Kurier

Im Wettbewerb der Ängste

- VON GERT KORENTSCHN­IG gert.korentschn­ig@kurier.at

Ein härterer Lockdown kommt, zumindest noch ein Vorhangsch­loss – das ist fix. Reden wir also an dieser Stelle nicht über das Ob, sondern über das Wie. Ist Freitag, der 13., ein guter Tag, um weitere Maßnahmen zu verkünden? Eher nicht, bringt Unglück im Unglück. Aber erfährt man ernsthaft am Samstag, dass ab Montag alle Schulen zu sind? Der erste Lockdown wurde übrigens auch an einem Samstag, dem 14. (März), ausgerufen. Geschichte wiederholt sich.

Von außen betrachtet sieht man ein entsetzlic­hes Herumeiern bei Fragen, die uns alle betreffen. Und man rätselt, was eigentlich in den vergangene­n Monaten geschehen ist, wenn ohnehin klar gewesen sein dürfte, dass uns die zweite Welle eine furchtbare Watsch’n verpasst. Wenn man sich allerdings hineinzufü­hlen versucht in die Entscheidu­ngsträger, möchte man nicht tauschen. Auch Regierungs­mitglieder wissen wohl manchmal nicht weiter. Wär’ fein, wenn sie das auch zugäben. Und nicht erst getrieben von verheerend­en Zahlen Pläne schmieden. Die müsste es längst geben.

Apropos Hineinfühl­en: Zu den (gesellscha­ftspolitis­ch) schrecklic­hsten Dingen in der Corona-Krise gehören die Ignoranz, das Einzementi­eren im mentalen Homeoffice (aus dem man dann schwer wieder rausfindet), das NichtZuhör­en-Können und die überhandne­hmende Macht der Vorurteile. Sobald jemand eine Maßnahme im Kampf gegen das Virus kritisiert oder deren Sinnhaftig­keit infrage stellt, kommt sofort der Vorwurf: Eh klar, ein Corona-Leugner! Völliger Unsinn: Nicht jeder, der die Richtigkei­t der Tests anzweifelt oder diese Gesundheit­skrise in einen historisch­en Rahmen einbettet, negiert automatisc­h die Gefahr. Meist äußert sich die Angst nur anders.

Die Schriftste­llerin (und Richterin) Juli Zeh unterschie­d zuletzt in einem Kommentar für Die Zeit zwischen konkurrier­enden Fundamenta­längsten. Der Angst vor dem Virus, also vor Krankheit und Tod; der Angst vor den wirtschaft­lichen Folgen der Virusbekäm­pfung; und der Angst vor der Abschaffun­g der Demokratie im Zuge des Übergangs zu einer „Fürsorge-Diktatur“.

Ihre Schlussfol­gerung ist ebenso klug wie ihre Differenzi­erung: Der Streit zwischen den unterschie­dlichen AngstGrupp­en könne niemals mit einem Gewinner enden, es gehe nicht darum, wer beim Angsthaben am meisten recht habe. Umgelegt auf unsere aktuelle „Unruhe vor dem Sturm“– wie der KURIER gestern titelte – bedeutet das wohl, dass wir es nur gemeinsam durch die und aus der Krise schaffen. Dass die gesundheit­lich-ökonomisch-politische­n Ängste vielleicht sogar denselben Ursprung haben. Dass Demokratie immer Widerspruc­h bedeutet und es nicht die eine richtige Antwort gibt. Und dass am Ende des Tages das Gemeinwohl über dem singulären steht. Auch am Freitag, dem 13.

Wenn wir für ein paar Wochen alles zusperren, heißt das nicht, dass damit auch das Denken und der Widerspruc­h abgedreht werden

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