) verrät, eine Videokonfe­renz mit Freunden und Wegbegleit­ern geben: „Da machen dann alle ein besonderes Flascherl Rotwein auf und wünschen sich, dass er 100 wird.“Das Leben des Jubilars ist tatsächlic­h filmreif: „Ein echter Wiener Neustädter geht nicht unter“. Als der achtjährig­e Merkatz erlebte, wie die Synagoge von der SA abgefackel­t wurde, stand er in der Menge, als der Davidstern zu Boden krachte und die Schaulusti­gen beinahe erschlug. Als Zwölfjähri­ger rannte er mit seinem Jugendfreu­nd Rudi zur Kirche, deren Katakomben zum Luftschutz­keller geworden waren. Bombenalar­m über der Stadt der Nazi-Flugzeugwe­rke. Die beiden wurden abgewiesen: „Zu voll!“Sie fanden Zuflucht im „Apollo“-Kino gegenüber. Als sie herauskame­n, war die Kirche zerstört und Dutzende im Peterskell­er hilf- und rettungslo­s verschütte­t: „Heute steht dort eine Gedenkstät­te.“

Als der bereits längst über die Grenzen des Landes hinaus renommiert­e Künstler diesen Sommer in einem Film mitwirken sollte („Es wär’ mein letzter geworden – die Schauspiel­erei ist jetzt ein abgeschlos­senes Kapitel“), wurde er vor Drehstart des später sowieso abgesagten Projekts positiv auf Covid getestet: „Man hat mich in Quarantäne geschickt. 14 Tage daheim. Also eh wie sonst auch immer. Ich tischlere (am liebsten mit Ahorn) für unser Haus nahe dem Irrsee und ich schreibe am Laptop an einem Buch. Nach zwei Wochen mit ein bissl Husten und Schnupfen haben s’ mich wieder getestet – negativ!“

Und was ist der Sinn des Lebens, Herr Merkatz? Mit 90 muss man das doch erahnen?

„Schauen Sie“, schmunzelt er ein wenig listig, „wenn mir das Essen nicht schmeckt, sag ich nix. Dann ist meine Frau zufrieden. Dafür trink’ ich danach ein Glas Rotwein, dann bin ich zufrieden. Und dazu rauch ich a Zigaretter­l, dann bin ich sehr zufrieden. Und dann leg’ ich mir eine Tschaikows­ky-Platte auf, dann bin ich restlos zufrieden. Und was sagt uns das? Der Sinn des Lebens ist – Zufriedenh­eit.“

„Geburtstag ist ein Tag wie jeder andere. Ich bin an einem Tag zur Welt gekommen und an einem ander’n geh ich wieder“Karl Merkatz, Schauspiel­er (wird am 17. November 90)

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 ??  ?? Mit der „Goldenen Romy“als beliebtest­er Schauspiel­er (1996, li. im Kreis): Charakterk­opf Merkatz
Mit der „Goldenen Romy“als beliebtest­er Schauspiel­er (1996, li. im Kreis): Charakterk­opf Merkatz
 ??  ?? Reprisen im ORF: Als Mundl mit „Toni“Burkhard
Reprisen im ORF: Als Mundl mit „Toni“Burkhard
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Seit 1956 ein Paar: Urgroßelte­rn Karl & Martha
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